China: Schwächstes Wachstum seit 1990

Chinas Wirtschaft fehlt es derzeit an Aufwind.
Wirtschaftswachstum fällt mit 6,9 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren.

Chinas Wirtschaft ist 2015 so schwach gewachsen wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kletterte um 6,9 Prozent, nach 7,3 Prozent im Jahr zuvor, wie das Statistikamt des Landes am Dienstag mitteilte.

Der Anstieg liegt zwar im Rahmen der Erwartungen von Regierung und Ökonomen. Doch die kommunistische Führung in Peking bleibt unter Druck, der Wirtschaft mit weiteren Konjunkturspritzen über den schwierigen Strukturwandel hinwegzuhelfen. Darauf deuteten auch enttäuschende Daten von Industrie und Einzelhandel hin.

Börsen in Fernost zufrieden

An den Börsen in Fernost und am deutschen Aktienmarkt sorgten die BIP-Zahlen dennoch für gute Stimmung. Anleger zeigten sich erleichtertet, dass sich die Konjunktur nicht noch stärker abkühlte.

Nach jahrzehntelangem Boom mit teils zweistelligen Zuwachsraten will die Regierung das exportlastige Wirtschaftsmodell stärker auf die Binnenkonjunktur ausrichten und den privaten Konsum ankurbeln. Dafür nimmt sie auch weniger Wachstum in Kauf. Doch beim Umbau hakt es. Dies schürte zuletzt Sorgen, dass China als Schrittmacher für die Weltkonjunktur stärker aus dem Tritt kommen könnte - und führte zu Turbulenzen an den Börsen rund um den Globus.

Das für westliche Verhältnisse immer noch extrem hohe Wachstum ist für die Regierung in Peking eine Art Minimum, um genügend Arbeitsplätze in dem Milliardenvolk zu schaffen und größere soziale Unruhen zu vermeiden. Das chinesische Statistikamt verwies auf das schwierige internationale Umfeld. So sank die Rohstahlproduktion in der Volksrepublik im vergangenen Jahr erstmals seit 1981, die Stromproduktion sogar erstmals seit 1968.

Industrie im Wandel

Der asiatische Staat befinde sich mitten im schwierigen Wandel vom Schwellen- zum Industrieland, erklärte der Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. "Alte Industrien verschwinden oder wandern ab, neue kommen hinzu." So sorgt der Umbau für tiefe Einschnitte in Schlüsselbranchen. Chinas Weg vom Billiglohnland zu einem technologieintensiveren Standort biete vor allem in Nischen "vielfältige Chancen für die deutsche Wirtschaft", sagte der Präsident des deutschen Außenhandelsverbandes, Anton Börner.

Jüngste Daten zur Industrieproduktion und vom Einzelhandel belegen die aktuelle Konjunkturschwäche. Die Fabriken in China steigerten ihren Ausstoß im Dezember zwar um 5,9 Prozent, damit aber weniger als im Vormonat und auch als von Experten erwartet. Der Einzelhandelsumsatz legte binnen Jahresfrist mit 11,1 Prozent ebenfalls nicht so stark zu wie von Fachleuten angenommen. Im Schlussquartal 2015 schwächte sich das gesamte Wirtschaftswachstum auf 6,8 Prozent von 6,9 Prozent ab. Auf das Jahr hochgerechnet ist dies das geringste Plus seit den Hochzeiten der Finanzkrise Anfang 2009.

An den Finanzmärkten kamen die Daten dennoch gut an. "Böse Überraschungen oder gar die gefürchtete harte Landung blieben aus", sagte NordLB-Analyst Frederik Kunze. Die Kurse an den Börsen in Asien und in Deutschland legten zu. Hier spielte auch eine Rolle, dass Investoren mit mehr Konjunkturstützen durch Regierung und Notenbank rechnen. Weitere Zinssenkungen seien beschlossene Sache, sagte Angus Nicholson, Marktexperte beim Finanzdienstleister IG in Melbourne. Die Zentralbank pumpte erst am Montag rund 7,7 Mrd. Euro ins Bankensystem und bemüht sich, die Landeswährung Yuan wieder zu stabilisieren, nachdem sie Anfang Jänner eine deutliche Abwertung zugelassen hatte.

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