China lahmt im Jahr des Pferdes

In der Küstenstadt Qingdao, bekannt für die Brauerei Tsingtao, wird kräftig gebaut. Offiziell steigen die Immobilienpreise, aus einzelnen Städten werden aber Rückgänge berichtet.
Anfang 2014 nur noch 7,4 Prozent Plus – geringstes Wachstum seit 24 Jahren.

Ende Jänner hat nach chinesischem Horoskop das Jahr des Pferdes begonnen – von rasendem Galopp oder hohen Sprüngen ist Chinas Wirtschaft aber weit entfernt: Die Zeiten zweistelligen Wachstums sind vorbei.

Nach 7,7 Prozent im Schlussquartal 2013 ist die Wirtschaftsleistung (BIP) im ersten Jahresviertel 2014 nur um 7,4 Prozent gewachsen. Das "nur" ist ernst gemeint: Nach chinesischen Maßstäben ist das besorgniserregend wenig. Zuletzt war der Zuwachs 1989 und 1990 mit etwa vier Prozent Plus schlechter ausgefallen – da war China jedoch nach dem Massaker am Tiananmen (Platz des Himmlischen Friedens) international isoliert. Jetzt ist die Abschwächung teilweise sogar gewollt: Die neue Regierung hat sich nachhaltigeres Wachstum zum Ziel gesetzt.

Schulden- und Sparhoch

Es ist der zweite gravierende Schwenk in fünf Jahren. Als die Krise den weltweiten Warenaustausch einbrechen ließ, steuerte Chinas Führung 2009 mit gewaltigen Konjunkturpaketen dagegen. Unsummen an Billigkrediten befeuerten Investitionen in die Infrastruktur, noch mehr jedoch in Wohnungen und Büros. Das ließ die Immobilienpreise explodieren – und die Schulden.

Die Haushalte und Unternehmen stehen jetzt mit 210 Prozent des BIP in der Kreide, fast doppelt so hoch wie vor fünf Jahren. Niemand weiß, wie viele faule Kredite in den Büchern zwielichtiger Schattenbanken stecken.

Droht nun eine Finanzkrise "Made in China"? Diese Gefahr wird durch die riesigen Ersparnisse gemildert, auf denen der Staat sitzt: Die Währungsreserven sind Anfang 2014 auf den neuen Rekord von 3950 Milliarden US-Dollar gestiegen. Zudem versucht Peking, kontrolliert Druck aus der Kreditblase abzulassen und zwingt die Banken, weniger Geld zu vergeben – im ersten Quartal wurden die Kredite gleich um 90 Milliarden Dollar gedrosselt.

Damit geht auch der Immobilienboom zu Ende. Aus einzelnen Städten wie Hangzhou werden Preisabschläge bis zu 30 Prozent berichtet. Manche sehen das als Vorboten des unvermeidlichen Preisverfalls – dieser könnte die Wirtschaft stärker auf Talfahrt schicken als beabsichtigt. Offiziell peilt die Regierung für 2014 7,5 Prozent Plus an. Ungefähr soviel ist nötig, um die vielen jungen Chinesen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, mit Jobs versorgen zu können.

Streik für höhere Löhne

Die neue Politik sieht vor, dass die Arbeiter besser verdienen und mehr Geld ausgeben sollen. Nicht mehr die Exporte, sondern der Konsum soll die Wirtschaft tragen.

Schenkt man den offiziellen Zahlen Glauben, dann ist das zu Jahresbeginn gelungen: Die ländlichen Einkommen sollen um gut 10 Prozent, jene in den Städten um gut 7 Prozent gestiegen sein.

Die Arbeiter geben sich auch nicht mehr so einfach zufrieden. In Dongguan im Süden seien Zehntausende Arbeiter einer Schuhfabrik im Streik – sie fordern zugesagte Zahlungen für die Sozialversicherung, höhere Löhne und fixe Verträge, berichtet die US-Organisation China Labour Watch. Die Arbeitsniederlegung bei der Firma Yue Yuen – die nach Eigenangaben für Nike, Puma, Adidas und Reebok produziert – soll schon tagelang andauern.

Wer in China Geschäfte machen will, braucht einen guten Magen und muss trinkfest sein. Geschichten über exzessive Besäufnisse vor wichtigen Vertragsabschlüsse sind legendär. Doch seit im Vorjahr die Regierung die Anti-Korruptions-Bestimmungen massiv verschärft hat, ist Schluss mit lustig.

"Chinesische Geschäftspartner sind extrem vorsichtig geworden, bei Business-Banketten gibt es keinen Alkohol mehr", erzählt Oskar Andesner, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Peking. Aus Angst vor Anti-Korruptions-Jägern fänden Geschäftstreffen neuerdings auch an versteckten Orten – etwa in kleinen Häusern mitten im Wald – statt. Schon kleinste Aufmerksamkeiten bringen die Gastgeber in größte Verlegenheit. Das Geschenk-Verbot für Beamte als Gegenleistung für diverse Gefälligkeiten wie Baugenehmigungen wird streng kontrolliert und hart bestraft. Erst kürzlich wurde bekannt, dass gegen knapp 37.000 Manager und Funktionäre Ermittlungsverfahren wegen Korruption laufen. Dass darunter auch unliebsame Parteigenossen sind, die man loswerden will, liegt auf der Hand.

Die Hersteller edler Tropfen und wertvoller Uhren bekommen die neue Abstinenz bereits zu spüren. Die Umsätze der Anbieter von teurem Cognac, Scotch oder Wein gingen teils dramatisch zurück. Der in China stark vertretene französische Spirituosen-Hersteller Rémy Cointreau rechnet für das laufende Geschäftsjahr mit einem deutlich zweistelligen Ergebnis-Rückgang. Der Aktienkurs brach empfindlich ein. Die Exporte der französischen Bordeaux-Weine nach China gingen im Vorjahr um 18 Prozent zurück. China ist immerhin zweitgrößtes Abnehmerland. Auch Luxusgüter-Konzerne wie LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton oder Richemont leiden unter gedämpfter Nachfrage im Reich der Mitte. Angesichts der verordneten Genügsamkeit geraten westliche "Protz-Labels" wieder aus der Mode.

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