Carven mit Göttern und Musen

Carven mit Göttern und Musen
2013 brachte Gäste- und Einnahmenrekord – Tourismuschef wirbt um Österreichs Skifahrer

Skifahrer auf den Parnass, das klingt wie Eulen nach Athen: Griechenland buhlt um Wintersportler aus Österreich. Absurd? Nicht aus Sicht von Panos Livadas. Klar: Der Generalsekretär der Griechischen Tourismus-Organisation (GNTO) ist so etwas wie der oberste Werber für sein Urlaubsland. Aber Livadas nimmt sich im Gespräch mit dem KURIER viel Zeit, um zu erklären: Die Österreicher seien besonders treue Gäste. Und vielseitig interessiert. AUA fliege 21, Niki 19 Flughäfen an – darunter viele kleinere Inseln. "Warum sollten Österreichs Skifahrer das winterliche Griechenland nicht ebenfalls attraktiv finden?"

Skiregion Parnassos

Dass Griechenland an die 20 Skigebiete hat, ist wenig bekannt. Schnee ist vorhanden – wie in Österreich könnte es mehr sein, aber die Saison dauere noch bis Ende März.

Die beliebteste Skiregion liegt nur 150 Kilometer von Athen und ein Dutzend vom antiken Delphi entfernt und hat einen klingenden Namen: der "Musenberg" Parnassos. In der Antike war er die Heimat der Göttinnen der Künste. Heute bietet er Sportlern in 2300 Metern Höhe 23 Abfahrten mit 27 Kilometern Länge und 13 Liften. Auf Nachtschwärmer wartet eine lebhafte Szene im Skidorf Aráchova.

Griechenland strengt sich sehr an, um seine Fremdenverkehrssaison auszuweiten. Bisher kommen 70 Prozent der Gäste von Juni bis September. Livadas setzt deshalb neue Schwerpunkte: Religionstouren für orthodoxe Gläubige aus Russland. Behandlungspakete für Medizintouristen aus den Nachbarländern am Balkan. Originelle Veranstaltungsorte für Großkonferenzen.

Ausländische Geldgeber sind jetzt willkommen – das war nicht immer so. "Wir empfangen Investoren mit rotem Teppichen statt mit roten Absperrbändern", betont der Tourismus-Chef.

Wie ganz Griechenland hat der Fremdenverkehr turbulente Zeiten hinter sich. Mit Happy End: 2013 war ein Rekordjahr. Voraussichtlich 17,6 Millionen Gäste bedeuten ein Plus von 13 Prozent. 2014 verspricht sogar noch besser zu werden, bestätigen Reiseveranstalter. Dieser Erfolg wird dringend gebraucht. Pleitespekulationen und die Berichte über Demos und Streiks hatten 2012 viele Gäste abgeschreckt. Doch das ist abgehakt. Die EU-Präsidentschaft 2014 bringe zwar nicht massenhaft Gäste, aber positive Schlagzeilen.

Deutsche und Briten

Deutsche und Briten stellen mit je rund 2 Millionen Ankünften die größten Reisegruppen – die Spitzenposition variiert von Jahr zu Jahr. Bei den Österreichern gab es 2013 ein Plus von 26 Prozent, die Flughäfen verzeichneten 324.000 Passagiere. Livadas streicht die Loyalität der Österreicher besonders heraus. Dennoch: In der Statistik der Herkunftsländer sind diese nur auf Platz 20.

Für 2014 erwartet die griechische Wirtschaft nach sechs Jahren Rezession ein Miniplus von 0,6 Prozent. "Der Tourismus schafft 950.000 Jobs", sagt Livadas – bei 27,4 Prozent Arbeitslosigkeit das Allerwichtigste.

KURIER: Einige von Österreichs Skigebieten warten sehnsüchtig auf Schnee. Wie sieht das in Griechenland aus?

Panos Livadas: Wir haben Schnee. Vielleicht nicht so viel wie Österreich, aber die Saison läuft bis März. Wahrscheinlich wissen viele Österreicher gar nicht, dass wir wunderschöne Skigebiete haben - etwa Aráchova auf dem Berg Parnassos, ein sehr pittoreskes, lebendiges Dorf.

Wäre es nicht absurd, wenn ein Österreicher nach Griechenland zum Skifahren fliegt?

Warum? Die Österreicher zählen zu unseren treuesten Gästen, wofür wir sehr dankbar sind. Und sie kommen zu uns nicht nur nach Rhodos oder Kreta, sondern auch auf viele kleinere Inseln. Die AUA fliegt 21, Niki 19 griechische Flughäfen an. Das beweist großes Interesse. Warum sollten die Österreicher das winterliche Griechenland nicht genauso attraktiv finden - mit seiner Lebendigkeit, Kultur, Gastronomie und natürlich seinen Skigebieten?

Zahlenmäßig sind Österreichs Touristen unter ferner liefen – wir haben weniger als zwei Prozent Anteil bei den Ankünften, liegen damit gerade auf Platz 20 der Herkunftsländer.

Wir halten das Vertrauen der österreichischen Touristen für besonders wichtig, für viele unserer Reiseziele sind sie von großer Bedeutung. Im abgelaufenen Jahr gab es bei den Österreichern ein Plus von 26 Prozent, allein die Flughäfen haben 324.000 österreichische Passagiere verzeichnet. 2013 war insgesamt ein Rekordjahr und die griechische Wirtschaft hat diese Entwicklung gebraucht, aufgrund der Krise.

Woher kommen die Rekordzahlen 2013? Ist Griechenland so viel billiger geworden?

Die Preise waren und sind immer noch sehr gut. Gleichzeitig hat Griechenland bewiesen, dass es ein stabiles und sicheres Land bleibt, und dass die Übertreibungen, die in der Vergangenheit geäußert wurden, falsch waren. Ich glaube, dass auch eine Änderung in unserer Kommunikation ein Rolle gespielt hat: Wir werben mehr im Internet und in den Sozialen Medien – dort treffen nämlich die Urlauber ihre Reiseentscheidungen.

Kann der Tourismus das Land aus der Krise ziehen?

Durch den Tourismus sind 950.000 Arbeitsstellen entstanden. In einer Gesellschaft, die von der Krise sehr hart getroffen ist, ist das von großer Bedeutung. Demnächst wird die EU-Statistikbehörde bestätigen, dass Griechenland 2013 – ohne Zinsen – 800 Millionen Euro oder mehr Budgetüberschuss erzielt hat. 2014 sind sogar 2,6 Milliarden angepeilt. Der Tourismus leistet dazu einen Riesenbeitrag.

2012 war sehr schlecht. Hat die Auseinandersetzung über die Sparpakete so sehr geschadet?

Das Bild in internationalen Medien war nicht hilfreich. Eine Handvoll Randalierer hatte friedliche Demonstrationen missbraucht. Die Sicherheit in Athen war nie gefährdet, weil auf dem Platz der Verfassung zehn Minuten lang ein Feuer brannte. Diese Bilder gingen aber um die Welt - immer wieder. Das ist jetzt vorbei. Die Rekordzahlen 2013 beweisen die hohe Akzeptanz.

Nach Ausbruch der Krise kamen weniger deutsche Reisende. War das Klima vergiftet?

Nein. Wir hatten politische Differenzen, aber das darf man nicht mit den Empfindungen für die Menschen verwechseln. Wir haben die Deutschen immer geliebt und respektiert. Das wird jeder deutsche Gast bestätigen können. Inzwischen arbeiten wir übrigens mit der deutschen Regierung konstruktiv und aufrichtig zusammen.

Griechenlands Sommersaison sei sehr kurz, kritisieren Experten. Warum ist das so?

Die Saison läuft traditionell von März bis Oktober. Seit Jahrzehnten arbeiten wir auf die Verlängerung hin, das bedeutet aber eine Verantwortung: Wenn ein Veranstalter Reisen im Februar oder November anbietet, muss er sicher sein können, dass der Gast eine tolle Zeit hat und die Bars und Lokale offen sind. Dann kommt dieser wieder – wenn nicht, ist das Angebot gestorben. Das haben wir allen Regionen genau erklärt. Diesen Test müssen wir bestehen; die Chancen waren noch nie so gut.

Die OECD kritisiert, dass Investoren auf viele Hürden stoßen. Zu Recht?

Wir empfangen Investoren jetzt mit roten Teppichen statt mit roten Absperrbändern. Eine Gesetzesänderung von August 2013 beschleunigt die Abläufe. Wir sehen erste Erfolge: Kürzlich wurde das Bieterverfahren für den prachtvollen Hotelkomplex Astir Palace Vouliagmenis südlich von Athen beendet. Die Privatisierung wird 400 Millionen Euro einbringen –mehr als erwartet. Für das Hellenikon, das riesige Areal des früheren Athener Flughafens, werden Entwicklungsvorschläge geprüft, das Bieterverfahren geht in die Endphase. Die Linie ist: Künftig wird der Staat nicht mehr alles festlegen und schon gar nicht finanzieren. Deshalb brauchen wir Investoren.

Wo setzen Sie neue touristische Schwerpunkte?

Religionsreisen sind eine touristische Marke. Wir haben eine tausende Jahre alte Tradition, die für orthodoxe Menschen nördlich von uns oder in Russland eine große Rolle spielt. Für Kreuzfahrten soll Piräus der zentrale Hafen werden, da haben wir Hürden abgebaut. Private Spitäler und Hotels sprechen schon jetzt Medizintouristen aus den nördlichen Nachbarländern am Balkan an. Kürzlich haben wir den gesetzlichen Rahmen geschaffen, damit dieser Bereich auf eine sehr professionelle Weise funktioniert. Krankenhäuser, Hotels und Versicherungsunternehmen arbeiten dabei sehr gut zusammen. Und im Konferenztourismus haben wir neue erstklassige Angebote. An das Neue Museum der Akropolis, direkt unterhalb des Pantheons, werden sich Konferenzgäste ihr Leben lang erinnern.

Erwarten Sie einen Anschub durch die sechs Monate der EU-Ratspräsidentschaft?

Nein, aus touristischer Sicht fallen die Zahlen nicht ins Gewicht. Wesentlicher ist, dass wir häufiger in den Schlagzeilen sind – zusammen mit Meldungen über die positive Wirtschaftsentwicklung.

Könnte der nächste Besuch der Troika, die Prüfung durch die Geldgeber, Unsicherheit schüren?
Sogar heftige Kritiker räumen ein, dass Griechenland seine Zusagen erfüllt hat. Die Bevölkerung hat eine extrem harte Zeit durchgemacht und Vieles erduldet. Jetzt wäre es an der Zeit, dass besonders die Menschen, denen es am schlechtesten geht, von den Budgetüberschüssen etwas zurückerhalten. Es gibt Grenzen, was jemand ertragen kann. Wir haben sehr bald Europawahlen, da sollte man weder den Populisten noch den Extremisten Nährboden bieten -auch wenn einige Anführer der Extremisten wegen ihrer Taten schon im Gefängnis sitzen.

Sie meinen, wenn Europa noch mehr Druck ausübt, treibt man die Wähler der Linkspartei Syriza oder der rechtsextremen Golden Dawn zu?

Historisch war es so, dass von akuten Krisen Populisten und Extremisten profitiert haben. Wollen wir das? Das ist keine Bitte um einen Gefallen. Ein Buchhaltungskonzept ist nicht ausreichend. Man soll vielmehr anerkennen, dass Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt und man soll auch die großen politischen Dilemmas in Betracht ziehen.

Haben Sie die EU-Wahlen im Auge oder sehen Sie eine Gefahr für die Athener Regierung?

Nein, ich sehe keine Gefahr für die griechische Regierung. Die nächsten Parlamentswahlen finden 2016 statt. Ich beziehe mich auf die Gefahren, die im Allgemeinen in der Entwicklung des Populismus und des Extremismus stecken.

Zur Person:
Panos Livadas, geboren 1964 in Athen, ist seit 2012 Generalsekretär der Griechischen Tourismus-Organisation GNTO. Er hat in Athen, New York und Florida studiert, war ab 2004 Informationschef für mehrere griechische Ministerien und hat das Pressebüro für die Olympischen Spiele 2004 geleitet. Livadas ist verheiratet und hat drei Kinder.

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