Urlaub beim Doktor: Medizintourismus boomt

Reiche und sehr gesundheitsbewusste Menschen checken im Urlaub gern in einer Klinik ein. Andere reisen zu Ärzten, weil sie müssen. Der Markt ist milliardenschwer – in Österreich wird das Potenzial aber bisher nur wenig ausgeschöpft.

Russische Oligarchen und arabische Scheichs reisen um die halbe Welt, um sich bei den besten Ärzten der Welt unters Messer zu legen. Sie kaufen sich damit hohe medizinische Standards und einen gewissen Lifestyle. Es sind aber nicht nur die Superreichen, die sich eine Behandlung im Ausland leisten – auch die Mittelschicht packt die Koffer, wenn es in den Krankenhäusern ihres Heimatlandes keine adäquaten Behandlungen gibt. Oder Patienten dort viele Monate auf eine Operation warten müssten – Letzteres gilt unter anderem für die Niederlande und Großbritannien, wo die Mittel im Gesundheitssystem gekürzt wurden. Dazu kommen jene, die aus Kostengründen lieber zu ausländischen Ärzten pilgern – unter anderem Schweizer und Amerikaner. Für sie ist es im Ausland oft schlichtweg günstiger.

Unterm Strich geben Medizintouristen geschätzte 400 Milliarden US-Dollar im Jahr aus. Eine Studie des Kreditkartenanbieters Visa gemeinsam mit Oxford Economics prognostiziert Zuwachsraten von 25 Prozent – im Jahr.

Österreich in der Unterliga Österreich spielt trotz guter Ärzte und Infrastruktur aber nur in der Unterliga. "In Österreich werden geschätzte 7000 bis 10.000 ausländische Patienten im Jahr behandelt", sagt David Gabriel von der Plattform Austrian Health. Diese bietet ausländischen Patienten Hilfe an, wenn sie sich in Österreich behandeln lassen wollen. Die Palette reicht von der Suche nach geeigneten Ärzten, der Einholung von Kostenvoranschlägen und der Visa-Abwicklung bis hin zum Pick-up-Service vom Flughafen.

Das Interesse der Spitäler an dem Thema steigt, beobachtet Gabriel. Österreich hat aber auch Nachholbedarf. Offizielle Zahlen gibt es zwar nicht, aber nach seinen Schätzungen nehmen heimische Kliniken 120 Millionen Euro im Jahr mit Medizintouristen ein. Laut Gabriel sind damit keine 40 Prozent des Marktes abgeschöpft. Zum Vergleich: In Deutschland belaufen sich die Einnahmen durch Medizintouristen auf kolportierte 1,2 Milliarden Euro.

Spendable EntourageHinzu kommen nämlich auch die Ausgaben der Begleitpersonen. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat errechnet, dass deutsche Beherbergungstouristen jährlich rund elf Millionen Euro mit Medizintouristen einnehmen – Zusatzgeschäfte aus der Autovermietung oder von Reiseveranstaltern exklusive. Dazu kommen etwa die Shopping-Ausgaben, die das Institut mit bis zu 15 Millionen Euro beziffert hat.

In Österreich spielt sich der Medizintourismus im Bereich der 35 Privatspitäler ab. Im Wiener Rudolfinerhaus kommt zu Spitzenzeiten schon jeder fünfte Patient aus dem Ausland. Vor allem Araber, Russen, Rumänen und Bulgaren lassen sich schwerpunktmäßig von den Spezialisten der Abteilung Orthopädie, Urologie und Chirurgie behandeln. Hubert Pehamberger, ärztlicher Leiter des Hauses, will in zwei, drei Jahren den Anteil von Medizintouristen auf 33 Prozent steigern.

Wie viele Österreicher sich im Ausland behandeln lassen, ist übrigens nicht erfasst. Statistisch erfasst werden nur die Krankenversicherungsfälle. Zuletzt waren es 487.000 im Jahr, davon die Hälfte in Deutschland.

„Bei uns gehen Sie jeden Tag zum Arzt“

Urlaub beim Doktor: Medizintourismus boomt
honorarfrei Dieter Resch Vivamayr
Vivamayr-Geschäftsführer Dieter Resch über den modernen Medizintourismus und warum Gäste
aus aller Welt an den Altausseer See fahren – um dort zu hungern

In Maria Wörth in Kärnten betreibt Hannes Androsch seit zehn Jahren ein Gesundheitshotel, das auf Mayr-Medizin spezialisiert ist. Seit eineinhalb Jahren gibt es nun ein zweites Vivamayr – in Altaussee.

Von außen wirkt das neue Haus wuchtig. Genau genommen stehen vier Häuser nebeneinander, in der typischen Ausseer Holzbauweise, direkt am Ufer des Sees. Darin konzentriert sich alles auf die Gesundheit der Gäste. 60 großzügige Zimmer hat das Hotel, im ersten Stock befinden sich 1500 Quadratmeter Medizinzentrum. „Rein rechtlich eine Kuranstalt, ein Ambulatorium mit Krankenhausstatus“, erklärt Geschäftsführer Dieter Resch. Weshalb hier Medikamente, Infusionen und Injektionen verabreicht werden dürfen. Resch: „Hier können Sie nur wohnen, wenn Sie die Kur machen und jeden Tag zum Arzt gehen.“ Das ist das Konzept.

KURIER: Altaussee war einmal ein Kurort, aber es gab die Kur hier schon lange nicht mehr. Im Vivamayr hat man das nun wiederbelebt. Die Ausseer hat das aber nur bedingt gefreut, sagt man.
Dieter Resch: Aber doch, es hat sie mehrheitlich gefreut. Der damalige Bürgermeister war sehr weitsichtig, er hat unser Projekt von Anfang an unterstützt. Die Einwohner von Altaussee haben verstanden, dass der Ort das braucht. Wir hatten bei der Bauverhandlung nur einen einzigen Einspruch. Kritisch waren und sind zum Teil die Zweithausbesitzer, hauptsächlich die Wiener. Die wollen, dass der Ort bleibt, wie er immer war. Aber Altaussee muss überleben können.

Wie viel wurde hier investiert?
Etwa 33 Millionen Euro. Es gehört der Familie Androsch und es gibt eine Kooperation mit einer Bank, wie das immer so ist.

Woher kommen die Gäste?
Aus der ganzen Welt. Aus sehr attraktiven Gesellschaftsschichten, die sich teilweise schon Häuser und Wohnungen hier gekauft haben.

Man muss nicht Millionär sein, um hier Gast zu sein, aber es hilft. Wer ist Ihre Zielgruppe?
Leute, die sehr gesundheitsbewusst sind oder die ein gesundheitliches Problem haben. Menschen, die schon in frühen Jahren anfangen, bewusst zu leben. Wir wollen ein langfristiger Partner für die Gesundheit unserer Gäste sein. 60 Prozent kommen wieder. Wir haben sogar Gäste, die schon drei oder vier Mal da waren.

Wie steht es um die Auslastung?
Bei fast 60 Prozent – wir sind damit weit über Plan. Uns ist die Qualität sehr wichtig. Da kann man nur in sehr kleinen Schritten wachsen.
Sofort 100 Mitarbeiter und zwölf Ärzte auf einmal einstellen – das würde nicht funktionieren. Da hätten wir die Qualität nicht mehr im Griff.

Wie kriegen Sie die Gäste aus der ganzen Welt nach Altaussee?
Der Gesundheitstourismus ist ein stark wachsendes Segment. Wir sind weltweit am Markt aktiv. 70 Prozent unserer Gäste sind englischsprachig, die landen in Salzburg auf dem Flughafen und wir holen sie ab. Unsere Schwerpunktländer sind Großbritannien, Türkei, die arabischen Länder. Auch Russen, außer der Rubel hat einen Einbruch.

Sie machen also viel Marketing?
Eigentlich ist das Hauptverkaufskriterium die Mundpropaganda. Mehr als 80 Prozent kommen, weil sie von anderen von uns gehört haben.

Wofür ist dieses Haus bekannt?
In Altaussee ist es als Hungerburg bekannt. Bei den Gästen, weil wir ein neues Lebensgefühl vermitteln. Wir hatten eine türkische Familie hier, sechs Personen, alle zuckerkrank. Nach sechs Wochen waren drei nicht mehr krank und die Großmutter konnte hinausgehen, ohne Rollstuhl.

Was unterscheidet Ihr Gesundheitszentrum von anderen?
Wir machen nur die moderne Mayr-Medizin unter ärztlicher Anleitung. Wir haben eine starke, medizinische Abteilung: bei uns optimiert der Arzt jeden Tag die Therapie, passt sie täglich an. Wir verkaufen auch keine medizinischen Pakete, die Leistungen richten sich nach dem, was der Gast braucht.

Gesundheitstourismus ist ein Trend, warum?
Wir leben in einer hektischen Zeit und haben stressige Arbeitstage. Die Lebensmittel sind zudem oft denaturiert. Hinzu kommt das steigende Bewusstsein der Leute, dass Ernährung und der Lebensstil einen Einfluss auf das Wohlbefinden haben. Dass man dadurch viele Krankheiten verhindern kann.

Woher bekommen Sie Ihr medizinischen Personal? Überhaupt die Mitarbeiter?
Es ist ganz schwierig. Im nahen Bad Aussee gibt es so etwas wie einen Gesundheitscluster – mit Krankenhaus, PVA, einer psychosomatischen Klinik. Die binden das gesamte Personal. Man braucht einen guten Namen, dass die Mitarbeiter auf einen aufmerksam werden. Wir haben 70 Mitarbeiter, suchen derzeit aber nach Mayr-Ärzten.

Welche Stars waren schon hier?
Kate Moss, zwei Mal. Diverse andere Models. Wir haben zum Teil ein ziemlich junges Publikum um die 30.

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