Am Ende vom Weinviertel: Unsere kleine Farm

600 Rinder auf 320 Hektar freier Fläche...
Im nördlichen Weinviertel stehen 600 Rinder auf der Weide und haben ein gutes Leben. Warum? Weil Fred Zehetner und Daniela Wintereder ihre Rinderfarm so betreiben, wie es für Tier und Mensch am besten ist. Dafür gehen sie neue Wege.

Etwa 84 Kilometer nördlich von Wien hat man das Weinviertel schon fast zur Gänze durchfahren. Umgeben von Feldern und Wiesen liegt Wildendürnbach, ein 1500-Einwohner-Ort hart an der Grenze zu Tschechien. Hier gibt es von einem am meisten: Natur. Deshalb sind Fred Zehetner und Daniela Wintereder vor dreizehn Jahren aus Oberösterreich hierhergezogen und haben die BOA-Farm gegründet, sich ihren Lebenstraum erfüllt.

"Das Gebiet ist relativ trocken", beschreibt Fred das nördliche Weinviertel, "und es gibt viel freie Fläche, die man sich noch leisten konnte." 320 Hektar haben sie mittlerweile hier erworben. Das weite Land brauchen sie für ihre 600 Rinder der schottischen Rasse Aberdeen Angus und Galloway. Die Rinder stehen das ganze Jahr über auf der Weide und tun nichts – außer fressen und herumwandern. Und Fred ist stolz darauf, zu sagen, dass auch er für seine "Mitarbeiterinnen" – so nennt er seine Rinder – "nichts tut". Denn: "Diese Rinderrassen haben nie einen Pflug gezogen, sind auch nie im Stall gestanden. Sie sind langlebig und robust." Und so werden sie auf der BOA-Farm auch gehalten: in Herden, draußen, in Freiheit. Sie fressen im Sommer Gras, im Winter füttert Fred Luzerne, Silage und Heu zu. Getreide, Mais und Soja würde er seinen Kühnen nie geben – das sei "von der Natur nicht vorgesehen".

Ein Stück Natur"Wir wollen unseren Kindern zeigen, dass es auch anders geht", sagt Fred stolz. Die Buben, zwölf, neun und fünf Jahre alt, sind ins Hofleben eingebunden, haben jetzt schon ihr eigenes "Einkommen": der Älteste verkauft Brot, der Mittlere Gänse und der Jüngste hat sein Eiergeschäft. Und weil es tatsächlich auch anders geht, ist die BOA-Farm das krasse Gegenstück zur herkömmlichen Rinderzucht, die, so Freds Kritik "mit Höchstgeschwindigkeit gegen die Betonwand fährt". In Wildendürnbach werden die Rinder auf der Weide geboren, leben bei ihrer Mutter in der Herde. "Meine Mitarbeiterinnen wissen alleine, wie es geht", scherzt Fred. Und meint es wirklich so. Tatsächlich braucht er fast nie einen Tierarzt und auch sonst viele Dinge nicht, für die konventionelle Rinderbauern viel Geld ausgeben, etwa Stallungen oder teure Futtermittel.

"Geschlachtet wird bei uns nach etwa zweieinhalb Jahren, völlig stress- und adrenalinfrei auf dem eigenen Schlachthof", sagt Fred. Auch hier sind der gelernte Fleischhauer und die Rinderexpertin, die ihr Wissen aus Australien und Kanada haben, neue Wege gegangen. 650.000 Euro haben sie vor vier Jahren in einen Schlachthof nach EU-Norm investiert, weil sie nicht mehr wollten, dass ihre Tiere auf einem Lastwagen fortgebracht werden, nachdem sie ein Leben in der Natur verbracht hatten. Ein 176-Seiten-Katalog ist zu erfüllen, damit so ein Schlachthof in Betrieb genommen werden darf. Etwa vier Rinder in der Woche werden hier verarbeitet. Das heißt: rund 240 Rinder kommen und gehen jedes Jahr. Gut 40 Tage hat das Fleisch dann Zeit, um zu reifen. Fred und Daniela machen fast alles selbst, ein Mitarbeiter hilft in der Landwirtschaft, einer in der Metzgerei. Vom Filet-Steak bis zum Suppenfleisch, speziellen Zuschnitten, Innereien und Produkten wie Pastrami und Käsekrainer wird hier alles angeboten.

Breit aufgestellt Wirtschaftlich steht die BOA-Farm (BOA steht für Best of Austria) solide da. Fred erzählt die Geschichte eines Betriebsberaters, der einmal Einsicht in die Bücher genommen hätte. Und nach langem Studieren sagte: das ist ein hoch profitables Unternehmen. Zur Rinderzucht kommen noch rund 60 Schwäbisch-Hällische und Duroc-Schweine hinzu – Freiland, versteht sich. Einen Umsatz von rund 600.000 Euro ergebe das pro Jahr im Durchschnitt. Ein Viertel machen Fred und Daniela mit dem Ab-Hof-Verkauf, ein Viertel mit Lieferungen an die Fleischerei Radatz, die in ausgewählten Filialen BOA-Fleisch vertreibt. Ein weiteres Viertel wird durch den Verkauf von Zuchttieren ins Ausland generiert und ein Viertel mit Fleischlieferungen an Restaurants. Ein Mal pro Woche fährt Fred "auf Wien", um Fleisch an Franks, ins Coburg, ins Livingstone oder ins Falkensteiner Stüberl (Geheimtipp!) zu bringen. Wobei: Direkt bestellen kann man bei Fred nicht. Er fährt mit seinem Lieferauto vor, die Küchenchefs suchen aus, was sie haben wollen und setzen es auf die Karte.

Selbst abholen, was man gerne haben will: Bei den Ab-Hof-Verkäufen geht das jede zweite Woche. Da wird das Anwesen großzügig geöffnet, darf man ins große Wohnzimmer eintreten und überall auf der Farm reinschauen. Ein Kunde nach dem anderen bekommt dann Audienz in der Kühlkammer, wo die Fleischschätze fein abgepackt liegen. "Vor allem die Männer kriegen dann immer glänzende Augen", sagt Fred. Der Chef verkauft persönlich – auch mit glänzenden Augen.

Sandra baierl

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