Buhl: "Börsianer werden dämonisiert"
Für Michael Buhl, Vorstand der Wiener Börse, sind es schwierige Zeiten. Die Anleger bleiben fern und die Politik belastet das Geschäft mit Steuern. Im KURIER-Gespräch gibt er sich dennoch zuversichtlich.
KURIER: Wann wird an den Börsen Ruhe einkehren?
Michael Buhl: Bei schlechten Nachrichten bleiben die Märkte mittlerweile eher stabil. Wenn positive News kommen, wie etwa nach dem letzten EU-Gipfel, springt der Markt an. Es liegt sehr viel Geld in sicheren Häfen und wartet darauf, veranlagt zu werden, weil die Renditen niedrig sind.
Und die Wiener Börse?
Die Wiener Börse selbst hat zwar um 33 Prozent niedrigere Umsätze als im Vorjahr, wird aber als Finanzplatz geschätzt. Laut einem Index des Global Financial Centres (misst die Wettbewerbsfähigkeit von 75 Finanzplätzen weltweit, Anm.) sind wir im Vorjahr von Platz 42 auf 34 aufgestiegen. Wir werden positiv gesehen, weil Wien ein regulierter Finanzplatz mit Top-Unternehmen ist. Aber auch die Wirtschaft steht im Fahrwasser von Deutschland gut da. Da kann die Regierung gar nicht so viel falsch machen. Auch ihr Reformunwille konnte das nicht bremsen.
Bei Privatisierungen geht ebenfalls nichts weiter.
In dieser Regierungskonstellation wird das schwierig werden. Ich sehe allerdings mit großer Freude, dass das Thema von der ÖVP stärker aufgegriffen wird. Vielleicht liegt das auch an unerfreulichen Anlässen wie bei der Telekom. Wäre das ein voll privatisiertes Unternehmen, wäre das nicht passiert. Wenn der Staat bei allen bereits an der Börse gelisteten Unternehmen auf 25 Prozent plus eine Aktie geht, würde das vier bis fünf Milliarden Euro bringen. Das wäre ein schneller Gewinn in ein paar Monaten. Es würde auch zweifelsohne der Wiener Börse helfen, weil es ein Bekenntnis zum Kapitalmarkt wäre.
Wie kann man in diesen Zeiten Privatanleger an die Börse holen?
Es muss zur Normalität werden, dass man in Österreich in Aktien investiert. Dazu gehört das Verständnis der Politik für den Kapitalmarkt als Motor für die Gesamtwirtschaft. Seit eineinhalb Jahren werden Börsianer eher Richtung Spekulanten dämonisiert, die man mit Steuern belasten muss. Meine neue Vorstandskollegin Birgit Kuras war zur Aufklärung dieses Mythos bei sämtlichen verantwortlichen Politikern und ist auch auf Verständnis gestoßen. Aber auch bei der Bevölkerung gilt es das Bewusstsein zu schaffen. Das beginnt in der Schule und endet bei Wertpapierverkäufern.
Wie sieht es mit Börsengängen in Wien aus?
In Europa wurde fast alles abgesagt, was sehr viel mit dem Facebook-Börsegang zusammenhängt. In Wien sehe ich das zweite Halbjahr grundsätzlich positiv unter der Voraussetzung, dass wir das große Thema Sanierung der Staatshaushalte über die Bühne bringen. Wenn das Umfeld wieder passt, werden sie kommen.
Sind Kapitalerhöhungen und Unternehmensanleihen in der Zwischenzeit eine Alternative?
Vergangenes Jahr gab es ein Volumen von 900 Millionen an Kapitalerhöhungen und 3,2 Milliarden an Anleihen. Ich denke, wir können bei beidem das Niveau des Vorjahres erreichen, bei der Anzahl sogar mehr. Es gibt durchaus Interesse von Privatanlegern, weil man bei Anleihen mehr bekommt als am Sparbuch. Natürlich sind die Risiken größer.
Könnten Sie mit einer europäischen Finanztransaktionssteuer leben?
Eine solche Steuer wäre völlig aberwitzig und verrückt. Weil sie die Wirtschaft belasten und zu Verzerrungen führen würde. Wenn, dann müsste sie weltweit eingeführt werden und alle Produkte betreffen. Der außerbörsliche, unkontrollierte Handel, der bereits 45 Prozent des Handels umfasst, ist nach dem jetzigen Modell aber ausgenommen. Ich bin der Meinung, dass nur dieser von der Steuer betroffen sein sollte. Der ist natürlich schwieriger zu erfassen und die starke Bankenlobby will das nicht. Aber es ist Aufgabe der Politik, dieses Problem zu lösen.
Die Wiener Börse will bei der Privatisierung der Börse Sofia mitmischen. Wie ist der Stand der Dinge?
Das Thema wird von der Regierung in Sofia jetzt ernsthaft angegangen und soll bis Ende des Jahres über die Bühne gehen. Wir sind nur an einer Mehrheit interessiert und es muss sehr günstig sein, weil der Markt darniederliegt und wir auch etwas investieren müssen.
Das Ergebnis der Wiener Börse hat sich wegen der Osttöchter ziemlich verschlechtert. Was ist der Grund?
Wir mussten in Slowenien und Ungarn zwölf Millionen Euro abschreiben. Das hängt stark mit dem schwachen Forint zusammen und auch mit der politischen Unsicherheit im Land, die den Umsatz um ein Viertel hat einbrechen lassen. Heuer sollte das Ergebnis auf jeden Fall besser als im Vorjahr ausfallen.
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