Budget: Deutschland mit Milliarden-Überschuss

Im ersten Halbjahr hat Deutschland 8,3 Mrd. Euro mehr eingenommen, als ausgegeben. Hauptgrund: Überschüsse bei den Sozialversicherungen.

Inmitten der europäischen Schuldenkrise hat der deutsche Staat einen Milliarden-Überschuss erzielt. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung nahmen im ersten Halbjahr wegen der guten Konjunktur 8,3 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Das Plus entspricht 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. 2011 gab es noch ein Staatsdefizit von 1,0 Prozent. Das deutsche Finanzministerium sagt für 2012 bisher ein Staatsdefizit von rund 0,5 Prozent voraus. Einen Überschuss im Gesamtjahr gab es zuletzt 2007.

Ausschlaggebend für die positive Entwicklung war der Gewinn der Sozialversicherung von 11,6 Milliarden Euro, der vor allem der Rekordbeschäftigung zu verdanken ist. Der Bund erzielte trotz steigender Steuereinnahmen und sinkender Zinskosten ein Defizit von 6,9 Milliarden Euro, die Länder von 0,8 Milliarden Euro. Die Gemeinden kamen auf einen Überschuss von 4,4 Milliarden Euro.

Ausgeglichener Haushalt möglich

Ökonomen halten es für möglich, dass der Staat im Gesamtjahr ohne neue Schulden auskommen kann. "Wenn nicht alles zusammenkracht, könnte es in diesem Jahr zu einem ausgeglichenen Haushalt oder sogar einem Überschuss reichen", sagte UniCredit-Experte Alexander Koch. "Das ist aber weniger einer konsequenten Konsolidierungspolitik als der Konjunkturdividende zuzuschreiben, allen voran der guten Arbeitsmarktentwicklung", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. "Letztlich ist es aber enttäuschend, dass nach Jahren mit Wachstumsraten zwischen drei und vier Prozent erst jetzt ein positiver Saldo erreicht wird."

Die Deutsche Bundesbank hat erst in dieser Woche vor Selbstzufriedenheit gewarnt. "Das Vertrauen in die deutschen Staatsfinanzen bildet einen wichtigen Stabilisierungsfaktor in der gegenwärtigen Krise, es ist aber nicht unerschütterlich", mahnt sie in ihrem Monatsbericht. Trotz günstiger Rahmenbedingungen seien die Haushalte vieler Länder und Kommunen "teilweise stark" defizitär. "Dies wird von hohen, jedoch nur temporären Überschüssen der Sozialversicherungen partiell überdeckt." Schon wegen der absehbaren demografiebedingten Haushaltsbelastungen sei es notwendig, "günstige Konsolidierungsbedingungen konsequent zu nutzen und den noch notwendigen Defizitabbau nicht zu verschieben".

Europas Konjunkturlokomotive Deutschland wird ihr Tempo nach Überzeugung des Ökonomen Norbert Irsch im zweiten Halbjahr merklich drosseln. Denn die Rezession in den europäischen Krisenländern werde zunehmend auch in Deutschland spürbar. "Die Konjunktur wird schlechter in Deutschland, es breitet sich Investitionsunsicherheit aus", sagte der Chefvolkswirt der staatseigenen Bankengruppe KfW.

Schuldenkrise und trübere Exportaussichten drückten zunehmend auf die Stimmung und die Investitionsbereitschaft der Unternehmer, sagte Irsch: "Die Unsicherheit hat sehr stark zugenommen, weil noch keine klare Lösungsperspektive erkennbar ist, die für die Mehrheit der Unternehmer und der Investoren am Finanzmarkt überzeugend ist." Daher sei im zweiten Halbjahr nur noch mit Quartalszuwächsen von maximal 0,2 Prozent zu rechnen.

Die Rezession in der Eurozone habe sich geradezu lehrbuchmäßig ausgebreitet und verstärkt, weil die notwendige Konsolidierung in vielen Ländern nicht ausreichend von Wachstumsimpulsen flankiert worden sei, betonte Irsch: "Selbst Frankreich schrammt nur knapp an einer Rezession vorbei. Das schlägt auf Deutschland durch."

Hoffnung setzt Irsch in der zweiten Jahreshälfte vor allem auf die robuste Binnennachfrage: "Das gilt für den privaten Konsum und den privaten Wohnungsbau, jedoch nicht für Ausrüstungsinvestitionen." Die KfW sei ziemlich sicher, dass das Gesamtjahr nach Herausrechnen des Kalendereinflusses mit einer 1 vor dem Komma beendet werde.

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