Brisant: Kartellverdacht im Abgasskandal

Symbolbild DIESEL
In den Gerichtsverfahren gegen die Autokonzerne VW, BMW und Mercedes wegen angeblicher illegaler Abgas-Abschalteinrichtungen kommt es zu fragwürdigen Vorgängen. So auch im Fall vom Herbert H. (Name geändert), der von Anwalt Michael Poduschka vertreten wird. Er kaufte 2018 einen VW Passat Kombi um 16.200 Euro bei einem Kfz-Händler, der Motor EA288 soll aber mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sein. Er begehrte Schadenersatz in Höhe von 4.860 Euro. Er hatte in zwei Gerichtsinstanzen kein Glück, aber im Revisionsverfahren stellte der Oberste Gerichtshof (OGH) drei Fragen zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Denn: Es gilt zum Beispiel die Frage zu klären, ob es zulässig ist, dass vor dem Abgastest am Fahrzeug der Dieselpartikel-Filter zur Gänze geleert wird und somit als sauber gilt, oder ob es sich dabei um eine illegale Abschalteinrichtung handelt.
Richtungsweisend für ähnliche Fälle
Eine Vorabentscheidung des EuGH ist richtungsweisend für ähnliche Fälle und würde generell für Rechtssicherheit sorgen. Wie aber aus einem VW-Urteil des OGH vorgestern, Dienstag, hervorgeht, musste das Höchstgericht die drei Fragen an den EuGH zurückziehen, weil VW plötzlich den Schaden anerkannte, Schadenersatz und Verfahrenskosten bezahlte.
Was für diesen Einzelfall ein Erfolg ist, ist für Dutzende gleichgelagerte Verfahren ein Schlappe. Sie waren wegen des OGH-Ersuchens an den EuGH unterbrochen worden und müssen nun fortgesetzt werden. Das kostete viel Zeit. Doch der Vorgang hat anscheinend Methode.
Bereits im April 2025 teilte der Salzburger Anwalt von VW dem Gegner Michael Poduschka mit: „Meine Mandantschaft strebt derzeit keine vollständige Erledigung aller gerichtsanhängigen EA-288-Verfahren an. Meine Mandantschaft wird in den streitgegenständlichen Verfahren, in denen derzeit ein Vorabentscheidungsersuchen gestellt wurde, vielmehr eine Schadlosstellung vornehmen.“
Verdacht auf Absprachen
„Was mich persönlich stört ist, dass die Automobilhersteller immer wieder das gleiche Verhalten an den Tag legen: Zuerst hunderte Gerichtsverfahren in Österreich unterbrechen lassen, um angeblich auf eine Entscheidung des europäischen Gerichtshof zu warten, deren Erlassung sie dann selbst verhindern“, sagt Anwalt Poduschka zum KURIER. "Ich habe das Gefühl, die Auto-Hersteller wollen die Aufarbeitung des Abgasskandals unbedingt noch um weitere zehn Jahre verschleppen." Er hegt den Verdacht, dass sich die drei Autobauer bei der rechtlichen Vorgangsweise abgesprochen haben. Daher hat er sie wegen Kartellverdachts bei der EU-Kommission angezeigt.
Die weiteren Vorwürfe
„Während in früheren Massencausen sowohl Schädiger als auch die geschädigten Verbraucher nach Einleitung der Gerichtsverfahren an einer möglichst raschen Klärung der Rechtsfragen durch Höchstgerichte interessiert waren, hat sich dies bei der Massencausa „Abgasskandal“ drastisch verändert: Die deutschen Fahrzeughersteller, konkret die Volkswagen AG, die Mercedes-Benz Group AG und die BMW Bayerische Motorenwerke AG versuchen in der Europäischen Union, die Klärung von Rechtsfragen durch den europäischen Gerichtshof zu verhindern“, heißt es in der Beschwerde an die EU-Kommission. „Die Volkswagen AG, Mercedes-Benz Group AG und die BMW Bayerische Motorenwerke AG verhindern in abgestimmter Weise durch Vergleiche und Zahlungen richtungsweisende Urteile des EuGH im Zusammenhang mit dem Abgasskandal. Dies mit dem Zweck, in mehreren Millionen Fällen Schadensersatzansprüche zu verschleppen und zu erschweren.“
Im Jänner 2025 soll laut Poduschka in zeitlicher Nähe auch ein koordinierter Strategiewechsel der anderen beteiligten Fahrzeughersteller BMW und Mercedes sein.“ Nicht nur Volkswagen beendete mittels einzelner Zahlungen nun die Verfahren vor dem EuGH, um Urteile zu verhindern. Auch die Fahrzeughersteller BMW und Mercedes gehen plötzlich nicht mehr von der Bestandskraft ihrer Argumente vor dem EuGH aus, sondern erreichen in den einzelnen Verfahren mittels hoher Kompensationszahlungen, dass einzelne geschädigte Verbraucher klaglos gestellt werden“, heißt es weiters. „Mit dieser Beschwerde wird primär das Ziel verfolgt, dass die Europäische Kommission eine förmliche Untersuchung einleitet. Diese Untersuchung soll insbesondere der Frage nachgehen, ob zwischen den beteiligten Automobilherstellern eine Abstimmung bezüglich der Beendigung von Gerichtsverfahren erfolgte, die zu Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) geführt haben oder hätten führen können.“
Das sagen die Autokonzerne
VW ersucht um Verständnis, „dass wir uns im Zusammenhang mit der genannten Beschwerde nicht äußern wollen“.
„Diese Beschwerde ist uns bislang nicht bekannt. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir diesen Sachverhalt deshalb nicht weiter kommentieren“, teilte BMW mit.
„Die Beschwerde wegen Kartellverdachts liegt uns nicht vor“, heißt es auch von Mercedes. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns deshalb nicht dazu äußern können. Seitens des EuGH liegen bereits mehrere Urteile in Dieselverfahren vor. Dazu gehört auch ein Urteil vom 21. März 2023, bei dem wir Prozesspartei waren. Andere EuGH-Urteile betreffen Wettbewerber. Wie ebenfalls öffentlich bekannt, wird es zeitnah eine weitere Entscheidung des EuGH geben. Wir halten die in den Diesel-Verfahren gegen uns geltend gemachten Ansprüche weiterhin für unbegründet und werden uns weiter dagegen verteidigen.“
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