Dieselskandal: Vier Verurteilte, vier Bauernopfer?

In Braunschweig ist am Montag nach vier Jahren und 174 Verhandlungstagen ein Strafprozess rund um den Abgasskandal bei Fahrzeugen des VW-Konzerns mit einem Urteil zu Ende gegangen. Vier frühere VW-Manager bzw. -Ingenieure sind schuldig gesprochen worden.
Ein ehemaliger Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung wurde zu viereinhalb Jahre Haft verurteilt. Zwei Jahre und sieben Monate Freiheitsstrafe erhielt der frühere Leiter der Antriebselektronik. Der ranghöchste Angeklagte, ein früherer Entwicklungsvorstand der Marke VW, erhielt ein Jahr und drei Monate Haft auf Bewährung. Ein ehemaliger Abteilungsleiter wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.
Für den bekannten deutschen Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer sind das alles „Bauernopfer“. „Wenn ich einen Konzernchef habe wie Martin Winterkorn, der jede Schraube in jedem Auto kennt, wie realistisch ist es, dass der gerade vom größten Betrug keine Ahnung hat?“, sagt Dudenhöffer zum KURIER. „Deshalb finde ich das Urteil ernüchternd. Man hätte die Vorstände auf die Anklagebank setzen müssen und nicht einzelne Ingenieure, die da herumgebastelt haben. Das waren Erfüllungsgehilfen, die irgendetwas ausführen mussten.“ Nachsatz: „Der Dieselgate ist von ganz oben gekommen und nicht von irgendwelchen bösen Mitarbeitern.“ Dudenhöffer erinnert auch daran, wie autoritär VW zur Zeit von Winterkorn geführt wurde.
Gegenseitige Vorwürfe
Bereits im Mai 2018 hatte die US-Justiz bekannt gemacht, dass sie im März Anklage gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn wegen der Verschwörung zum Betrug erhoben habe. Später hat sie gegen ihn sogar Haftbefehl erlassen. Die US-Ermittler gehen davon aus, dass Winterkorn im Mai 2014 und Juli 2015 über die Manipulationen informiert wurde. Er habe mit anderen Führungskräften entschieden, die Praxis fortzusetzen.
Gesundheitliche GründeIndes bestreitet Winterkorn jede Schuld, er will von den Abgasmanipulationen nichts gewusst haben.
In den USA wurden zwei VW-Mitarbeiter bereits 2018 zu langjährigen Haftstrafen und hohen Geldstrafen verurteilt. Insgesamt wurden bisher US-Strafanzeigen gegen neun ehemalige oder aktuelle Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt.
Aussage gegen Aussage
Der Strafprozess in Braunschweig ist ohne Winterkorn über die Bühne gegangen, denn sein Verfahren wurde aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt. Die Frage, wer was wann wusste, wurde im Verfahren nicht geklärt. Es blieb Aussage gegen Aussage. Die vier angeklagten Ex-VW-Ingenieure haben ihren damaligen obersten Chef Winterkorn und sich gegenseitig belastet. Jene Ingenieure, die an der Abschalteinrichtung gebastelt haben, wollen Bedenken geäußert und vor Konsequenzen gewarnt haben. Die Führungsetage will über Probleme, aber nie über illegale Machenschaften gesprochen haben.
„Die Verantwortung für den Dieselskandal bei Volkswagen tragen nach Überzeugung des Landgerichts Braunschweig nicht nur die vier verurteilten früheren Führungskräfte. Die betroffenen Motoren sind von einer Vielzahl von Personen entwickelt worden“, sagte der vorsitzende Richter Christian Schütz.
Problematische Zeugen
Nach Überzeugung der Wirtschaftsstrafkammer gibt es weitere Involvierte mit Schlüsselrollen, die teils gar nicht angeklagt seien. Direkt zu Beginn seiner Urteilsbegründung machte der Richter klar, dass er mit einigen Zeugenaussagen während des Prozesses überhaupt nicht einverstanden war. Zeugen hätten „vorsätzlich unzutreffende oder ungenaue Angaben gemacht, da sie teilweise selbst Beteiligte seien“.
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