Bratislava: Vom eigenen Aufschwung überrollt

Bratislava: Vom eigenen Aufschwung überrollt
Die slowakische Hauptstadt ist heute wohlhabender als Wien. Ihre Probleme aber wachsen mit dem Erfolg.

140 Geschäfte, Hotels, Wellness-Tempel, 20.000 Quadratmeter Fläche für Büros der Luxusklasse: Das in der Vorwoche in Bratislava eröffnete Einkaufszentrum "Central" setzt konsequent auf Superlative. Nicht ohne Grund, muss man sich doch gegen jede Menge Konkurrenz durchsetzen. Ob sie nun Eurovea, Aupark oder Avion heißen, die slowakische Hauptstadt ist längst umzingelt von eleganten Shopping-Meilen unter viel Beton und Glas. Schnäppchenjäger aus Österreich wird man hier nicht mehr finden, inzwischen ist das Preisniveau in Bratislava über dem österreichischen.

Bratislava: Vom eigenen Aufschwung überrollt

Und so stauen sich Wochenende für Wochenende Hunderte slowakische Familien über die österreichische Grenze. Ob es nun nach Bruck an der Leitha zum Tanken und Einkaufen geht, oder gleich zu Boss und Ralph Lauren in das Outlet-Center von Parndorf. Überall sind die Slowaken inzwischen nicht nur die dominierende, sondern auch gern gesehene Kundschaft.

"Die Preise bei uns sind einfach zu hoch", meint ein eifriger Parndorf-Shopper, "vor allem für Mode und Luxusartikel." Luxusartikel sind in Bratislava inzwischen auch moderne Wohnungen. In den Immobilienprojekten, die überall in der Stadt in den letzten Jahren hochgezogen wurden, sind die Preise fast auf Wiener Niveau angelangt – und das können sich immer weniger Slowaken leisten. Ob Nobelwohnungen oder elegante Büros, viele Gebäude in der Stadt stehen halb leer. Ein Problem, vor allem für die Immobiliengesellschaften, die zu hoch gepokert haben und jetzt durch die Krise einen Umsatzeinbruch erleiden.

Wohnung mit Extra

So können die ohnehin rar gewordenen Interessenten für Oberklasse-Wohnungen nicht nur mit Preisreduktionen rechnen, sondern auch mit Zusatzleistungen. Wohnungen werden etwa inzwischen mit möbliertem Kinderzimmer oder Küchen vergeben.

Denen, die sich trotz solcher Lockangebote das Wohnen im neuen Bratislava nicht leisten können, bleiben nur die immerhin hübsch herausgeputzten Plattenbauten des Arbeiterbezirks Petrzalka auf der anderen Seite der Donau. Und natürlich der Ärger über die offensichtliche Korruption, die viele der Immobilienprojekte erst möglich gemacht hat. Auf Stadtplanung, ja nicht einmal auf die vorgeschriebenen Bauhöhen, nimmt in der Stadt keiner der Bauherren Rücksicht.

Bratislava: Vom eigenen Aufschwung überrollt

Viele Slowaken, die im Raum Bratislava arbeiten, zieht es gleich über die Grenze nach Österreich. In grenznahen Orten wie Kittsee sind slowakische Bewohner seit Jahren Alltag. Inzwischen gibt es für sie hier sogar die passende Infrastruktur, wie etwa zweisprachige Kindergärten.

Der Weg in die Arbeit, also in eine der großen Auto- oder Elektronikwerke, die sich rund um die Hauptstadt angesiedelt haben, wird in jedem Fall mühsam. Denn die Verkehrsinfrastruktur der Stadt hat in den vergangenen Jahren mit dem Boom einfach nicht Schritt gehalten. Bratislava wird täglich von 150.000 Pendlern überrollt. Die allermeisten sind mit dem Auto unterwegs, und stauen sich auf oft völlig überlasteten Autobahnen quer durch die Stadt. Bürgermeister Milan Ftacnik kann sich mit seinem bescheidenen Budget für Infrastruktur nur relativ kleine Sprünge leisten. Die dringend nötige Stadtumfahrung kommt nur Stück für Stück – und das sehr langsam. Ein bisschen neidvoll schaut der parteilose Sozialist da über die Grenze nach Wien. Von Österreichs Hauptstadt, gibt er zu, "können wir noch viel lernen".

VERANSTALTUNGSTIPP
Bratislavas Bürgermeister Milan Ftacnik ist Gast bei der Diskussionsreihe "city talk" von KURIER und IWM. Mi, 24. Oktober, 18 Uhr, 9., Spittelauer Lände 3

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