London has fallen: Die Wirtschaft von Großbritannien stürzt ab
Als Parteichef der britischen Torys ist Boris Johnson Geschichte. Als Premier wird er es auch bald sein.
Und er hinterlässt einen Trümmerhaufen. Politisch. Und wirtschaftlich.
„Der globale wirtschaftliche Ausblick hat sich spürbar verschlechtert“, sagte Notenbankchef Andrew Bailey bei der Vorlage des halbjährlichen Berichts zur Finanzstabilität erst am Dienstag.
Das war aber nicht alles, was Bailey zu berichten hatte. Großbritannien werde vom Abschwung der Weltwirtschaft stärker und länger betroffen sein als andere führende Industrie-Nationen, lautete seine zentrale Botschaft.
Stärkster Einbruch seit 50 Jahren
Und tatsächlich: Die britische Wirtschaft erlebt gerade einen der stärksten Konjunktureinbrüche der vergangenen 50 Jahre.
Das sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Das Wirtschaftswachstum wird laut OECD im kommenden Jahr zum Stillstand kommen. Die Inflationsrate wird aber explodieren. Sie wird die zehn Prozent überschreiten.
Laut der Bank of England auf mehr als elf Prozent. Null Wachstum und Mega-Inflation: das nennt man Stagflation.
Von den sieben großen Industrienationen steht Großbritannien damit wirtschaftlich am schlechtesten da.
Steuereinnahmen sinken
Das hat nicht nur, aber auch, mit dem Brexit zu tun. Und mit Boris Johnson. Denn der war bekanntlich Brexit-Boris.
Der Handel von Großbritannien mit dem europäischen Binnenmarkt geht kontinuierlich zurück. Die Denkfabrik Office for Budget Responsibility hat nachgerechnet. Demnach wird die Produktivität in der britischen Wirtschaft weiter zurückgehen. Und das Bruttoinlandsprodukt wird unterm Strich um vier Prozent zurückgehen - nur wegen des Brexits.
Mehr noch: Großbritannien wird durch den Brexit pro Jahr um umgerechnet 120 Milliarden Euro ärmer. Zudem entgehen den Briten durch den Brexit im Jahr Steuereinnahmen von rund 45 Milliarden Euro.
Aktuelle Lage
Und wie sieht es aktuell aus? Das Bruttoinlandsprodukt ging im April - laut Daten von Mitte Juni - um 0,3 Prozent zum Vormonat zurück. Sowohl Dienstleister als auch Industrie und Baubranche schrumpften.
Die Briten spüren den Druck der Inflation voll. Im Mai lag die Inflation bei 9,1 Prozent - ein 40-Jahres-Hoch.
Das Pfund notiert gegenüber dem Dollar auf dem niedrigsten Niveau seit fast zwei Jahren. Das heizt die Inflation zusätzlich an, weil Importe von in Dollar abgerechneten Gütern wie beispielsweise Öl dadurch teurer werden.
Wie in den 1970ern
Boris Johnson hatte keinen Plan, um das Land aus der schwersten Wirtschaftskrise seit einem halben Jahrhundert zu führen, die er als Brexit-Politiker zum Teil selbst mitverursacht hat. Das Land erinnert heute an die 1970er-Jahre als Großbritannien als „kranker Mann Europas“ galt. Eine Anspielung auf das Osmanische Reich kurz vor seinem Untergang.
Der Kern der britischen Misere ist seine geringe Produktivität. Das Land ist ein toller Finanzplatz. London ist zudem das Mekka für Start-ups in Europa, die Tech-Szene boomt. Aber allein nur davon kann man nicht leben.
Industrie und Gewerbe sind die harte Währung einer Volkswirtschaft. Aber die britische Industrie ging seit den 1970er-Jahren kontinuierlich den Bach runter.
Vergleich zu Österreich
Großbritannien hat es seither nicht geschafft, seine Wirtschaft neu zu organisieren. Deshalb hat man kein nennenswertes verarbeitendes Gewerbe. Hier lohnt sich ein Vergleich zu Österreich. Auch hier krachte in den 1980ern die Industrie.
Aber sie wurde durch Privatisierung und Modernisierung neu belebt. Ein Vorzeigebeispiel ist die Voestalpine. Eine starke Industrie schafft eine starke Zulieferindustrie und sorgt für eine gute Exportquote.
Großbritannien hat diese Wende nicht geschafft.
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