Die Hoffnungen waren im Frühjahr 2020 groß, dass die Pharmaindustrie bald einen wirksamen Impfstoff gegen das Covid-Virus findet. Und diese Hoffnungen wurden schon einige Monate später auch erfüllt. Doch Anleger, die glaubten, die dahinter stehenden Konzerne sowie der gesamte Sektor werden davon massiv profitieren, haben sich teils getäuscht. US-Gesundheitswerte zogen im Vorjahr im Durchschnitt um immerhin 10 Prozent an, in Europa fielen sie jedoch um 3,3 Prozent zurück.
„Covid spielt in der Schoellerbank bei Investments in diese Branche keine übergeordnete Rolle“, erklärt Bernhard Spittaler, Fondsmanager bei der Schoellerbank. Weniger als fünf Prozent des Fondsvermögens in dem Segment habe sich im Vorjahr darauf bezogen. „Mittelfristig wird uns Covid – hoffentlich – nicht in dem Ausmaß beschäftigen.“ Interessanter seien andere Bereiche, etwa die Onkologie.
In keinem anderen Sektor würden sich die Kurse der einzelnen Werte so extrem unterschiedlich entwickeln. Dies habe mehrere Gründe, sagt Spittaler. Die Entwicklung neuer Medikamente verursache hohe Kosten und die Margen würden – sobald Generika auf den Markt kommen – generell sinken. Viel hänge davon ab, ob es überhaupt zu einer Zulassung kommt. „9 von 10 entwickelten Medikamenten kommen gar nicht auf den Markt.“
Aktuelles Beispiel sind ausgerechnet die geplanten Covid-Impfstoffe vom US-Konzern Merck & Co. Die beiden Vakzine würden eine unzureichende Immunreaktion erzeugen, teilte der Konzern am Montag mit. Daher werde das Programm gestoppt. Das Unternehmen war erst spät ins Rennen um einen Corona-Impfstoff eingestiegen. Dafür hatte es im Mai die Übernahme des österreichischen Impfstoffherstellers Themis Bioscience angekündigt. Die Aktie verlor dennoch nur leicht.
Biotech
Harald Kober, Fondsmanager des Sparinvest Stock Biotec, sieht im Sektor bei Biotech-Werten mehr Chancen als bei klassischen Pharmaaktien – generell und in Bezug auf Corona im speziellen. „Bei Pfizer macht Corona einen einstelligen Prozentbereich vom Umsatz aus.“
Bei Astra Zeneca sei Covid wirtschaftlich überhaupt völlig irrelevant, weil es zum Selbstkostenpreis verkauft werde. Dies sei Taktik, um das Ansehen des Unternehmens zu erhöhen, was bei künftigen Aufträgen gut ankommen soll. Und auch, um bei regulierungstechnischen Aspekten in Zukunft etwas Positives vorweisen zu können, mutmaßt der Experte.
Dies alles schlage sich auch in der Kursentwicklung nieder. Während Pfizer seit einem Jahr gerechnet leicht unter Wasser liegt und Astra Zeneca de facto unverändert blieb, konnte Pfizer-Partner Biontech um 227 Prozent zulegen.
Noch mehr, nämlich 537 Prozent, sind es beim Hersteller Moderna, der ebenfalls schon eine Covid-Impfung auf dem Markt hat. Sogar unglaubliche 1411 Prozent sind es beim US-Unternehmen Novavax, das ebenfalls an einem Impfstoff arbeitet. Das wäre überhaupt das erste für den Markt zugelassene Produkt aus diesem Haus.
Norbert Janisch, Fondsmanager des Raiffeisen-HealthCare-Aktienfonds, weist darauf hin, dass die Marktreife der Vakzine von Biontech sowie Moderna einen sehr positiven Einfluss auf den Sektor gehabt habe. Sehr viel Geld sei von privaten Investoren gekommen.
Über den gesamten Gesundheitssektor betrachtet hätte man aber sicherlich mehr erwarten können. „Etliche etablierte Werte haben enttäuscht.“ Nicht nur klassische Pharmafirmen, sondern auch im Biotech-Bereich etablierte, z. B. Gilead Science, würden zu wenig wachsen. Wobei aber auch Janisch in der jüngeren Biotech-Branche mehr Potenzial sieht. „Sie ist wachstumsstärker.“
Unsicherheiten
Der Start ins neue Jahr sei „nicht so schlecht“ verlaufen. „Es kann positiv überraschen.“ Wobei es gerade bezüglich Corona viele Unsicherheiten gibt. Zum einen würden mehr Zulassungen die Preise für die Impfdosen drücken. Zum anderen die Frage der Dauer der Wirkung. Halte diese ein paar Jahre an und sei der Planet einmal durchgeimpft, sei auch das Geschäft damit vorbei.
Kurzfristig aber, ergänzt Sparinvest-Experte Kober, bleibe das Thema für die Hersteller präsent. So arbeite Pfizer an einem Impfstoff, der leichter zu lagern ist. Und jener von Johnson & Johnson, bei dem nur eine einzige Verabreichung reichen dürfte, stehe kurz vor der Zulassung.
Wie auch immer, Kober sieht für die Branche darin auch Vorteile. So könne man den Fokus wieder auf andere Krankheiten legen.
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