Eine Navigations-App für urbane Radler und Verkehrsplaner
Der SPÖ-Vorschlag zu einer Vier-Tage-Woche sorgte diesen Sommer für politische Debatten. Bei dem Grazer Start-up Bike Citizens ist sie seit 2014 gelebte Praxis. Gearbeitet wird dort von Montag bis Donnerstag. Die Mitarbeiter haben Verträge über maximal 36 Stunden in einem Gleitzeitmodell, einen Lohnausgleich auf 38 Stunden gibt es nicht.
Mitgründer Andreas Stückl erklärt die Arbeitszeitverkürzung mit der dadurch verbesserten Motivation: „Kreativität ist einer unserer wichtigsten Erfolgsfaktoren“ und zu viele Stunden im Büro seien „kein idealer Nährboden um Neues zu entwickeln“.
Attraktiver Arbeitgeber
Auch mache die Regelung das Unternehmen als Arbeitgeber attraktiver: „Wir haben 52 verlängerte Wochenenden im Jahr und der Freitag ist der frei-Tag“, wirbt Elisabeth Felberbauer, Geschäftsführerin der Zentrale in Graz. Bike Citizens hat 30 Mitarbeiter in Graz und weitere fünf in der 2015 eröffneten Zweigstelle in Berlin.
Das Unternehmen wurde 2011 von zwei Fahrradkurieren gegründet. Zusammen mit dem IT-Experten Mihai Ghete entwickelten Daniel Kofler und Andreas Stückl eine Navigationsapp speziell für Fahrradfahrer im städtischen Raum.
Wobei es „den Radfahrer“ nicht gibt, wie Stückl sagt. Vielmehr handelt es sich um verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen: „Viele Leute, die Lust haben umzusteigen, fahren die gleichen Wege wie mit dem Auto“, erklärt Stückl im Gespräch mit dem KURIER.
Diverse Profile
Entsprechend landen sie beispielsweise auf mehrspurigen Straßen, wo sich insbesondere unerfahrene Radler schnell unwohl fühlen. Zusammen mit Kollegen und Bekannten haben die Gründer deswegen verschiedene Anforderungsprofile erstellt, die Parameter wie Komfort, Schutz, Geschwindigkeit, Straßenbelag und Steigung unterschiedlich gewichten.
Als Basis dienen die Daten der OpenStreetMap. Da die Navigation ohne Internet auskommt, können Karten von rund 700 Städten und 300 Regionen heruntergeladen werden. Die App ist mittlerweile in sieben Sprachen verfügbar, kaufen kann man entweder das gesamte Paket oder einzelne Städte und Regionen. Das Erfolgsgeheimnis der App steckt allerdings nicht nur im Nutzen für den Einzelnen.
Städte und Kommunen
Das Angebot richtet sich nicht nur an Endkunden, sondern auch an Städte, die den Anteil der Fahrradfahrer im Verkehr erhöhen wollen. Derzeit hat Bike Citizens Lizenzvereinbarungen mit 11 Städten, darunter Linz und Weiz. Die Navigationsapp kann von den Bürgern dann gratis genützt werden. Zusätzlich bekommen die Gemeinden die Möglichkeit, Kampagnen zu schalten. So können zum Beispiel bei regelmäßiger Radnutzung Bonuspunkte für lokale Dienstleister gesammelt werden.
Drittens bietet die App Stadtplanern ein Analysetool, in dem Nutzerdaten anonymisiert ausgewertet werden. Das ermöglicht zu sehen, wo es Engpässe oder Probleme im Wegenetz gibt. Nutzer, die ihre Daten nicht zur Verfügung stellen wollen, können ihre Teilnahme abwählen. An andere, zum Beispiel Industriekunden, werden keine Daten weitergegeben, versichert Felberbauer.
Dass das Radfahren in der Corona-Krise zugenommen hat, merkt man auch bei Bike Citizens. Unter anderem am gestiegenen Interesse an der Smartphonehalterung „Finn“. Insgesamt wurde davon bereits mehr als eine Million Stück verkauft. Produziert wird „Finn“ in einem mittelständischen Betrieb im Burgenland.
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