Bescheidenheit in Wolfsburg: "Krise als Katalysator"
Bedauern, Aufklärung und Vertrauen. Schlagworte wie diese sind bei der ersten Pressekonferenz der VW-Spitze seit Bekanntwerden des Abgasskandals am Donnerstag häufig gefallen. „Wir sind zutiefst bestürzt“, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch vor mehr als hundert Medienvertretern am Stammsitz in Wolfsburg.
„Die vergangenen Monate waren beispiellos für uns alle. Niemand hat sich so etwas vorstellen können.“
Bei dem Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen handle sich um eine der größten Bewährungsproben des Konzerns. Um diese zu bestehen, benötige es eine gemeinsame Kraftanstrengung.
Aufklärung sei zentraler Baustein der Zukunftsstrategie, ergänzte der neue VW-Chef Matthias Müller. Dabei werde nichts unter den Teppich gekehrt, alles werde lückenlos nachgeforscht. „Wir sind dabei, schonungslos aufzuklären, wer verantwortlich ist. Diese Personen werden zur Rechenschaft gezogen.“ Eine sehr überschaubare Gruppe habe Fehler gemacht. Es gebe jedoch keine Kenntnisse über die Involvierung von Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats.
Rund 450 interne und externe Experten seien in den Untersuchungen involviert. Datenmengen von rund 100 Terabyte (entspricht 50 Mio. Büchern) von 30 Mitarbeitern seien gesichert worden.
Laut den beiden Managern will VW „glaubwürdig und entschlossen handeln und sicherstellen, dass so etwas nicht mehr passiert. Wir sehen die Krise als Katalysator zur Reform“. Dazu zählt, dass der Konzern dezentraler aufgestellt werden und Marken und Regionen künftig mehr Eigenständigkeit erhalten sollen.
Schlanker
Darüber hinaus soll VW schlanker werden und die Kosteneffizienz steigen. „Wir wollen eine deutliche Entschlackung der Gremien und mehr Bescheidenheit.“ Sich von Marken zu trennen, schloss Müller „derzeit“ aus. Wohl aber würden demnächst einzelne Produktgruppen auf ihre Zukunftstauglichkeit überprüft.
Die angekündigte Rückrufaktion beginnt in Europa Anfang 2016. Bei den betroffenen Motoren 2,0 und 1,2 Liter TDI wird ein Software-Update durchgeführt, beim 1,6 Liter Diesel wird zudem ein sogenannter Strömungsgleichrichter eingesetzt. Damit soll die Einspritzmenge optimiert werden. Der Rückruf der volumensstärksten Variante mit 2,0 Liter beginnt laut VW im Jänner, im zweiten Quartal folgt der Rückruf des 1,2-Liter-Modells. Zuletzt muss das 1,6-Liter-Modell zurück in die Werkstatt, da die Hardware-Änderung einen zeitlichen Vorlauf benötigt.
Auf Österreich entfallen von den weltweit rund elf Millionen betroffenen Autos 363.400. Davon muss bei einem Drittel der Bauteil eingesetzt werden.
Nach aktueller Planung wird sich die gesamte Rückrufaktion über das volle Jahr 2016 ziehen. „Es ist eine enorme logistische Herausforderung“, sagte VW-Chef Matthias Müller. Jeder Besitzer würde individuell informiert, wann sein Auto das Update erhält. Eine Kompensation für einen eventuell reduzierten Wiederverkaufswert wollte Müller nicht ausschließen. „Unsere Kunden sollen so wenig wie möglich darunter leiden.“ Auf die Leistungsfähigkeit werde der Umbau bzw. das Update keine bzw. nur eine marginale Auswirkung haben.
Problem USA
In den USA sei wegen der strengeren Stickoxid-Grenzen die Herausforderung eine größere, sagte Pötsch. Das Lösungskonzept werde mit den zuständigen Behörden abgestimmt. VW hofft auf eine baldige Lösung.
Auf die weltweite Nachfrage nach VW-Modellen gibt es laut Müller noch keinen Einfluss. „Wir haben im November einen hervorragenden Auftragseingang. Offensichtlich erholt sich der Markt in China.“ Zudem hofft er, dass sich die Kaufzurückhaltung in den anderen Märkten bald legen werde.
Die finanziellen Folgen werden laut Pötsch hingegen „beträchtlich“ sein. 6,5 Milliarden Euro wurden bereits zurückgelegt, ein Kreditrahmen von 20 Mrd. Euro mit Banken vereinbart. Die VW-Aktionäre ließen die Beteuerungen und Absichten unschlüssig zurück – die Aktie verlor zunächst deutlich, erholte sich im späten Handel aber: plus 1,75 Prozent.
„Es war kein einmaliger Fehler, sondern eine Fehlerkette.“
„Kein Geschäft rechtfertigt es, gesetzliche und ethische Grenzen zu überschreiten.“
„Alles kommt auf den Tisch.“
Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch
„So ernst die aktuelle Situation auch ist: Dieses Unternehmen wird daran nicht zerbrechen.“
„Wir werden es nicht zulassen, dass uns die Krise lähmt.“
„Die Lage ist nicht dramatisch, aber wir kämpfen um jeden Kunden und jedes Auto.“
Vorstandschef Matthias Müller
Skandal hin oder her, VW bleibt in Österreich Marktführer – mit Respektabstand. Im November verbuchte die Marke mit 4223 neu zugelassenen Pkw zwar ein Minus von 3,8 Prozent, sie bleibt aber weit vor Opel (1664) und der VW-Tochtermarke Skoda (1565). Im November wurden 23.381 Pkw zugelassen, das sind 8,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. Erstaunlich: Diesel-Pkw legten mit 10,5 Prozent sogar kräftiger zu als Benziner (5,1 Prozent).
Insgesamt liegen die Kfz-Zulassungen in Österreich 2015 (von Jänner bis November) auf Vorjahresniveau (siehe Grafik).
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