Berlin: Euro-Volksabstimmung rückt näher

Berlin: Euro-Volksabstimmung rückt näher
Die Rufe nach einem Referendum zur Zukunft Europas werden lauter. Das Thema verschärft den Vorwahlkampf.

Nach ihrem üblichen Südtirol-Wandern geht Angela Merkels Urlaub in der heimatlichen Uckermark nördlich von Berlin langsam zu Ende: Die Kanzlerin ist damit den Sorgen der Staatsschulden-Krise auch räumlich wieder ganz nah – und die werden täglich größer. Die letzten Wochen haben innen- und europapolitisch mehr verändert als die zwei Krisenjahre zuvor.

Die Opposition will unter Führung von SPD-Chef Sigmar Gabriel nun eine Volksabstimmung, die die Übernahme der Krisenländer-Schulden durch Deutschland mittels Eurobonds legalisieren soll. Sogar der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück schwenkte auf die Linie seines Parteichefs und Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur ein und erklärte Eurobonds für unaufhaltsam. Bisher hatte Merkel in der SPD den verlässlicheren Partner in der Krise gehabt als in ihrer Koalition.

Auch aus den Hauptstädten der Krisenländer steigt der Druck auf Merkel: Mit dem sozialistischen Präsidenten François Hollande ist Paris nun ein Verbündeter von Italiens Premier Monti und Spaniens Regierungschef Rajoy – statt wie zuvor unter Sarkozy von Berlin.

Verfassungsgericht

Berlin: Euro-Volksabstimmung rückt näher

Ohnehin bröckelte schon bisher die Brandmauer gegen die Vergemeinschaftung der Staatsschulden der Südländer, vor allem im von Wolfgang Schäuble (CDU) geführten Finanzministerium. Aber auch im Kanzleramt. Auch dort erwartet man, dass das Verfassungsgericht in Karlsruhe am 12. September der Regierung deutlicher als je die Grenzen der Euro-Rettung aufzeigen wird. Die hat schon bisher die deutsche Verfassung bis an ihren Rand strapaziert: Für mehr Hingabe deutscher Souveränität scheint eine Verfassungsänderung nötig, die in diesem wichtigen Fall wohl nicht vom Bundestag allein, sondern vom Volk gebilligt werden müsste.

Dass nun auch Rainer Brüderle, der mächtigste FDP-Mann, eine Volksabstimmung nahen sieht, gilt als ein Zeichen mehr für den subtilen Schwenk der Regierung in Richtung Eurobonds. Der zweite Hauptgrund für den ist der hohe Druck der deutschen Industrie und Banken zur Sicherung ihrer Interessen im südlichen Euro-Land.

Dem steht allerdings der Volkswille diametral entgegen. Die neueste Umfrage von Focus dazu brachte am Wochenende 52 Prozent Ablehnung einer gemeinschaftlichen Schuldenhaftung durch Deutschland, sogar 49 Prozent der SPD-Wähler sind dagegen.

Auch im Mittel- und Unterbau der Union ist der Widerstand ungebrochen: So erklärte Fraktions-Finanz-Sprecher Hans Michelbach (CSU) zuletzt, die Privatvermögen in Italien und Spanien seien vier Mal so hoch wie deren Staatsschulden, da "brauche es keine Zwangsanleihe für den deutschen Steuerzahler für deren Oberklasse". Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer schloss am Wochenende sogar Eurobonds ganz aus: "Die Bundestagswahl wird zur Volksabstimmung über sie".

Merkels Spagat zwischen populärer Abwehr und Fakten-Einsicht wird in den 13 Monaten bis zur Wahl ihr bisher größtes Kunststück.

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