Bei Briefmarken geht die Post nicht mehr ab

Nostalgischer Blick auf die versunkene Briefmarkenwelt
Österreich ist bei Briefmarken innovativ, die Post bemüht sich jetzt um eine Renaissance.

"Darf ich dir meine Briefmarkensammlung zeigen?" Nein, dieser zweideutige Spruch ist nicht einmal mehr lustig. Noch in den Siebzigerjahren hatte jedes Kind eine eigene Briefmarkensammlung. "Das war für mich das Fenster zur Welt", sagt KURIER-Redakteur Harry Eggenberger. "Dadurch erfuhr ich als Kind zum Beispiel, dass sich Griechenland ,Hellas‘ nennt." Der heute 40-Jährige sammelte leidenschaftlich Marken, seine Eltern schenkten ihm zu Weihnachten immer das aktuelle Post-Set. In den Zeitungen las man damals viel über die geheimnisumwitterte "Blaue Mauritius".

Wertverlust

Heute sind die Sammler eher nur noch ältere Herrschaften, oft pensionierte Lehrer. Sollten Sie eine Sammlung erben: Geld bringt sie kaum – das ist eine simple Angebot-und-Nachfrage-Geschichte. Derzeit sterben mehr Briefmarkensammler, als neue, junge dazukommen.

Theoretisch sind Briefmarken eine tolle Sache: Sie sind Kulturbotschafter in der ganzen Welt. Doch im digitalen Zeitalter (und mit den modernen Frankiermaschinen) sind sie aus der Mode gekommen. Dabei setzt die österreichische Post beim Briefmarken-Design international Maßstäbe. Und sie ist auch produktiv: 50 Sondermarken pro Jahr werden herausgebracht, allein für das heurige Weihnachten fünf neue.

Marke aus Glas

Das heimische Sortiment ist beeindruckend groß – auch innovative Materialien kommen dabei zum Einsatz: 2016 wurde zum Beispiel eine "stoffige" Dirndlmarke herausgebracht – die weltweit erste Briefmarke in "Silhouettenstickerei". Im Vorjahr gab’s die dazugehörige Lederhosenmarke mit Lederoptik aus Alcantara.

Apropos Tracht: Das Thema wurde in einer eigenen Serie "unspießig" in Zusammenarbeit mit einer Designerin sowie der Trachten-Spezialistin Gexi Tostmann umgesetzt. Österreichische Künstler werden immer wieder mit Briefmarkendesign beauftragt: Zuletzt zum Beispiel Erwin Bohatsch und Martha Jungwirth. 2012 krabbelten Peter Koglers berühmte Ameisen um einen Briefmarkenblock (siehe Bild). 2015 zierte ein Landschaftsmotiv von Hubert Schmalix eine Sondermarke.

Es gab Marken mit Swarovski-Kristallen und heuer erstmals (weltweit einmalig) eine Briefmarke aus Glas. Sie wurde gemeinsam mit der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten entwickelt. Auch individualisierte Marken mit eigenem Foto sind kein Problem. Der im Schachklub aktive Eggenberger hat eine von sich mit Schachlegende Anatoly Karpow, der 2005 in Wien gastierte.Aber wer sammelt heute noch? Beim Verband österreichischer Philatelistenvereine sind gar nicht so wenige Vereine organisiert: 220, inklusive Filialen sind es sogar 260. Präsident ist der ehemalige Mittelschulprofessor Helmut Kogler. Die Funktionäre sind zu fast 100 Prozent männlich, was er bedauert: "Wir hätten gerne mehr Frauen dabei."

1840 wurde die erste Briefmarke in England gedruckt, zehn Jahre später dann die erste österreichische. Die Postkarte wurde vor rund 100 Jahren sogar von einem Österreicher erfunden. Dann kam das Internet und das Schreiben wurde eine vergängliche Sache – worüber sich künftige Historiker wohl noch die Haare raufen werden. Manche Postämter verkauften nicht einmal mehr Marken. Doch die österreichische Post will sich dieser Tradition nun wieder stärker besinnen.

Ist eine Trendwende in Sicht? Kürzlich sagte der 29-jährige Facebook-Aktivist Max Schrems bei einem KURIER-Podiumsgespräch (Thema Big Data): In seiner Generation freue man sich schon wieder über eine Postkarte. Das sei etwas Besonderes. Allerdings handelt es sich bei diesen Karten meist um Urlaubsfotos, die via Internet als echte Karte verschickt werden können. Nur die wunderbaren österreichischen Briefmarken braucht es dafür leider nicht.

Weltberühmte Marken

Und was sind die teuersten Marken der Welt? Beliebt sind vor allem Fehldrucke. Zu den teuersten und seltensten Briefmarken der Welt zählt die schwedische "Tre Skilling Banco" mit Farbfehldruck von 1855. Es gibt davon nur ein einziges Stück. 2014 wurde die "British Guyana 1 Cent magenta" aus dem 19. Jahrhundert von Sotheby’s um 9,5 Millionen Dollar versteigert. Mehrere Millionen wert ist aber auch der berühmte "Bordeaux-Brief": Eine blaue und eine rote Mauritius auf einem Brief, der von der damaligen britischen Kronkolonie Mauritius an einen französischen Weinhändler verschickt wurde. Aus Österreich ist die "Rote Merkur" laut Katalog 150.000 Euro wert. Die Marke mit dem Götterboten stammt aus der Monarchie, damit wurden vorübergehend Zeitungen (mit ermäßigtem Porto) frankiert.

Wer mit der Markensammlung seines Opas nicht das große Geld macht, den tröstet der österreichische Philatelist Kogler: "Dein Großvater hat 40 Jahre Freude damit gehabt. Man lernt aus jeder Marke etwas – Geografie, Kultur, Geschichte. Aber im Grunde ist es ist ein Hobby wie Skifahren: Das kostet auch Geld."

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