Man beobachte die Entwicklung kritisch, hört man aus der FMA. Zur Klarstellung: Die Aufseher befürchten keineswegs, dass die rund 600 Mitarbeiter große Assekuranz demnächst krachen wird. Noch seien keine Notmaßnahmen erforderlich, aber die Aufseher machen Druck, das Management habe Handlungsbedarf.
Das Problem der ÖBV ist schlichtweg ihr Business-Modell. Die Assekuranz hat keinen starken Konzern im Rücken und ist ein altmodischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Kunden sind die Miteigentümer, und de facto ein reiner Lebensversicherer. 86 Prozent der Prämien kommen aus diesem Bereich. Ein extremer Nachteil in einer derart langen Niedrigzinsphase. Die Veranlagungsrenditen sind im Keller, aber alte Lebensversicherungsverträge mit hohen Garantiezinsen müssen bedient werden. Anders als der Rest der Branche (Kompositversicherer) kann die ÖBV nicht durch die Sachversicherung ausgleichen. Für 2020 wies man erstmals einen Jahresfehlbetrag von 8 Millionen Euro aus, bei 173 Millionen Prämien.
Die Aufsicht sorgt sich um die Solvency-II-Quote, die Solvabilitätsvorschriften für die Eigenmittelquote, das Pendant zu Basel III bei den Banken. Diese Quote sinkt konstant, 2020 lag sie bei 183,8 Prozent. Ist immer noch ausreichend, aber der Trend zeigt halt kontinuierlich nach unten. Ohne Berücksichtigung der Übergangsvorschriften, die freilich fast die gesamte Branche anwendet, wäre die ÖBV 2020 nur noch bei 106 Prozent.
Dabei trieb der Grabenhof die Quote 2020 hinauf, da die Nobel-Immobilie neu und deutlich höher bewertet wurde. Die stillen Reserven, die mit dem Verkauf realisiert wurden, werden in der Immo-Szene auf gut 100 Millionen Euro (nach Steuern) geschätzt. Wird nicht nur die Bilanz verschönern, sondern auch Solvency verbessern.
Die Beamtenversicherer hatten immer ein gutes Händchen für Immobilien und besitzen noch etliche Objekte in besten Lagen. Sechs Gebäude in der City sowie zahlreiche Immobilien in teuren Gegenden innerhalb des Gürtels und im 19. Bezirk. 2020 ist der Zeitwert mit 450 Millionen und der Buchwert mit 147 Millionen ausgewiesen.
Trawöger sieht die ÖBV nicht als Sanierungsfall und rechnet für 2021 wieder mit einem positiven Ergebnis. „Wir sind gut aufgestellt, aber unsere Solvency-Quote ist kein Ruhekissen.“ Mit einer neuen Produktpalette wolle die ÖBV raus aus der Zinsabhängigkeit, der Vertrieb werde verbreitert in Richtung Makler und die Digitalisierung und Automatisierung forciert. Mit 25 Prozent hat die ÖBV eine der höchsten Kostenquoten in der Branche.
Dabei beneideten die Mitbewerber die ÖBV in der Vergangenheit um ihre niedrigen Vertriebskosten. Rund 2.000 Beamte, vom Polizisten bis zum Hofrat, verkauften nebenberuflich ÖBV-Polizzen. Das ist vorbei. Doch nach wie vor kommen 60 Prozent der Kunden aus dem öffentlichen Sektor, angeboten werden Spezialprodukte, für Lehrer, ÖBBler, Militärs etc.
Im Aufsichtsrat ist das Who’s Who der Gewerkschaft versammelt, aufgeteilt auf SPÖ und ÖVP-Fraktionen. Von den 15 Kapitalvertretern (darunter eine Frau) sind nur zwei Mandatare keine Gewerkschafter. Vorsitzender ist Eisenbahn-Gewerkschafter Günter Blumthaler, Vize von ÖBB-Betriebsratschef Roman Hebenstreit.
Vize-Aufsichtsratsvorsitzende der ÖBV sind Norbert Schnedl, Chef der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), und Franz Binderlehner (Gewerkschaft vida), der wiederum mit Trawöger im Aufsichtsrat der Eisenbahner-Wohnbaugesellschaft BWS sitzt.
Weiters im Aufsichtsrat sind die einflussreichen Betriebsratschefs von Post, Helmut Köstinger, und A1 Telekom, Werner Luksch. Den Pensionistenchef und die Frauenvorsitzende der vida nicht zu vergessen. Sicher alle ausgewiesene Versicherungsexperten. Mit insgesamt 23 Mitgliedern ist das Gremium zudem etwas groß geraten.
Wohlfahrtsfonds
Wozu aber investiert die Wiener Ärztekammer diese Riesensumme in den Ankauf der Graben-Immobilie, die auf 10.000 Quadratmer Geschäfte, Büros und Wohnungen beherbergt?
Die Ärztekammer unterhält einen Wohlfahrtsfonds für die Finanzierung der Ärzte-Pensionen. Der denkmalgeschützte Grabenhof ist dafür als Anlageobjekt gedacht. Mittel- und langfristig soll der Ertrag des Grabenhofs gesteigert werden, kündigte die Ärztekammer an. Mit dem neuen Ankauf besitzt die Ärztekammer nun insgesamt 13 Immobilien in Wiener Toplagen.
andrea.hodoschek@kurier.at
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