BASF-Österreich-Chef: "Sorry, aber China ist alternativlos"

BASF-Österreich-Chef: "Sorry, aber China ist alternativlos"
Regionsmanager Harald Pflanzl warnt vor De-Industrialisierung und verteidigt das Milliardeninvestment von BASF in China. Die Musik spiele in Asien.

Der gebürtige Steirer und Absolvent der Montan-Uni Leoben, Harald Pflanzl (56), ist beim weltgrößten Chemiekonzern BASF in einer leitenden Funktion tätig. Er ist Österreich-Geschäftsführer und Senior-Vice-President der Regionen Benelux, Großbritannien und Irland, Skandinavien, Baltikum, Mittel- und Osteuropa, Griechenland und die Ukraine. Im KURIER-Interview spricht er über die aktuelle Energiekrise, die Lage in der Ukraine und warum China als Standort alternativlos ist.

Die Gasversorgung scheint in Europa für diesen Winter gesichert zu sein. Alles in Ordnung also?
Harald Pflanzl: Die Lage hat sich verändert: von einer Versorgungskrise hin zu einer Preis- und Kostenkrise. Ja - die Speicher sind voll. Die Nachfrage nach Gas sinkt aber. Weil in der Wirtschaft weniger produziert wird.

Wie wichtig ist die chemische Industrie für Europa?

96 Prozent aller produzierenden Betriebe in der EU bekommen Vormaterialien aus der chemischen Industrie.

Und wie geht es nach diesem Winter weiter?
Wir gehen für die nächsten drei bis fünf Jahre von weiterhin hohen Gas- beziehungsweise Energiepreisen aus – mit starken Schwankungen.  

Und wenn das Gas doch irgendwie knapp wird?
Wenn wir zumindest 50 Prozent der üblichen Gasmenge bekommen, können wir in Ludwigshafen weiter produzieren. Ansonsten würden wir Schritt für Schritt die Produktion runterfahren.

BASF-Österreich-Chef: "Sorry, aber China ist alternativlos"

Harald Pflanzl

Wie ist die Lage in der Ukraine?
Wir haben dort insgesamt 235 Mitarbeiter. Die arbeiten in Kiew unter schwersten Bedingungen. In die Ukraine liefen wir Pflanzenschutzmittel. Bislang können wir die Lieferungen aufrechterhalten.

Waren die Sanktionen richtig?
Den Überfall Russlands auf die Ukraine verurteilen wir scharf. Die Sanktionen sind vollkommen richtig. Auch wenn sie unser Leben beeinflussen. Die BASF ist aber in Russland noch tätig. Wir haben uns aus Russland zurückgezogen.  Wir liefern nur noch Produkte für die Lebensmittelindustrie, z.B. Pflanzenschutzmittel für den Agrarbereich.

Die BASF-Öl- und Gas-Tochter Wintershall Dea fördert aber noch Öl und Gas in Russland.

Ja. Aber Wintershall Dea verfolgt dort keine neuen Projekte mehr. BASF will langfristig für die Energieerzeugung ganz von Öl und Gas wegkommen.

Aber wie lange hängt Europa noch von russischem Gas ab?
Schwer zu sagen. Das hängt von drei Faktoren ab. Kann die Menge an Öl und Gas durch alternative Energien kompensiert werden? Gibt es die Leitungen dazu und was ist der Preis?

BASF-Österreich-Chef: "Sorry, aber China ist alternativlos"

Pflanzl mit Kurier-Wirtschaftschef Wolgang Unterhuber und Redakteurin Anita Staudacher

Und wie hoffnungsvoll sind Sie?
Ich würde da ein großes Fragezeichen setzen. Denn dazu müsste man dieses Thema offen und ideologiefrei angehen. Aber an dem Punkt sind wir noch nicht.

Aber die Industrie könnte doch auch selbst mehr investieren.

Das tun wir. Aktuell errichtet BASF einen Offshore-Windpark mit Vattenfall und der Allianz in der Nordsee mit 140 Windrädern. Nur: die ganzen Verfahren und Prozesse dauern viel zu lange. Das gilt speziell für den Leitungsausbau. Und da ist schon die Politik gefordert.

Wäre Fracking in Europa eine Lösung?
Ganz ehrlich: die Debatte um das Verbot für Fracking ist verlogen. Wir importieren Flüssig-Erdgas LNG aus Nordamerika, das dort genau mit dieser Technologie gewonnen wird. Aber hier wollen wir von dieser Technologie nichts wissen. Das erinnert mich auch an die Debatten um die Neutralität und den Atomstrom.

Inwiefern?
Man sollte immer schön bei der Wahrheit bleiben und die Diskussionen ohne ideologische Brille führen. Allein, wenn wir an die riesigen Mengen von Atomstrom-Importen speziell im Winter denken.

BASF-Österreich-Chef: "Sorry, aber China ist alternativlos"

Harald Pflanzl

In China will BASF um rund zehn Milliarden Euro einen neuen Standort errichten. Warum?
Es wäre fatal, nicht in einen gigantischen Wachstumsmarkt zu investieren.

2030 wird China bei Chemieprodukten auf rund 50 Prozent Marktanteil kommen. Und wo bleibt Europa?
Die Gefahr einer De-Industrialisierung Europas halte ich für sehr real. Wenn wir weiterhin alles dafür tun, um die Industrie aus Europa rauszudrängen. Denn eines ist klar: Die Musik spielt in Südostasien.

Und was, wenn China eines Tages Taiwan überfällt?
Das ist natürlich ein Risiko. Aber was ist die Alternative? Südamerika? Afrika? Ich lade alle ein, mit mir in diese Kontinente zu fahren und sich ein Bild vor Ort zu machen. Sorry – aber China ist alternativlos. Das gilt auch für die Energiewende. Denken Sie nur an die Seltenen Erden und all die anderen Rohstoffe, die wir für die E-Auto-Produktion benötigen.

Wo wäre bei China die rote Linie überschritten?
Bei einem Angriffskrieg.

BASF-Österreich-Chef: "Sorry, aber China ist alternativlos"

BASF-Verbundstandort Ludwigshafen

Nach Österreich: Sie wollen in Kundl in Tirol eine Produktion hochfahren. Bleibt es dabei?
Ja. 2024 wollen wir mit der Produktion bakterieller Enzyme für den Weltmarkt beginnen. Diese Enzyme sind Basischemikalien etwa für die Waschmittelindustrie.

Man kann in Österreich also noch gewinnbringend produzieren?
Ja. Aber bezüglich Kosten ist der Strom aus Wasserkraft in Kundl ein großer Vorteil.

Obwohl BASF weiter Milliardengewinnen schreibt, gibt es ein Sparpaket. Warum?
Weil die Energiekosten hoch bleiben werden, weil der Chemiemarkt in Europa nicht mehr wachsen wird und weil EU-Regularien den Industriestandort Europa gefährden.

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