Cernko: „Wir unterschätzen die Älteren!“

Cernko: „Wir unterschätzen die Älteren!“
Bank-Austria-Boss Willibald Cernko über virtuelle Filialen und Bankenrettungspakete

KURIER: Wie stark ist die Bank Austria von der Alpine-Pleite betroffen?

Willibald Cernko: Es ist bedauerlich, dass die Sanierung nicht gelungen ist. Wir waren überzeugt, es zu schaffen. Die Bank Austria hat aber bereits im Jahresabschluss 2012 ein mögliches Scheitern vorweggenommen und entsprechend Vorsorge getroffen.

Befürchten Sie nun Klagen privater Anleihenbesitzer, die ihr Geld verlieren?

Nein.

Es ist ungewöhnlich, mit einer österreichischen Firmenanleihe Geld zu verlieren.

Gott sei Dank, aber Scheitern ist im wirtschaftlichen Leben jederzeit möglich. Letztlich muss sich jeder Investor ein Bild davon zu machen, in welches Unternehmen sie oder er investiert.

Wie geht’s der Bank Austria selbst? Sie sperren ja Filialen zu und bauen Mitarbeiter ab.

Die Kunden halten sich immer mehr am virtuellen Marktplatz auf: von Urlaubsbuchung bis Online-Wein-Einkauf. Wir werden die physische Präsenz herunterschrauben, wo die Nachfrage zurückgeht und gleichzeitig die virtuelle Filiale kräftig ausbauen. Wichtig bleibt das persönliche Gespräch zwischen Bank und Kunden. Man kann auch über ein Glasfaserkabel verbunden sein.

Aber wohl kaum mit den vielen älteren Kunden.

Wir unterschätzen die ältere Generation dramatisch! Die sind viel aufgeschlossener als wir glauben. Und die Filialen werden ja nicht abgeschafft – nur weniger. Wir leben in einer Zeit der Urbanisierung – auch ältere Menschen ziehen in die Städte zurück, weil sie hier eine bessere Infrastruktur vorfinden. Daher werden auch wir uns verstärkt in den Ballungszentren aufhalten.

Und das Land überlassen Sie Raiffeisen?

Nein, wir bleiben auch dort präsent und erreichen über die virtuelle Filiale potenziell sogar mehr Menschen als heute. Ich wage außerdem zu behaupten, dass die Banken im Privatkundengeschäft – ich rede da nicht von Private Banking – kein Geld verdienen.

Gleichzeitig verdienen aber auch die Sparer nichts. Für das täglich fällige BA-Sparbuch gibt’s Zinsen von 0,125 Prozent. Und die EZB könnte nochmals den Leitzinssatz senken.

Wenn damit beabsichtigt würde, das Kreditgeschäft anzukurbeln, dann wird sich diese Hoffnung nicht erfüllen, weil wir eine extreme Investitions-Zurückhaltung der Unternehmer sehen.

Unternehmer beklagen umgekehrt, dass es viel schwieriger wurde, Kredite zu kriegen.

Wir würden gerne mehr Kredite vergeben, aber es stimmt, dass heute mehr Vorsicht gilt. Diese Lektion haben wir aus der Krise gelernt.

Gibt es nicht eine kalte Enteignung der Sparer, um die Budgets zu sanieren?

Natürlich wird diskutiert, ob man über eine höhere Inflation einen Teil der Schulden abtragen kann. Eine große Strategie dahinter bezweifle ich aber. Das große Thema ist: Wohin geht Europa?

Die EU verhandelt schon lange eine Bankenunion und ein Bankeninsolvenzrecht. Was erhoffen Sie sich davon?

Es muss möglich sein, eine Bank geordnet aus dem System zu nehmen, ohne die Realwirtschaft und Private über Gebühr zu strapazieren. Dazu braucht’s auch einen Vorsorgefonds, um volkswirtschaftlich relevante Teile zu rekapitalisieren.

Dafür gäbe es in Österreich theoretisch die Bankenabgabe.

Eine Umwidmung dafür hätte Sinn, derzeit geht die Bankabgabe aber nur in die Budgetsanierung. Die Banken haben in den letzten Jahren im Schnitt 3,9 Milliarden Euro pro Jahr verdient – aus dem reinen Österreich-Geschäft waren es nur 1,2 Milliarden Euro. Jährliche 625 Millionen Bankensteuer sind da schon eine relevante Größenordnung. Man kann nicht alles bei den Banken abladen.

Es wird überlegt, einen Teil dieser Abgabe in eine Banken-Beteiligung an der möglichen Bad Bank der Hypo Alpe-Adria umzuwandeln. Eine Lösung?

Eine direkte Beteiligung an einer Bad Bank schließe ich dezidiert aus. Aber lassen Sie mich fantasieren: Stellen wir uns vor, es gäbe eine Umwidmung der Bankensteuer für die Dotierung eines Fonds – nennen wir ihn „Alpha Resolution Fonds“, der sich nur um diese Bad Bank kümmert. Und ein „Beta Resolution Fonds“ würde für mögliche künftige Probleme zur Verfügung stehen.

Und an diesem Modell würden Sie sich beteiligen?

Ohne die Details zu kennen, kann ich das nicht sagen, grundsätzlich wäre es diskussionswürdig. Aber es muss ein kreativer Weg sein, der für unsere Aktionäre und Märkte akzeptabel ist.

Redet die Finanzministerin eigentlich mit Ihnen darüber?

Also, wenn sie mich persönlich meinen: Nein.

Sollte sie?

Ratschläge zu erteilen, steht mir nicht zu. Die Schlechteste aller Ideen wäre es aber nicht.

Eine Attac-Studie sagt, dass 75 Prozent der Griechenland-Hilfe an die Banken ging, was die Diskussion befeuert, die da heißt: Die EU rettet nur die Banken, nicht die Menschen.

Das ist verknappter Unfug. An unserem Beispiel: Die BA hat 422,5 Millionen von insgesamt 509 Millionen ihres Griechenland-Exposures verloren. Eine klassische Umschuldung! Die größten Gläubiger waren die griechischen Banken. Hätten sie kein Geld gekriegt, hätten die kleinen Sparer alles verloren.

Die BA hatte massive Probleme bei ihrer Online-Umstellung. Hat das Kunden gekostet?

Das war kein Ruhmesblatt und nagt am Selbstvertrauen. Gott sei Dank haben wir nicht nachhaltig Schaden genommen. Jetzt sind wir aus der ärgsten Chose raus – und werden täglich besser.

Im Zuge dessen kamen Gerüchte auf, Sie könnten zurücktreten.

Daran habe ich keine Sekunde gedacht. Da muss man sich hinstellen und sich entschuldigen.

Sie sind neuer Aufsichtsratsvorsitzender der Wiener Börse. Ihre Zukunftsvision?

Wir müssen sehen, ob es Möglichkeiten für die Wiener Börse gibt, ihre Ost-Mitteleuropakompetenz über Kooperationen weiter zu schärfen.

Heißt Zusammenarbeit mit der Warschauer Börse?

Das ist nur ein Gedanke – so etwas muss behutsam geprüft werden.

Was sagen Sie zum Abgang von RBI-Boss Herbert Stepic?

Als Privatperson sage ich: Schade, dass die Karriere von jemandem, der jahrzehntelang für die Bank und für Österreich einen großartigen Job machte, so ausklingt.

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