Autos werden bei Unfällen selbst die Rettung rufen

Autos werden bei Unfällen selbst die Rettung rufen
Schnellere Verständigung der Rettungskräfte soll ab 2018 die Zahl der Verkehrstoten deutlich senken.

Ein Autounfall: Die Insassen sind verletzt, womöglich bewusstlos; bis sie oder jemand, der an der Unfallstelle vorbeikommt, Hilfe holen, vergehen Minuten oder gar Stunden, die über Leben oder Tod entscheiden können.

Das wird sich ändern: Ab April 2018 müssen alle neu gebauten Pkw in Europa in der Lage sein, nach einem Unfall eigenständig über Handy-Netze die Rettung zu informieren.

Und so funktioniert das Notrufsystem "eCall", das am Dienstag vom EU-Parlament in Straßburg mit breiter Mehrheit verabschiedet wurde: Öffnet sich der Airbag, wird automatisch ein Notruf abgesetzt – das System nutzt dabei die Notrufnummer 112, die in ganz Europa einheitlich ist. Die Insassen werden so direkt mit der zuständigen Notrufzentrale verbunden. Ist im Auto aufgrund von Verletzungen niemand in der Lage zu sprechen, schickt das System automatisch die notwendigen Daten, um die Rettungskräfte an die Unfallstelle zu lotsen – neben der genauen Position sind das auch Informationen zum Fahrzeugtyp, zum Treibstoff, zum Unfallzeitpunkt, zur Fahrzeugposition und zur Anzahl der Insassen.

Die EU-Kommission rechnet vor, dass mit dem neuen System die Zeit, bis die Rettung vor Ort ist, am Land um 50 und in Städten gar um 60 Prozent verringert werden kann. Die Zahl der Verkehrstoten – 2014 starben in der EU 25.700 Menschen bei Unfällen – soll so um zehn Prozent verringert werden.

"Minuten entscheiden über Leben"

"Wenn Autounfälle passieren und Menschen verletzt werden, entscheiden oft wenige Minuten über Leben oder Tod", sagt SPÖ-Mandatar Josef Weidenholzer. "Leider kommt es oft vor, dass jemand mit dem Pkw verunglückt und erst Stunden später oder sogar erst am nächsten Tag gefunden wird. Mit dem eCall-System kann das nicht mehr passieren." Auch ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas sagt: "Zeit rettet Leben. Auch der Schweregrad der Verletzungen wird durch schnellere Hilfeleistung gesenkt."

Bedenken gibt es jedoch in Bezug auf den Datenschutz: Ein Antrag der Liberalen im EU-Parlament, wonach Autofahrer die Möglichkeit haben sollten, das System auch auszuschalten, fand keine Mehrheit. Die Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek warnt, das eCall-System bringe "eine anlasslose Überwachung des gesamten Autoverkehrs mit sich, die mit den Grundrechten nicht ansatzweise zu vereinbaren ist". Sie kritisiert auch, dass das neue System beim Autokauf verpflichtend sein wird: "Das Projekt nutzt somit in erster Linie den Herstellern."

Zwar sollen die Daten ausschließlich an die Einsatzkräfte gehen und diese verpflichtet werden, sie nicht ohne Zustimmung weiterzugeben. Doch Datenschützer warnen, dass eCall ein Türöffner dafür sein könnte, Autos und ihre Fahrer permanent zu kontrollieren. So könnten beispielsweise Versicherungen auch unabhängig von Unfällen daran interessiert sein, ob sich ihre Kunden eigentlich an Geschwindigkeitslimits halten oder nicht.

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