Autoimporteur Clary: "Der Diesel ist unverzichtbar"
KURIER: Die Arbeiterkammer hat erneut den VW-Skandal zum Anlass genommen, die Testkriterien von Neuwagen zu bemängeln. Ist die Kritik nicht berechtigt?
Felix Clary: Es ist falsch, dass man den VW-Skandal mit den Unterschieden zwischen Real- und Testverbrauch vermischt und anderen Herstellern unterstellt, dass VW nicht alleine schummelt. Es ist jedoch richtig, dass in vielen Fällen der Real- vom Normverbrauch der behördlichen Testverfahren abweicht. Aber sie können nie dasselbe sein. Denn Testverfahren müssen immer nach den gleichen Standards für alle Hersteller ablaufen.
Aber diese Tests sind doch nicht realistisch und regen schon seit Jahren Autokäufer und Konsumentenschützer auf.
Sie sind in den meisten Fällen nicht realistisch und können das auch gar nicht sein. Natürlich werden die Autos in den Tests unter idealen Bedingungen getestet. Die Autoindustrie hat nie bestritten, dass Norm-und Realverbrauch auseinanderliegen. Diese Tatsache ist mittlerweile auch der Kundschaft hinlänglich bekannt. Aber aus Sicht der Konsumenten liegen die Ergebnisse zu weit auseinander und daher hat sich die Industrie gemeinsam mit den Behörden entschlossen, neue Verfahren, die ab 2017 gelten, zu entwickeln, die der Realität näher kommen. Das heißt aber auch, dass der Verbrauch im Testverfahren nach oben gehen wird. Dadurch werden auch die Anforderungen an die Industrie steigen. Denn bis zum Jahr 2020 muss der durchschnittliche CO2-Ausstoß eines Herstellers auf 95 Gramm pro Kilometer sinken. (Anm: in Österreich derzeit durchschnittlich 129 Gramm pro Kilometer)
Vergangene Woche wurden die neuen Testverfahren publik. Sie fallen jetzt doch nicht so scharf aus wie vorgesehen.
Die Tests werden auf alle Fälle realitätsnäher. Dass die EU eingeschwenkt hat, ist auch darauf zurückzuführen, dass die Autoindustrie es sonst kostenmäßig gar nicht stemmen könnte und auch gar nicht in der Lage ist, in dem kurzen Zeitraum noch größere Verbesserungen durchzuführen. Für die Industrie sind die Vorgaben ambitioniert genug. Das kostet die Hersteller Milliarden und wird auch künftige Fahrzeugpreise betreffen.
Laut ADAC liegen die Stickoxidwerte derzeit bei 51 von 68 überprüften Dieselautos deutlich über dem dann erlaubten Limit, sobald sie im künftigen Testmodus fahren.
Man könnte es umdrehen und sagen, es ist doch toll, dass von 68 getesten Fahrzeugen 17 schon heute unter den Grenzwerten liegen. Natürlich hat die Industrie die Aufgabe, die Motoren so zu optimieren, dass sie den Tests ab 2017 entsprechen.
Im Zentrum der Kritik steht der Dieselmotor. Ist er ein Auslaufmodell?
Es ist falsch, den Diesel an sich infrage zu stellen. Die Fahrzeugindustrie hat schon in den vergangenen Jahren erfolgreich an der Reduktion der Schadstoffe gearbeitet. Beispielsweise stoßen 100 Neuwagen von heute so viele Emissionen aus wie ein einziger Diesel von 1970. Bei Dieselmotoren ist der CO2-Ausstoß und damit der Verbrauch um ca. 15 Prozent geringer als bei einem Benziner und bei Stickoxiden inzwischen fast auf dem Niveau von Benzinmotoren. Wenn wir die CO2-Emissionssziele bis 2020 erreichen wollen, braucht es neben der Elektromobilität auch einen großen Anteil von Dieselautos. Der Diesel ist in den nächsten Jahren unverzichtbar.
Was bedeutet der Skandal für Volkswagen? Wird VW diesen Gau überleben?
VW wird das überstehen, es gibt auf jeden Fall eine Zukunft für den Konzern.
Wird sich das auf die Marktanteile in Österreich auswirken?
Derzeit spüren wir keine Auswirkungen und auch der Gesamtmarkt ist nicht betroffen, der Dieselanteil geht nicht spürbar zurück. Wir hoffen bei den Neuzulassungen heuer das Niveau des Vorjahres zu erreichen. Etwaige Rückgänge wären auf die flaue Konjunktur und die Steuerreform zurückzuführen.
Glauben Sie, dass der Skandal den Preisdruck verschärfen wird, sprich die Rabatte anheizen wird?
Rabatte sind beim Autokauf inzwischen Normalität. Wir leben in einem stark wettbewerbsintensiven Markt, an dieser Situation wird sich nichts Wesentliches ändern.
Wie bewerten Sie die angekündigten Sammelklagen gegen Volkswagen?
Aus meiner Sicht sind Autos, bei denen im Testverbrauch gemogelt wurde, mit einem Produktmangel ausgeliefert worden. Deshalb muss dem Hersteller oder dem Händler die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben werden. Das erfolgt durch die Rückrufaktionen. Der Kunde hat dann das Auto, so wie er es bestellt hat. Daher ist dem Kunden gar kein Schaden entstanden.
Ist der Schadstoffausstoß eigentlich ein wesentlicher Kaufentscheid?
An erster Stelle steht der Preis, dann kommen Design, Sicherheit und Praktikabilität. Emissionen spielen sicher auch eine Rolle, stehen aber nicht an vorderster Stelle.
Müssen VW-Händler nun um ihre Existenz bangen?
Nein, denn die Rückrufaktionen zahlt der Konzern. Und ich gehe nicht davon aus, dass die Bestellungen zurückgehen werden. Im Moment sind die Händler noch sehr gelassen. VW hat vor dem Skandal keine schlechten Autos gebaut und wird das auch künftig nicht tun.
Ist dieser Skandal ein Imageschaden für die Branche?
Ich will einen möglichen Imageschaden nicht überbewerten. Aber Tatsache ist, dass durch die VW-Abgasmanipulation in den Medien auch allen anderen Herstellern unterstellt wird, genauso zu tricksen bzw. zu schummeln, und das stimmt eben nicht. Dazu kommt, dass in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit eine kritische Diskussion zur Zukunft des Dieselmotors entstanden ist. Die Autohersteller benötigen aber den Diesel, um die ambitionierten CO2-Vorgaben bis 2020 und die Folgejahre erfüllen zu können.
Zur Person: Felix Clary
Der 1948 in Salzburg geborene Felix Clary hat nach dem Jusstudium seine Karriere bei BMW Österreich als Trainee im Vertrieb begonnen. Nach mehreren Stationen wurde er 1980 Assistent des Vorstands. In den 1980er-Jahren wechselte er nach Deutschland (Leiter der Vetriebsregion Nord). 1987 kehrte er nach Wien zurück, wo er 1993 Geschäftsführer von BMW Austria wurde. 2005 bis 2008 war er Leiter der Region Nordic (Skandinavien und Baltikum).
Seit 2012 ist er Sprecher der heimischen Autoimporteure. Clary ist verheiratet (vier Kinder) und begeisterter Sportler.
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