Auto-Kartell auf dem Prüfstand: Was man den Deutschen vorwirft

Nach Bekanntwerden von Absprachen der großen Autobauer ermitteln Behörden und Aufsichtsräte.

Der Dieselskandal mit dem VW-Konzern im Zentrum könnte noch von einer weitaus größeren Affäre übertroffen werden. Wie berichtet, sollen die Marken VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler seit mehr als 20 Jahren geheime und verbotene Absprachen getroffen haben. Ins Rollen gebracht haben dies Schreiben von VW und Daimler an das Bundeskartellamt und an die EU-Wettbewerbsbehörde im Juli des Vorjahres. Bekannt wurde dies aber erst jetzt durch einen Spiegel-Bericht. Ob es sich im rechtlichen Sinne um Selbstanzeigen handelt, ist laut einer Sprecherin des deutschen Wirtschaftsministeriums aber offen. Auch, warum die Sache erst jetzt bekannt wurde.

Noch schweigen sich die betroffenen Konzerne mehr oder weniger aus und vieles liegt im Dunkeln. Was aber bis jetzt bekannt ist:

Die Absprachen

In rund 60 Arbeitskreisen sollen insgesamt mehr als 200 Mitarbeiter laut Handelsblatt regelmäßig Absprachen getroffen haben. Dazu zählen technische Details, aber auch die Auswahl von Lieferanten und vor allem Kostenfaktoren.

Der Dieselskandal

Die immer strengeren Umweltauflagen schweißten die Autobauer zusammen, es galt, an einem Strang zu ziehen. Von Mercedes wurde eine Flüssigkeit namens AdBlue entwickelt, ein Harnstoff-Wasser-Gemisch, das bei Dieselmotoren zum Einsatz kommt. Dieses hilft, den Ausstoß von Stickoxid zu reduzieren.

Das Problem von AdBlue: Bei normalen Tankgrößen müssten Autobesitzer im Durchschnitt rund alle 6000 Kilometer davon nachfüllen. Das galt als unzumutbar, größere Tanks aber zu teuer. Die Folge: VW entwickelte eine Software, die nur dann ausreichend AdBlue beimengte, wenn sich das Auto auf dem Prüfstand befand. So kam das Auto länger mit AdBlue aus, wenn auch bei gleichzeitig höherem Schadstoffausstoß. BMW bestreitet, bei der AdBlue-Malversation beteiligt gewesen zu sein.

Die Rolle von Daimler

Die Stuttgarter sollen sich bereits früher aus den Arbeitskreisen zurückgezogen haben. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, geschah das, nachdem 2011 das Lkw-Kartell aufgeflogen war, das später zu einer Rekordstrafe aus Brüssel führte. Danach sei unter der seit 2011 für Recht und Integrität zuständigen Vorständin und früheren Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt beschlossen worden, sich von Treffen, die sie als besonders problematisch ansah, fernzuhalten.

Das Auffliegen

Laut Handelsblatt gab es im Auftrag des deutschen Bundeskartellamts im Juni 2016 bei Zuliefern und Herstellern Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen beim Stahleinkauf. Dabei wurde aber weiteres brisantes Material gefunden. Daraufhin folgten die Schreiben an die Behörden.

Die Ermittlungen

Neben dem Kartellamt ermittelt federführend die EU-Kommission sowie die Staatsanwaltschaft. Auch die Aufsichtsräte sind alarmiert, die bis dato nichts von den Schreiben bzw. den Ermittlungen wussten. Bei VW wurde für morgen, Mittwoch, eine außerordentliche Sitzung einberufen.Die Folgen Für die deutschen Autobauer steht viel auf dem Spiel. Zum einen ihr (ohnehin schon durch die Dieselaffäre angeschlagener) Ruf, zum anderen drohen Milliardenstrafen. Zudem könnten Autokäufer wegen zu hoher Preise klagen. EU-Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourova spricht als Konsequenz bereits von der Schaffung der Möglichkeit EU-weiter Sammelklagen. Und nicht zuletzt sind die Folgen auch an der Börse spürbar. Die Kurse der deutschen Autokonzerne gaben am Montag weiter deutlich nach.

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