Austro-Drohne steuert in den freien Luftraum
Wenn die "Phoenix" in See sticht, um Schiffbrüchige zu retten, hat sie Hightech aus Österreich mit an Bord. Seit drei Jahren unterstützt der Camcopter S-100 von Schiebel Elektronik die Crew des Rettungsschiffes dabei, in Seenot geratene Bootsflüchtlinge – ohne direkten Sichtkontakt – vor der Küste Libyens aufzuspüren und vor dem Ertrinken zu retten. Schon am frühen Morgen steuern die Schiebel-Mitarbeiter ihre mit Infrarotkameras ausgestattete Hightech-Drohne von der "Phoenix" über das Meer und spähen einen Radius von 200 Kilometern aus. Mit Erfolg. "Knapp 25.000 Flüchtlinge konnten wir bisher mit dem Camcopter aufspüren", erzählt Schiebel-Geschäftsführer Hannes Hecher dem KURIER.
Eigentümer der "Phoenix" ist die private Stiftung "Migrant Offshore Aid Station" (MOAS) des US-Millionärs Christopher Catrambone. Für Schiebel ist die humanitäre Hilfsmission kein Geschäft, es geht vielmehr um die Referenz für Einsätze auf hoher See unter widrigsten Umständen. Der Camcopter könne auch auf engsten Raum an Bord und bei jedem Wind und Wetter starten und landen, erläutert Hecher.
Drohnen-Pionier
Die 1951 in Wien gegründete Elektronikfirma Schiebel spezialisierte sich in den 1980er-Jahren zunächst auf Minensuchgeräte. Vor rund 20 Jahren, als das Wort "Drohne" nur Insidern bekannt war, begann Eigentümer Hans Georg Schiebel mit der Entwicklung eines unbemannten Mini-Helikopters. Zehn Jahre später brachte "Drohnen-Pionier" Schiebel seinen drei Meter langen und 150 Kilogramm leichten Camcopter S-100 erstmals auf den Markt.
Einen heiklen Einsatz haben Schiebel-Drohnen derzeit bei der OSZE-Beobachtermission zur Überwachung des Waffenstillstands-Abkommens in der Ostukraine. Erst Ende Juli wurden zwei S-100 von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen. Wie profil kürzlich berichtete, geriet eine vor Jahren für zivile Zwecke an die Emirate gelieferte Drohne in falsche Hände und wurde von Houthi-Rebellen im Jemen abgeschossen. Man halte sich an alle Exportregeln, jede Ausfuhr müsse zuvor vom Wirtschaftsministerium genehmigt werden, betont der Firmenchef.
Zertifizierung
Hecher sieht das große Geschäft ohnehin im zivilen Bereich, wo derzeit gesetzliche Limits (z. B. Flughöhe, Genehmigungspflicht) die Entwicklung blockieren. Großes Ziel für den Camcopter ist daher der freie Luftraum. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) prüft derzeit die Zulassung für den zivilen Flugverkehr. Der seit zwei Jahren laufende, höchst aufwendige und vor allem kostspielige Zertifizierungsprozess läuft ähnlich wie bei jedem neuen Passagierflugzeug. Eine ganzes Bündel an Sicherheitsanforderungen – etwa Ausweichmanöver bei Zusammentreffen mit bemannten Flugzeugen – muss erfüllt werden. Laut Hecher tobt ein Zulassungs-Wettbewerb zwischen Europa und den USA. Schiebel habe durch die lange Entwicklungszeit einen Startvorsprung und könnte in Europa als erste Heli-Drohne überhaupt zugelassen werden.
Hecher hofft auf einen Abschluss bis spätestens 2018. Mit EASA-Zulassung reicht ein Ansuchen an die Austro Control für die Flugfreigabe und schon kann der Heli abheben.
Laser-Scan
Zivile Einsatzgebiete für die Hightech-Drohnen gibt es genug: Die Überwachung von Pipelines oder Stromleitungen zählt ebenso dazu wie wissenschaftliche Messungen mit Laser-Scannern oder die Überprüfung von Agrarflächen auf Schädlingsbefall. "Wir können acht Stunden in der Luft bleiben und Kameramaterial von 50 Kilo tragen. Unser System könnte ganz Niederösterreich abdecken. Da ergeben sich ganz neue Geschäftsmodelle", meint Hecher.
Schiebel beschäftigt 230 Mitarbeiter, den Großteil davon am Produktionsstandort in Wiener Neustadt. Weitere Niederlassungen sind in Washington, Abu Dhabi und Phnom Penh. Fast 20 Prozent des Umsatzes fließen in die Entwicklung. Wichtigste Absatzmärkte sind die USA sowie der Mittlere und der Nahe Osten. Die Expoertquote beträgt nahezu 100 Prozent.
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