Aus für Schwarzgeld-Konten

Unversteuertes Geld zu verstecken ist für Privatpersonen kaum noch möglich.
Die Fluchthäfen für Privatpersonen werden dicht, sagt Steueroasen-Experte Hans-Lothar Merten.

A bisserl was geht immer": So lautete jahrzehntelang das Credo passionierter Steuerhinterzieher. Aus und vorbei. Die Lage hat sich dramatisch gewandelt, seit die Staaten Jagd auf Steuersünder machen. Europäer haben künftig keine Chance mehr, unversteuertes Geld im Ausland zu verstecken, sagt Hans-Lothar Merten.

KURIER: Sie haben Ihr Steueroasen-Buch bis 2010 "Handbuch für flexible Steuerzahler" genannt. Warum jetzt nicht mehr?

Hans-Lothar Merten: Weil Sie als Steuerzahler noch so flexibel sein können: Sie haben als Privatperson in Europa künftig keine Chance, Schwarzgelder im Ausland zu platzieren. Die Länder und die Banken spielen nicht mehr mit. Kürzlich haben sich in Berlin mehr als 50 Staaten dem automatischen Informationsaustausch von Bankdaten angeschlossen, die Schweiz und Liechtenstein werden folgen. Damit wird das dicht gemacht.

Ist das so? Bisher gingen doch immer neue Schlupflöcher auf.

Na gut, es gibt einzelne Staaten in Asien oder Afrika, aber würden Sie den Bankern dort Ihr Geld anvertrauen? Zudem sind Sie bisher ja nicht hingeflogen, sondern haben das in der Schweiz erledigt: Der Bankberater hat bei der Niederlassung Singapur für Sie ein Konto eröffnet. Aber die Eintrittsgelder sind jetzt bei fünf Millionen Euro und darüber. Und Sie erhalten keine Hilfestellung durch die Auslandsbanken mehr.

Was war denn der Keulenschlag?

Der massive Ankauf von Steuer-CDs hat das ins Rollen gebracht. Wenn bei Credit Suisse Tausende Bankkunden auffliegen und Sie dort ein größeres Vermögen liegen haben, verbringen Sie schlaflose Nächte. Bei LuxLeaks sind kürzlich Zigtausende Daten (Steuervereinbarungen mit Firmen) von einer Wirtschaftsprüfungskanzlei durchgesickert. Ja, da sind Sie doch vor gar nichts mehr sicher!

Österreich kann mit Gruppenanfragen in der Schweiz nach verdächtigen Bankkunden fischen. Seit Juli darf das die deutsche Finanz in Österreich. Müssen die Kunden schon jetzt zittern?

Ja, man muss Bammel haben, weil die Daten rückverfolgt werden. Wenn eine Gruppenanfrage läuft, legen die Banken Daten der letzten zehn Jahre offen. Wenn Ihr Finanzamt Wind bekommt, dass Sie irgendwo im Ausland ein Konto haben, werden Sie sicher gefragt: "Wie lange haben Sie das?" Somit nützt es gar nichts, jetzt die Zelte abzubrechen, das ist rückwirkend jederzeit nachvollziehbar. Der Zug ist abgefahren.

Was tun die Steuersünder in dieser Situation mit ihrem Geld?

Schauen Sie sich die Steuerexklaven Kleinwalsertal und Jungholz an (die Gemeinden gehören zu Österreich, sind aber nur über Deutschland erreichbar). Dort sind die Einlagen rapide gesunken, haben sich fast halbiert in den letzten Jahren. Warum wohl?

Wie lautet Ihre Erklärung?

Das haben die deutschen Kunden cash abgehoben und zurückgenommen. Bisher ging das, in der Schweiz können Sie über 10.000 Euro gar nichts mehr bar abholen.

Wo ist das Geld hingekommen?

Das waren typische Schwarzgeld-Destinationen. Nach Jungholz sind Metzger oder Kleinunternehmer aus dem Allgäu am Freitagnachmittag gefahren und haben die Brieftasche geleert. Die Norddeutschen sind zum Urlauben nach Oberstdorf gekommen und haben im Kleinwalsertal ihr Geld gelassen. Ich schätze, am Höhepunkt waren da 80 Prozent Schwarzgeld, in Jungholz sogar 95 Prozent.

Woher kommen diese Zahlen?

Ich habe ganz gute Kontakte zu den Banken, in der Hochphase lagen dort fünf Milliarden Euro. Heute macht das keinen Sinn mehr. Unter 250.000 Euro nehmen die kein Geld zur Vermögensverwaltung an. Und die Jungen fahren nicht mehr nach Oberstdorf, sondern fliegen zum Golfen nach Marbella.

Was raten Sie Steuersündern?

Der Ausweg ist, das Geld zurückzuholen und sich zu deklarieren. Über kurz oder lang wissen die Finanzbehörden, was draußen liegt. Wir werden gläsern, Sie haben keine Chance. Und die Strafen werden höher, die Möglichkeiten zur strafbefreienden Selbstanzeige eingeschränkt. Wenn ich noch kann, würde ich handeln.

Sind alle Schlupflöcher dicht?

Gut, zwei- oder dreistellige Millionen-Euro-Vermögen könnten Sie über Gesellschaftskonstruktionen auf den Bermudas verstecken. Das kostet aber Geld und Sie brauchen dafür exzellente Berater. Die Banken bieten das nicht mehr aggressiv an, große Wirtschaftskanzleien machen das nach wie vor.

Register sollen künftig die Eigentümer solcher Offshore-Gesellschaften offenlegen. Würde das diese Praxis abstellen?

Das können Sie mit Schachtelgesellschaften umgehen. Wenn dahinter eine Stiftung in Panama sitzt, findet niemand so schnell heraus, wem das gehört.

Wie können sich Schweiz, Liechtenstein & Co. neu aufstellen?

Liechtenstein ist tot, die Banken kriegen kein frisches Geld mehr, denn Vermögende aus Schwellenländern gehen gleich in die Schweiz. Österreichs Privatbanken haben frühzeitig auf Vermögensverwaltung gesetzt, sogar früher als die Schweizer. Und Luxemburg hat den Vorteil der starken Fondsindustrie, die wird immer Geschäfte machen.

Sie lassen Sympathien dafür erkennen, Steuern zu sparen. Sind Sie selbst vom Saulus zum Paulus geworden?

Wenn mehr als 30 Prozent Steuern zu zahlen sind, fangen die Leute einfach an nachzudenken. Ich bin für Wettbewerb. Die Schweizer machen es uns vor: Warum sollten wir nicht auch unterschiedliche Steuersätze in den Bundesländern haben?

Aus für Schwarzgeld-Konten
Hans-Lothar Merten Steueroasen-Buch 2015
Hans-Lothar Merten: 20 Jahre Steueroasen
„Steuerfahnder und Banken zählen zu seinen aufmerksamsten Lesern“, behauptet der Verlag über den Bankkaufmann, Betriebswirt und Publizisten Hans-Lothar Merten. Das allein wird den Erfolg des Standardwerks, das alljährlich aktualisiert wird, aber nicht erklären. So mancher hat sich wohl darin Anregungen geholt – sei es für die Flucht vor dem Fiskus oder den Weg zurück in die Steuerehrlichkeit. Im August veröffentlichte der Deutsche das Buch im bereits 20. Jahrgang: „Steueroasen Ausgabe 2015. Die neue Offshore-Welt“ (Fachverlag Walhalla), Regensburg 2014, 536 Seiten, 39 Euro.

Das Unrechtsbewusstsein ist noch recht jung: Vor der Krise ließen viele Staaten schlitzohrig zu, dass Schwarzgeld vor dem ausländischen Fiskus verborgen blieb – mit speziellen Steuerregeln, anonymen Gesellschaften, lascher Aufsicht oder unter Verweis auf das Bankgeheimnis.

Das hat sich geändert. Zunächst zwangen die Amerikaner Schweizer Banken mit Strafen in Milliardenhöhe, die Steuerflucht von US-Bürgern abzustellen. In Deutschland verbreiteten Steuer-CDs, die an den Fiskus verkauft wurden, Angst und Schrecken. Promis wie Ex-Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel oder Bayern-Zampano Uli Hoeneß sorgten für Schlagzeilen.

Aus für Schwarzgeld-Konten
Völlig neue Spielregeln bringt der Informationsaustausch, zu dem sich 58 Staaten und Territorien ab 2017 und 35 weitere (darunter Österreich) ab 2018 verpflichten. Dann müssen die Banken regelmäßig die Daten ausländischer Kunden an deren Heimatländer liefern.

Österreichische Kontoinhaber in der Schweiz und Liechtenstein mussten 2013 den Offenbarungseid leisten. Wer zuvor noch sein Geld abgezogen hat, dem könnte der Fiskus mit „Gruppenanfragen“ auf die Schliche kommen: Früher gab es Amtshilfe aus dem Ausland nur, wenn ein konkretes Konto verdächtig war. Jetzt reicht dafür eine allgemein gehaltene Anfrage. Seit Juli 2014 gilt das auch für deutsche Finanzbehörden in Österreich. Hans-Lothar Merten vermutet, die erste Gruppenanfrage könnte Nordrhein-Westfalen stellen: „Das Bundesland ist schon bei den Steuer-CD-Käufen vorgeprescht, braucht Geld und hat exzellente Fahnder, die beschäftigt werden müssen.“

Unfaire Steuerdeals

Noch etwas länger dürfte es dauern, bis das legale, aber unfaire Steuerdumping von Großkonzernen abgestellt ist – Stichwort Apple, Amazon & Co. Die Richtung sei aber klar, sagt Merten: „Die Länder werden weiter unterschiedliche Steuersätze haben. Konstruktionen, die nur dazu dienen, Unternehmen anzulocken, wird man aber verbieten.“

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