Wie jetzt bekannt wurde, hat die FSG bei Österreichs zweitgrößtem Eisenbahnunternehmen, der privaten Westbahn, seit wenigen Wochen nichts mehr mitzureden.
Alle vier FSG-Vertreter im sechsköpfigen Betriebsrat sind mit fliegenden Fahnen zur politischen Konkurrenz übergelaufen, zur Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG). Die Sozialdemokraten sind sogar den Vorsitzenden los, auch Robert Reschreiter wechselte auf die ÖVP-nahe Seite. Ein Mehrheitswechsel darf in Eisenbahnerkreisen durchaus als kleine Sensation gesehen werden.
Zum Vergleich. Im Betriebsrat der knapp 42.000 Mitarbeiter großen ÖBB hat die FSG rund 85 Prozent der Mandate, die FCG liegt bei der Staatsbahn nach Grünen und kommunistischem Linksblock auf dem letzten Platz.
Frust sitzt tief
Nicht nur bei den Überläufern sitzt der Frust über die FSG und die vida tief. "Die FSG ist einfach zu ÖBB-lastig und vertritt ausschließlich die Interessen der großen Eisenbahn", begründet Reschreiter den Wechsel zur FCG und kritisiert die "starke Dominanz der FSG und der Ex-ÖBB-ler in der vida".
Betriebsräte und Mitarbeiter der Westbahn werfen der vida vor, regelrechte Kampagnen gegen die vom Industriellen Hans Peter Haselsteiner gegründete ÖBB-Konkurrenz zu führen. Bis hin zum Vorwurf des Lohndumpings auf Plakaten und in Aussendungen. "Seit unserer Gründung 2011 ist die Westbahn der vida ein Dorn im Auge. In der Tat sind unsere Einstiegsgehälter um 300 bis 400 Euro höher als bei den ÖBB. Die Westbahn zahlt darüber hinaus noch ein höheres Bruttogehalt, wenn Lokführer eine gewisse Anzahl an Erfahrungsjahren mitbringen", sagt Triebfahrzeugführer Reschreiter.
Abschiedsmail eines Lokführers
Die Gemüter erhitzten sich dann so richtig am geplanten, Corona-bedingten Abbau von 100 Westbahn-Mitarbeitern. Der Betriebsrat konnte die Zahl der Kündigungen auf 50 hinunter verhandeln, dafür gibt es aber keinen Sozialplan. Nach außen habe die vida die Halbierung der Kündigungen als Erfolg auf ihre Fahnen geheftet, obwohl die Gewerkschaft dazu nichts beigetragen habe.
Ein Abschiedsmail eines Lokführers an die vida bringt die Enttäuschung unter den Mitarbeitern und die aktuelle Stimmungslage auf den Punkt. Wer Eisenbahner sei, "der lebt auch ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl" argumentiert der mittlerweile Ex-Gewerkschafter. In der großen Familie Eisenbahn sollte es keine Rolle spielen, "ob es sich um staatlich finanzierte oder privat finanzierte Eisenbahnunternehmen handelt. Immerhin leben wir in Gemeinschaft draußen im Betriebsdienst jeden einzelnen Tag".
Ein Thema sind auch die Mitgliedsbeiträge, die trotz Kurzarbeit sowohl bei Westbahn als auch bei ÖBB bis dato nicht reduziert wurden.
Die Einkommensverluste beispielsweise bei Lokführern summieren sich wegen der Kurzarbeit auf 500 bis 600 Euro monatlich, rechnet Reschreiter vor. "Warum gilt für die Mitgliedsbeiträge nach wie vor das Grundgehalt vor Corona?". Der KURIER erhielt auf diese Frage von der vida keine Antwort, Vorsitzender Hebenstreit war nicht erreichbar.
Den rund 200 Westbahn-Mitarbeitern stößt auch auf, "dass der Kollektivvertrag für die Privatbahnen ausschließlich von FSG-Leuten verhandelt wird" (Reschreiter).
Keine Kenntnis
Fraktionelle Zugehörigkeiten hätten bei KV-Verhandlungen "noch nie eine Rolle gespielt", kontert Günter Blumthaler, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft. Kollektivvertragsverhandlungen seien überparteilich und würden nicht fraktionell besetzt.
Die Arbeitnehmervertretungen der Privatbahnen seien in die Eisenbahngremien der vida "selbstverständlich eingebunden". Auch vom Betriebsrat der Westbahn vorgeschlagene Verbesserungen seien in die KV-Verhandlungen eingeflossen und umgesetzt worden.
Bei der WestBahn und beim WestTeam habe vida 2020 die Zahl der Mitglieder verdoppeln können, erklärt Blumthaler. Der Ärger der Westbahn-Belegschaft scheint sich noch nicht bis in die oberen vida-Gremien durchgesprochen zu haben. Auch über den Farbenwechsel des Betriebsrates weiß man bei vida nichts, zumindest offiziell nicht.
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