Aufsichtsräte in Österreich fühlen sich unterbezahlt

Aufsichtsräte in Österreich fühlen sich unterbezahlt
Belastung stieg stärker als Vergütung, Gagen im Ausland höher - AR-Befragung: Skepsis zu gesetzlicher Frauenquote - Brexit, Trump als größte Risiken gesehen

Aufsichtsräte werden oft unter ihrem Wert geschlagen, ihr Arbeitsaufwand und ihre Verantwortung unterschätzt. Bis zu 30 Sitzungen im Jahr können es samt Ausschüssen schon sein, laut WU-Professor Werner Hoffmann "eine teils erhebliche Belastung". Die Bezahlung dafür ist bei uns deutlich niedriger als im Ausland, obwohl der Aufwand in den letzten zehn Jahren stärker stieg als die Vergütung, so Hoffmann.

Auch die Mehrheit von über 100 befragten Aufsichtsräten börsennotierter und nicht-börsennotierter Unternehmen hält die Höhe der AR-Vergütungen für zu niedrig, konkret 55 Prozent. Nur ein Viertel (26 Prozent) sieht sie als "angemessen" an, ergab eine Online-Befragung im Frühjahr für den am Freitag vorgestellten "3. Österreichischen Aufsichtsrats-Monitor" der B&C Industrieholding, die Mehrheiten an den börsenotierten Konzernen Lenzing, Semperit und Amag hält.

Eine Kopplung der AR-Vergütung an den Unternehmenserfolg wollen 50 Prozent der befragten Räte nicht - und das sieht auch Hoffmann so, der Vorstand des Instituts für Strategisches Management an der Wirtschaftsuni Wien ist. Vor allem sollte es keine Koppelung an den jeweils vorjährigen Gewinnerfolg geben - wenn überhaupt, dann schon eine Verknüpfung mit der längerfristigen Kapitalmarkt-Performance. Auch hält es Hoffmann für logisch und lehrbuchkonform, dass Kontrollgremium und Vorstand nicht gleichgeschaltet sein sollten bei der Bezüge-Frage. Denn im Vorjahr hätten zwei Drittel der befragten Vorstände durchaus eine Koppelung ihrer Gagen an den Unternehmenserfolg begrüßt.

Risiko bei der Kontrolle des Risikos?

Für ein gesundes Wechselverhältnis bzw. ein gegenseitiges Austarieren plädiert der WU-Professor auch zur Frage, wie hoch die Risikoaffinität von Vorstand und Aufsichtsrat sein soll. Auch bei den Kontrolloren sollte "ein angemessener Risikoappetit da sein und der Aufsichtsrat nicht zu sehr bremsen, also nicht zu risikoavers sein", wünscht sich der Experte. Letztlich hänge das richtige Maß aber voneinander ab, also vom Wechselspiel zwischen Vorstand und AR. Die Aufsichtsräte selbst sehen in der Risiko-Limitierung ihre wichtigste Funktion. 83 Prozent erklärten, Aufsichtsräte würden einen "wesentlichen Beitrag zur Risikobegrenzung" leisten, 68 Prozent "zum wirtschaftlichen Erfolg" des Unternehmens.

Verbessert werden könnte das Verständnis von Aufsichtsräten für das Geschäftsmodell "ihres" Unternehmens durch ein strukturiertes "Onboarding" für neue Räte durch den Vorstand - das wäre "sehr wichtig" und "passiert in der Praxis noch zu wenig", wie Hoffmann am Freitag vor Journalisten meinte. Dabei denkt er auch an einen schrittweisen "Einstieg" neuer Räte ins Kontrollgremium, als Beispiel nannte er eine längere Kooptierung, ehe jemand als Vollmitglied einzieht.

Zu wenig Frauen, zu viel Quote?

53 Prozent der Kontrollore erklärten, es gebe zu wenige Frauen in den Aufsichtsräten - noch ehe der heimische Gesetzgeber jetzt einen mindestens 30-prozentigen Frauenanteil für diese Gremien bei börsennotierten Firmen sowie Betrieben mit über 1.000 Beschäftigten vorgeschrieben hat. Eine gesetzliche Frauenquote ist für die jetzigen Räte nicht das Mittel der Wahl, zeigte die Befragung: Da erklärten 78 Prozent, sie hielten karrierefördernde Maßnahmen für besser, damit Frauen in Führungspositionen gelangen. Und 49 Prozent meinten, die Frauenquote schade dem Image von Frauen in Führungspositionen. 18 Prozent meinten sogar, das Gesetz könne zu einem Börsenrückzug von Unternehmen führen. 93 Prozent erklärten, für die Wahl zum AR sollte ausschließlich die Qualifikation ausschlaggebend sein. Für Hoffmann sollte die Diversitätsfrage ohnedies nicht aufs Geschlecht reduziert werden, es gehe auch um Kompetenz und regionale Herkunft.

Bei der AR-Befragung springt Patrick Prügger, dem Geschäftsführer der B&C Industrieholding, der Optimismus der Räte zur wirtschaftlichen Lage in Österreich ins Auge, die zu 61 Prozent positiv eingeschätzt wurde - zu Europa jedoch nur zu 42 Prozent, weltweit zu 38 Prozent. Dabei sei der Optimismus bei börsennotierten Unternehmen deutlich geringer als bei nicht-börsennotierten, was die allgemeine Wirtschaftslage betrifft. Umgekehrt sehen die Befragten durch die politische und wirtschaftliche Stimmung in Österreich positive Effekte auf Investitionen eher im Ausland als im Inland.

Brexit und Trump als Probleme

Eine deutliche negative Mehrheit von 62 Prozent gibt es zur Frage von möglichen Auswirkungen des Brexit auf die Wirtschaft in Österreich, wobei Räte in Börsennotierten eine noch signifikant negativere Sicht hätten, so Prügger. Für Hoffmann ist dies eventuell auch Ausdruck von mehr Außenhandelsverflochtenheit und höheren Auslandsinvestments von börsennotierten Unternehmen. Auch die "Wirtschaftspolitik unter Donald Trump" wird zu 62 Prozent deutlich negativ gesehen. Freihandelsabkommen a la Ceta wird dagegen von 57 Prozent eine potenziell positive Auswirkung zugemessen.

Der Bogen der Themen, die für Aufsichtsräte im Zentrum stehen, hat sich seit vorigem Jahr gewandelt, wie Prügger sagte. Dominierte 2016 als Top-Thema eine steigende steuerliche Belastung, kam dieser Punkt heuer gar nicht vor. Ganz vorn lag jetzt (als "sehr relevant" oder "eher relevant") das "Investitionserfordernis in neue Technologie" (für 87 Prozent), gefolgt von "Strategieevaluierung, -anpassung" (83 Prozent) sowie "Cybersecurity/Schutz vor Hackerangriffen" (77 Prozent). Bei einer anderen Fragestellung wiesen immerhin 31 Prozent der Befragten dem Thema Cybersecurity ein "sehr" oder "eher" großes Risikopotenzial zu, noch vor "disruptiven Veränderungen des Geschäftsmodells" oder "Wechselkursschwankungen".

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