Aufreger Greta: Kapsch-Interview im KURIER schlägt Wellen

Analyse: Warum Aussagen über "PR-Story" Thunberg und Klimademos, die den Verkehr lahmlegen, die Twitter-Wogen hochgehen ließen.

"Home!" Was will uns Greta Thunberg sagen? Vielleicht einfach, dass sie daheim ist. Ein entspanntes Foto mit zwei Hunden vor der Kulisse von Stockholm. Was eine 16-Jährige eben so ihren Lieben schicken würde, um zu signalisieren: Ich bin gut zuhause angekommen.

Aber mit normalen Maßstäben ist die junge schwedische Aktivistin nicht zu fassen. In Greta Thunbergs Welt sind ihre Lieben die Follower, Fans und Bewunderer auf der ganzen Welt.

Das Mädchen-mit-Hunden-Foto sammelte innerhalb von zwei Stunden mehr als 122.000 Herzchen (Gefällt mir) ein, wurde 4.600-mal weiterverbreitet und sage und schreibe 2.400-mal kommentiert. Wer will und nichts besseres zu tun hat, der kann dem Twitter-Ticker beim Vertausendfachen zusehen. Und sich wundern.

Oder er kann sich darüber wundern, wie viel Missgunst und offene Verachtung der jungen Klima-Aktivistin entgegen schlägt. Denn Greta hat unterwegs eine Debatte über ihre eigene Bahnfahrt einge- und überholt, die an Absurdität kaum zu überbieten ist.

In der Hauptrolle: die Deutsche Bahn (DB). Die reagierte in ihrem Antwort-Tweet nicht nur bemerkenswert unsouverän, untergriffig und beleidigt. Sondern sie brachte überdies auch noch einen Erste-Klasse-Sitzplatz für Greta ins Spiel.

Wie, Privilegien? Erachtet die DB etwa selbst ein Erster-Klasse-Bahn-Ticket als anstößig? Wenn nicht, welchen Sinn hätte sonst die Erwähnung gehabt?

Was natürlich umgehend den Verdacht befeuerte, es habe sich bei Gretas Foto um eine PR-Inszenierung gehandelt. AfD-Politiker griffen das natürlich sofort dankbar auf, um Thunberg der Lüge zu zeihen. Nach der recht verqueren Logik: Wer ein Bahnfoto stellt, der muss auch den Klimawandel erfunden haben.

Wie sich herausstellen sollte, war es freilich die Deutsche Bahn, die alternative Fakten verbreitet hatte. Ein ausgefallener Zug war schuld, dass Thunberg und Team zumindest einen Teil der Fahrt auf dem Boden verbracht haben, wie Mitreisende bestätigen.

Allein diese Diskussionen sind natürlich müßig und absurd. Aber immerhin zeigt die daraus erwachsene Debatte eines.

Um die Sache oder gar um Inhalte geht es überhaupt nicht mehr. Thunberg ist zur Projektionsfläche für ihre Anhänger und Hasser gleichermaßen geworden, wo jede noch so triviale Äußerung sofort als Statement empfunden wird, das bewertet und hinterfragt werden muss. In diesem Fall hieß der Vorwurf: Das Foto des am Bahn-Gang sitzenden Mädels sei inszeniert.

Die Wahrnehmung, Greta Thunberg sei ein PR-Phänomen - oder zumindest zu einem solchen geworden - hat auch Kari Kapsch im jüngsten KURIER-Interview geäußert. Und damit umgehend die Twitter-Aufregungsmaschinerie in Gang gesetzt.

Ohne den Kontext zu berücksichtigen wird dabei ein Satz herausgepickt. Fazit: Kritik an der Aktivistin zählt offenbar als Lästerung und wiegt für ihre Anhänger in der Twitter-Gemeinde schwerer als ein positives Bekenntnis zum Klimaschutz an sich.

Das vollständige Kapsch-Zitat im KURIER-Interview lautet nämlich: "Greta Thunberg ist für mich eine PR-Story. Aber die Sache selbst ist in Ordnung. Das hat wieder ein paar Dinge in Bewegung gesetzt."

Kapsch stellt im Interview somit die Maßnahmen der Klimaschutz-Bewegung in Frage, nicht deren Ziel an sich. Er kritisiert in der Folge, wenn Demonstrationen den Verkehr in den Städten lahmlegen.

Hauptsache: Aufregen!

Gemeint ist: Die klimaschädlichen Emissionen durch Staus sind natürlich größer, als wenn der Verkehr in der Stadt fließt. Das ist einem Verkehrstelematik-Experten natürlich bewusst, so war die Aussage auch gemeint, dass die Art und Weise, wie die Demos abgehalten werden, nicht zur Zielsetzung passt, CO2 zu reduzieren.

Viele der Twitter-Kommentatoren verstehen die Passage aber (irrtümlich oder bewusst?) ganz anders; nämlich so, als störe sich Kapsch an der Verkehrsbehinderung und an den Demos an sich.

Niemandem scheint aufzufallen, dass die reflexhafte Twitter-Aufregung damit eigentlich genau seine Aussage bestätigt: "Greta Thunberg ist eine PR-Story". Sie wird dazu gemacht, von beiden Seiten gleichermaßen, ihren Anhängern und Hassern.

Inkompetenz auf allen Ebenen

Sonst wäre auch der Deutschen Bahn aufgefallen, dass sie eigentlich in ihrer prominenten Kundin Greta Thunberg das perfekte werbliche Aushängeschild gefunden hätte. Und selbst überfüllte Züge ließen sich noch irgendwie zur Erfolgsstory umdeuten (ausgefallene Züge sind freilich ein anderes Thema). Inkompetenz, auf allen Ebenen.

Wem es doch eher um die Inhalte geht oder gar interessiert, warum Kapsch eine komplette Energiewende in Österreich in den nächsten zehn Jahren technisch für machbar hält und was dafür nötig wäre, dem sei das KURIER- und SchauTV-Interview ans Herz gelegt.

Warum eigentlich, Kari Kapsch

Einige der konstruktiveren Twitter-Einträge zur Greta-Debatte:

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