Auf und Ab an den Börsen zu Wochenschluss

Zinsängste drückten die Kurse zunächst nach unten, ehe der Beschluss zu einem US-Budget wieder Auftrieb gab.

Als im Frühjahr 2009 die Wirtschaftskrise tobte, starteten die Aktienkurse an den globalen Börsen zu einem sagenhaften Rekordlauf. Bis Ende Jänner des heurigen Jahres ging es mehr oder weniger stetig bergauf. Doch auch wenn es im Rückblick kaum Perioden gibt, die länger positiv waren: "An Altersschwäche werden die Bullen nicht eingehen", sagt Adam Lessing, Experte beim Fondsriesen Fidelity International. Mit Bullen sind jene Börsentiere gemeint, die die Kurse mit ihren Hörnern nach oben stoßen. Auch wenn sie noch kräftig genug sein sollten, könnte ihnen doch etwas ganz anderes die Lust verderben.

"Gute Nachrichten sind jetzt zu schlechten geworden", fasst Lessing zusammen. Noch vor kurzem hätten Meldungen über ein stärkeres Wirtschaftswachstum die Aktienmärkte beflügelt. Jetzt überwiegt die Sorge, die Notenbanken könnten die Zinsen zu stark erhöhen und den Konjunkturmotor abwürgen.

Angesichts dieses Wechselbads der Gefühle geht man bei Fidelity davon aus, dass die Investoren zwar nicht groß aus Aktien aussteigen, aber doch umschichten werden. Und zwar in Richtung sogenannter Qualitätsaktien (Value-Aktien genannt). Das sind Werte von Konzernen, die wenig verschuldet sind und ihre Märkte dominieren. Damit hätten sie die Kraft, steigende Inflation in Form höherer Preise weiterzugeben. Diese Umschichtungen würden erst recht zu heftigen Kursschwankungen (Volatilitäten) führen. "Auch wenn Sie finden, dass letzte Woche volatil war: jetzt geht es erst richtig los", so der Fidelity-Experte.

Hoher Seegang

Wie die Kurswellen ausschlagen, war auch am Freitag wieder zu sehen, wenn auch in etwas weniger beunruhigenden Form. Nachdem die US-Börsen am Donnerstag kräftig verloren hatten, gaben auch die asiatischen Märkte deutlich nach. In Europa schafften es einige Indizes nach einem guten Start an der Wall Street zeitweise in den Plusbereich. Als im Verlauf die US-Börsen aber wieder ins Minus drehten, endete der Handelstag in Europa erneut im Minus. In den Abendstunden wendete sich das Blatt in New York zwar schlussendlich zum Positiven. Das kam aber für Europa zu spät.

Für Erleichterung sorgte, dass es endlich in den USA für die nächsten zwei Jahre einen neuen Haushalt gibt. Nach einer dramatischen Nachtsitzung bis fast zum Morgengrauen und einem Mini-Shutdown setzte nun US-Präsident Donald Trump seine Unterschrift unter das im Kongress verabschiedete Haushaltsgesetz.
Die Nervosität an den Märkten bleibt aber weiter hoch. So hat der Dow Jones nach den erratischen Kursschwankungen von Freitag zwar fest geschlossen, auf Wochensicht bleibt aber immer noch ein Minus von fünf Prozent. Damit haben sich die US-Börsen weiter von den im Jänner erreichten Allzeithochs entfernt.

Einige Kommentatoren sprachen diese Woche von einem Börsen-Crash. Nun, das ist wohl maßlos übertrieben, denn der amerikanische Aktienmarkt hatte an einem Tag 4,5 Prozent verloren. Drei Tage später waren es 4 Prozent. Eine Hinrichtung für Aktionäre sieht anders aus, da gab es in der Vergangenheit schon genug Beispiele mit Einbrüchen von weit mehr als 10 Prozent. Aber ein Schuss vor den Bug der Übermütigkeit war es allemal. Und aus heiterem Himmel kam der Blitz auch nicht.

Starker Jänner

Was war geschehen? Einem übernatürlich starken Jänner mit stetig neuen Höchstkursen an der Wall Street war die Ernüchterung gefolgt. Mit dem Arbeitsmarktreport für Jänner wurde allen Wirtschaftsinteressierten klar: Die USA haben einen leer gefegten Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung und daher steigender Lohnentwicklung. Da Janet Yellen bei ihrer letzten Pressekonferenz am 31. Jänner die Möglichkeit höhere Preisanstiege angesprochen hat, haben die meisten Anleger daraus geschlossen, dass die US-Notenbank heuer vier statt drei Zinsanhebungen im heurigen Jahr durchführen wird.

Diese Befürchtung hatte sich am Anleihenmarkt schon seit Dezember bemerkbar gemacht. Dort stiegen die Renditen innerhalb weniger Wochen von 2,3 auf knapp unter 3 Prozent bei 10-jährigen US-Staatsanleihen. Dies schlug sich in markanten Kursverlusten bei Anleihen langer Laufzeiten von über 6 Prozentpunkten nieder. Bei bloß 2 Prozent jährlichem Zinseinkommen fürwahr ein kleiner Renten-Crash.

Am Aktienmarkt wurde diese Entwicklung am Rentenmarkt lange Zeit nicht wahrgenommen, weil der Beschluss der US-Steuerreform im Dezember für wahre Freudensprünge unter den Aktienanlegern führte. Doch das Anstreifen der 3-Prozent-Marke bei den US-Staatsanleihen hat die Aufmerksamkeit plötzlich auf die Zins- und Inflationsgefahren gelegt.

Spielverderber

In Europa hat die Korrekturphase bei Aktien schon einige Tage zuvor eingesetzt. Doch hier war der starke Euro Spielverderber. Im Hintergrund war aber auch der Rentenmarkt dafür zuständig. Auch bei uns zogen die langfristigen Renditen kräftig nach oben. Denn auch in der Eurozone könnte der Preisauftrieb 2018 die Erwartungen der Anleger und der EZB übertreffen. Die starken Lohnsteigerungen bei den deutschen Metallern von 4,3 Prozent sind ein Indiz, dass die Lohnzurückhaltung vorbei ist. Spätestens 2019 liest sich das auch in höheren Preisen. Aber die EZB betont, nicht vor dem 1. Halbjahr 2019 ihre Zinsen ändern zu wollen.
Der Schlüssel zur weiteren Aktienentwicklung liegt am Rentenmarkt. Bleibt der Renditeanstieg moderat und die Konjunktur läuft auf Hochtouren bis ins nächste Jahr, dann haben Aktienanleger noch ertragreiche Monate vor sich. Das sollten sich die Aktien-scheuen Österreicher gründlich überlegen. Die Schwankungsanfälligkeit hat jedoch zugenommen. Eine Einbahnstraße nach oben, wie seit dem Brexit-Votum, sind Aktien seit der jüngsten Korrektur nicht mehr.


Peter Brezinschek ist Leiter von Raiffeisen Research, der Volkswirtschafts- und Finanzmarktabteilung der Raiffeisen Bankengruppe in Österreich und CEE. Er kommentiert seit Jahrzehnten das Geschehen in Wirtschaft und Kapitalmärkten.

Kommentare