Audi-Chef: "Vom Erfolg profitiert jeder Audianer"
Audi-Chef Rupert Stadler spricht im KURIER-Interview über den Kauf der Motorradherstellers Ducati, den Einzug von Ursula Piëch in den VW-Aufsichtsrat und hohe Bonuszahlungen.
KURIER: Audi ist mit dem Kauf der Kultmarke Ducati ab sofort auch zweirädrig unterwegs. Böse Zungen behaupten, das sei ein Geburtstagsgeschenk für VW-Patriarch Ferdinand Piëch. Macht der Erwerb wirklich Sinn?
Rupert Stadler: Das war weder ein Geburtstagsgeschenk noch in irgendeiner Form von anderen vorgegeben. Ducati ist ein technisch interessantes Unternehmen, das ähnlich erfolgreich und profitabel wie Audi ist. Soweit die wirtschaftliche Seite. Ich will aber nicht verschweigen, dass es da auch eine emotionale Dimension gibt: Ducati ist das schönste und edelste Motorradunternehmen der Welt und eine hochattraktive Verbindung zur sportlichen Marke Audi. Wir haben schon seit 2006 lose Kontakte mit dem Investor von Ducati. Nur waren damals 100 Prozent der Anteile nicht zu haben. Und wir haben immer gesagt, entweder alles oder nichts. Und jetzt war Verkaufsbereitschaft gegeben und wir haben Nägel mit Köpfen gemacht.
Wie sind die Erwartungen bei Audi für das Jahr 2012?
Wir sind mit einem Zuwachs von rund elf Prozent auf 346.000 Auslieferungen sehr erfolgreich ins erste Quartal gestürmt. Auch der Umsatz hat überproportional zugelegt. Ob der Trend das ganze Jahr anhält, hängt insbesondere von der Konjunkturentwicklung in Europa ab. Dennoch bewegen wir uns hier auf Vorjahresniveau trotz eines rückläufigen Gesamtmarktes. Das ist eine sehr respektable Leistung. Unser Ziel ist es, besser zu sein als die Entwicklung des Gesamtmarktes. Und das können wir schaffen.
Ist der US-Automarkt wieder auf Schiene?
Davon bin ich absolut überzeugt. Denn wenn man sich die Größe des Landes und den fehlenden öffentlichen Nahverkehr ansieht, dann weiß man, dass die Menschen das Auto dort zur Mobilität dringend brauchen. Die USA werden wieder auf 15 bis 16 Millionen Neuwagen im Jahr zurückkehren. Wir sehen dort enorme Wachstumschancen. Die Marke Audi steht so gut da wie noch nie. Daher haben wir uns vor kurzem für ein Werk in Nordamerika, respektive Mexiko, entschieden. In Europa und China sind wir schon die Premiummarke Nummer Eins. In den USA wollen wir kräftig aufholen, um auch weltweit Nummer Eins zu werden.
Wieso entsteht das Werk nicht wie jenes von VW in Tennessee in den USA selbst?
Weil unser Geschäftsmodell anders ausgerichtet ist. Der VW-Standort Chattanooga produziert den Passat nur für den US-Markt. Wir wollen in Mexiko den Q5 für den Weltmarkt produzieren. Dafür ist Mexiko der bessere Standort. Uns hilft sehr, dass die fertigen Autos von Mexiko aus in die EU, nach Süd- und Nordamerika ohne Zölle exportiert werden können. Von einem US-Standort fallen zum Beispiel bei einem Export nach Europa zehn Prozent Zoll an.
In China bremsen sich die Absätze auf hohem Niveau ein. Ist das Limit erreicht?
Der Gesamtmarkt verlangsamt sein Wachstum etwas, wir reden aber noch immer von sieben bis acht Prozent. Der Premiummarkt dagegen wächst deutlich schneller. Das haben wir im ersten Quartal mit rund 40 Prozent plus eindrucksvoll bewiesen. Und dann kommt dazu, dass wir in vielen Millionen-Städten noch gar nicht vertreten sind.
Die Ehefrau von Ferdinand Piëch, Ursula, wurde vor kurzem in den VW-Aufsichtsrat gewählt. Ist die Kritik daran gerechtfertigt?
Das finde ich nicht. Frau Piëch hat an der Seite ihres Ehemanns sehr viel Erfahrung im Autobereich gesammelt, hat alle wichtigen Weichenstellungen im VW-Konzern miterlebt und ist eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit. Und das hat die überwältigende Mehrheit der VW-Aktionäre überzeugt, sie in den Aufsichtsrat zu wählen. Wir haben dadurch langfristig Stabilität in diesem Gremium und müssen nicht den Absprung eines Großaktionärs, wie es jetzt bei einem direkten Mitbewerber (Daimler, Anm,.) droht, fürchten.
Sind die Gagen für VW-Manager zu hoch? Alleine bei Audi stiegen sie im Vorjahr für sieben Vorstände von 10 auf 14 Millionen Euro.
Es ist sehr schwierig, die Gerechtigkeitsfrage zu beantworten. Wichtig ist, dass die Gehälter strikt an den Unternehmenserfolg orientiert sind. Wir haben das mit Abstand erfolgreichste Jahr unserer Geschichte hinter uns und deshalb sind auch die erfolgsabhängigen Bestandteile der Bezahlung gestiegen. Das ist logisch und konsequent. Ich glaube, es ist den Aktionären vor allem wichtig, dass die Unternehmensführung nachweislich und nachhaltig einen Top-Job macht. Vom Erfolg profitieren schließlich alle, nicht nur Manager, sondern jeder einzelne Audianer: Unsere Erfolgsbeteiligung lag durchschnittlich bei 8251 Euro pro Mitarbeiter – und damit so hoch wie nie.
Wie werden sich die steigenden Treibstoffpreise auf die Absatzzahlen auswirken?
Faktisch sind genügend Ölreserven vorhanden, aber Preise werden nicht durch Fakten, sondern durch Spekulation dominiert. Autofahren wird etwas teurer, dennoch wird der Kunde nicht auf seine individuelle Mobilität verzichten müssen. Der Trend zum Diesel hält in Europa weiter an, weil er für das europäische Fahrprofil die beste Verbrauchs-Alternative ist. Wir sehen auch, dass kleinere Autos lieber gekauft werden. Viele schätzen einen Vierzylinder so wie einen Sechszylinder. Obendrein sind sie mit der Besteuerung etwas besser dran. Wir haben natürlich unser Portfolio ausgeweitet, die Kunden können nun statt einem A4 einen A3 oder statt einem A3 einen A1 wählen.
Ist die Gefahr einer höheren Besteuerung des Diesels gebannt?
Es wird immer wieder jemand mit einer neuen Idee um die Ecke kommen. Es muss jedem bewusst sein, dass Mobilität ein Fundament für Lebensqualität ist und Wirtschaftskraft sicherstellt. Je teurer wir Mobilität machen, desto mehr engen wir auch Spielräume ein und Wachstumschancen ein.
Von einigen Mobilitätsexperten werden SUVs als Bösewichte der Straße dargestellt. Teilen Sie die Bedenken?
Absolut nicht. Der Q3 etwa hat einen Verbrauch von nur etwas mehr als fünf Litern. Die nächsten technischen Sprünge, zum Beispiel der Plug-in-Hybrid, den wir mittelfristig auch bei den SUV einsetzen werden, machen unsere Autos noch sparsamer. 50 Kilometer elektrisch zu fahren wird mit einem Plug-in-Hybrid möglich sein. Dann sind wir bei einem CO2-Ausstoß von 50 bis 60 Gramm und einem Verbrauch von zwei bis drei Litern. Aber auch der Kunde kann mit seinem Verhalten einen Beitrag leisten. Man kann das Gaspedal streicheln oder massiv fordern und das ergibt einen Unterschied von 30 Prozent und mehr.
Wie sehen die Trends in der Motorenentwicklung aus?
Der Verbrennungsmotor wird uns noch sehr lange begleiten. Deshalb arbeiten wir daran, ihn noch sparsamer zu machen. Im Kernbereich diskutieren wir über eine neue Qualität im Downsizing, in der aber die emotionale Komponente stimmen wird: Fahrspaß und Sparspaß in einem. Die gerade von uns eingeführte Zylinderabschaltung eröffnet noch Sparpotenziale. Hier sind wir mit der Stilllegung der Kolben bei der Abschaltung wieder einmal in einer Vorreiterrolle bei der Motorentechnologie. Der zweite große Trend ist das Elektroauto und die Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor, der Plug-in-Hybrid, bei denen Leistungselektronik und Thermomanagement eine entscheidende Rolle spielen werden. Wer dies beherrscht, hat die Chance, die Reichweite um 20 Prozent zu erhöhen.
Nächstes Jahr will ihr Mitbewerber BMW mit zwei E-Autos an den Start gehen. Wie weit ist hier Audi?
Audi ist sehr gut aufgestellt. Wir haben drei Voll-Hybride im Serienangebot, Q5, A6 und A8. Bis Jahresende kommen wir mit dem R8 e-tron, ein vollelektrischer Sportwagen in Kleinserie. Zudem sind wir mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen in der Flottenerprobung, etwa mit dem A3 als reines Elektroauto oder dem A1, der mit einem Range-Extender ausgestattet ist. Derzeit sammeln wir Kundenfeedbacks. Bis 2020 könnte der Anteil von Elektroautos, abhängig von den Rahmenbedingungen, am Gesamtmarkt bei drei bis fünf Prozent liegen. Ob das so kommt, hängt wesentlich von der Leistungsfähigkeit und den Kosten der Batterien ab. Aber auch die Infrastruktur für solche Autos muss stimmen. An dieser Erkenntnis kommt keiner in unserer Branche vorbei.
Audi in den USA noch deutlich hinter den Rivalen
Während der europäische Automarkt gesättigt ist, ist in den USA wieder Wachstum angesagt. Für Audi-Chef Stadler ist das der Schlüssel auf dem Weg zur Nummer eins im Premiumsegment. Im Vorjahr steigerte die VW-Tochter ihren US-Absatz um knapp 16 Prozent auf 117.000 Einheiten. Die neue Nummer eins der Oberklasse in den USA ist BMW mit 247.900 verkauften Autos. Mercedes kam auf 245.230 Pkw (jeweils plus 13 Prozent). Auf dem dritten Platz landet die Toyota-Marke Lexus mit 198.550 verkauften Autos.
Im ersten Quartal dieses Jahres änderte sich kaum etwas, alle drei deutschen Marken legten in den USA um 16 bis 17 Prozent zu. Weltweit betrachtet liegt Audi bei den Verkaufszahlen nur rund 10.000 Stück hinter BMW (356.500) und vor Mercedes (313.000). Audi ist die Cashcow im VW-Konzern. Mit 1,4 Milliarden Euro liefern die Ingolstädter fast die Hälfte des operativen Gewinns von Volkswagen.
Dennoch scheinen VW-Chef Martin Winterkorn und VW-Patriarch Ferdinand Piëch mit der Tochter nicht gänzlich zufrieden zu sein. Wie das Branchenmagazin Auto Motor Sport berichtet, sollen Vertriebschef Peter Schwarzenbauer und Entwicklungschef Michael Dick in Kürze aus dem Vorstand ausscheiden. Ihre Nachfolger sollen künftige Modelle noch stärker gegen BMW positionieren. VW wollte den Bericht nicht kommentieren, allerdings auch nicht dementieren.
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