Attac-Gründer: "Besitzen ist keine Leistung"

Christian Felber
Attac-Österreich-Gründer Christian Felber über sinnloses Profitstreben und sinnvolle Produktion.

Eine Wirtschaft, die den Menschen und der Umwelt nützt, ist für Christian Felber, Mitbegründer der Anti-Globalisierungsorganisation Attac in Österreich, keine Utopie. Im Gespräch mit dem KURIER erläutert er, wie er sich die Umstellung von einer profitorientierten Wirtschaft auf ein System, das das Gemeinwohl als Ziel hat, vorstellt.

KURIER: Herr Felber, was stört Sie am meisten an unserem System der Marktwirtschaft?

Es ist die Zielsetzung, die primär am Geld gemessen wird – bei Unternehmen am Finanzgewinn und bei der Volkswirtschaft am Bruttoinlandsprodukt.

Was ist so schlecht, wenn Unternehmen Gewinne schreiben?

Grundsätzlich nichts. Ohne Gewinn ist ein Unternehmen in der Marktwirtschaft tot. Aber: Der Finanzgewinn soll nicht oberstes Ziel des Wirtschaftens sein, er ist nur eine unverzichtbare Nebenbedingung. Gewinnmaximierung allein ist ein Fehler. Geld, Gewinn und Kapital sind Mittel des Wirtschaftens, aber nicht der Zweck.

Was sollte also das vorrangige Ziel der Unternehmen sein?

Attac-Gründer: "Besitzen ist keine Leistung"
Der Nutzen für die Menschen, die Mitarbeiter und die Umwelt. Wirtschaften sollte das Gemeinwohl steigern und nicht auf Kosten von Mensch und Natur gehen. Das steht in vielen Verfassungen. In der bayerischen Verfassung heißt es wörtlich: Die wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl. In der österreichischen Verfassung steht das nicht. Die gehört allerdings bald erneuert.

Was soll man sich denn unter Gemeinwohl vorstellen?

Das steht nicht a priori im Detail fest. Die Definition sollte das Ergebnis einer demokratischen Diskussion sein. Die Basis dabei muss Wahrung der Menschenwürde, Nachhaltigkeit und Demokratie sein. Im Grunde ist die Idee des Gemeinwohls eine liberale Idee. Sie steht für gleiche Rechte, Chancen und Freiheit der Menschen.

In der Praxis: Was soll ein Unternehmen tun, damit es im Sinne des Gemeinwohls wirtschaftet?

Es beginnt mit der Erstellung einer Gemeinwohlbilanz. Wir haben dafür 17 Kriterien erarbeitet – von der Erzeugung sinnvoller Produkte über Vertrauen schaffen zu Mitarbeitern und Kunden bis zu fairen Beziehungen zu Lieferanten. Mehr als 1300 Unternehmen auf allen Kontinenten, 300 davon aus Österreich, machen dies übrigens schon, etwa die Firma Sonnentor oder die Raiffeisenbank Lech am Arlberg.

Attac-Gründer: "Besitzen ist keine Leistung"
Glauben Sie, dass diese Bilanz tatsächlich etwas verändert?

Die Auswirkungen kommen schleichend über die Jahre. Einiges kann sofort sichtbar sein. Beispiel: eine bio-fair-regionale Speisekarte.

Nun stehen die Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Umweltschutz zum Beispiel verteuert seine Produkte und verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit ...

Das ist ja der Systemfehler. Wir haben internationalen Freihandel geschaffen, ohne die Bedingungen der Teilnehmer anzugleichen. Die Länder haben völlig unterschiedliche soziale, steuerliche und ökologische Vorschriften. Ich sage daher: Der Freihandel soll durch einen fairen Handel ersetzt werden. Erst wenn die Voraussetzungen angeglichen werden, können Unternehmen wirklich frei handeln.

Sie würden also den Welthandel drastisch einschränken?

Mir geht es um einen fairen Welthandel. Unternehmen müssten eine Gemeinwohlbilanz als Eintrittskarte in den Weltmarkt erstellen. Wenn deren Ergebnis schlecht ist, steigen die Zölle: der Eintrittspreis in den Markt. Unternehmen mit guter Gemeinwohlbilanz hätten diese Kosten nicht zu tragen und könnten frei handeln.

Würde die Einführung eines derartigen Systems nicht Zwangsmaßnahmen erfordern?

Attac-Gründer: "Besitzen ist keine Leistung"
Jede Wirtschaftsordnung ist zwingend. Der Unterschied ist nur, ob Egoismus und Fresswachstum gefördert werden oder ethisches Verhalten und Vielfalt. Wenn sich die EU den Beginn machte, würden die Staaten reihenweise mitmachen. Wir schlagen vor, dass die Bevölkerung entscheidet.

In unserem System der Marktwirtschaft gilt: Leistung muss belohnt werden. Wo bleibt der Leistungsgedanke in der Gemeinwohlwirtschaft?

Leistung muss sich lohnen. Dem stimme ich zu. Aber damit das der Fall ist, muss Arbeit gering und Kapital hoch besteuert werden. Besitzen ist keine Leistung, erben schon gar nicht.

Wenn Sie sich von der Regierung etwas wünschen dürften, was wäre das?

Das Ansammeln von zu hohen Vermögen begrenzen. Ich habe nichts gegen Millionäre, aber wenn einer 10 Mrd. Euro hat und andere fast nichts, kann sich der Vermögende ganze Parlamentsklubs kaufen. Da gibt es keine gleichen Chancen mehr und die Macht ist auf wenige Reiche konzentriert. Die Vermögensbegrenzung sollte über die Erbschaftssteuer geregelt werden. Auch hier kann man von der bayerischen Verfassung lernen, wo es heißt: Die Erbschaftssteuer dient der Verhinderung der Ansammlung zu großer Vermögen in den Händen weniger.

Zur Person: Christian Felber
Der gebürtige Salzburger (41) studierte Spanisch, Politikwissenschaften, Psychologie und Soziologie in Wien und Madrid. 2000 gründete er mit anderen die Anti-Globalisierungsorganisation Attac in Österreich, der er bis 2003 vorstand. Aktuell ist er Sprecher von Attac Österreich, Lektor an der WU Wien, Vortrags-Reisender in Sachen Gemeinwohlwirtschaft sowie zeitgenössischer Tänzer und Performer. Er verfasste mehrere Bücher, darunter „Die Gemeinwohlökonomie“.

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