Atomic-Chef: „Können nicht auf Lager produzieren“
Kaum jemand in Österreich hat so viele hochwertige Ski im Keller stehen wie Christoph Bründl. Er kauft rund 38.000 Paar Ski im Jahr ein, etwa die Hälfte davon, um sie zu verleihen.
Der Sportartikelhändler und Verleiher ist einer der größten seiner Zunft im Alpenbogen und hat die Saison mehr oder weniger schon abgeschrieben. Seine 30 Fachgeschäfte stehen in Top-Ski-Gebieten: drei davon in Ischgl, vier in Mayrhofen, fünf in Zell am See.
Damit haben die meisten Standorte eines gemeinsam – keine Kundschaft. Denn heuer bleiben die internationalen Gäste aus, die in Wintersportorten wie Ischgl bis zu 90 Prozent der Klientel ausmachen.
Fazit für den Sportartikelhändler: „Wir haben 14.500 Paar Ski und 9.500 Paar Skischuhe im Verleih, aber de facto heuer noch gar nichts verliehen.“ 12.500 Ski-Depotsplätze der Bründl-Gruppe stehen leer, die Ski-Roboter, die das Service der Bretteln übernehmen sind arbeitslos, die Mitarbeiter in Kurzarbeit. Die Verkaufszahlen liegen 85 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Das Einzige was unbeirrt weiter läuft, sind die Kosten.
„Voll erwischt“
Die Branche schiebt wie ein Schneepflug einen Bug von Problemen vor sich her – und das schon seit März des Vorjahres. „Schon damals hat uns Corona in höher gelegenen Wintersportorten, in denen in März und April Hochsaison ist, voll erwischt.“ Die Saison war abrupt zu Ende, die Einnahmequelle versiegt. Die Händler stehen seitdem beim Einkauf auf der Bremse. Branchenschätzungen zufolge hat der Handel aktuell mit 300.000 Paar Ski etwa doppelt so viele Bretteln auf Lager wie in normalen Jahren.
Und auch in den Skisportorten rund um Österreich ist die Lage nicht rosiger, weiß Wolfgang Mayrhofer, Chef von Atomic und Sprecher der Ski-Industrie. Der Druck sei entsprechend groß, schließlich spielen sich rund 60 Prozent des Weltmarktes in Zentraleuropa ab.
„Je nach Hersteller rechnen wir heuer mit einem Absatzminus von zehn bis 15 Prozent“, sagt Mayrhofer. Klingt nicht so dramatisch, ist es aber, betont der Branchenkenner. Denn das Minus setzt quasi auf das Verkaufsminus vom Frühjahr auf, als nach einem abrupten Saisonende die Bestellungen für neue Ski bereits um 25 Prozent weggebrochen sind. Die Folge: Die Industrie hat ihre Produktion gedrosselt und ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. „Wir können es uns ja nicht leisten, ins Blaue hinein auf Lager zu produzieren“, sagt der Atomic-Chef. In seinem Atomic-Werk im Salzburger Altenmarkt wird derzeit nur alle zwei Wochen produziert. Der Standort sei aber abgesichert, betont Mayrhofer.
Pleitewelle droht
Währenddessen lobbyieren Sportartikelhändler für mehr staatliche Hilfen in der Krise. Nach Umsatzeinbrüchen von 90 Prozent drohe eine Pleitewelle – unter anderem, weil die Umsätze aus dem Verleihgeschäft im Dezember 2019 nicht als Berechnungsbasis für den Umsatzersatz herangezogen werden dürfen. Aus Sicht von Holger Schwarting, Geschäftsführer des Händlerverbunds Sport 2000, eine glatte Ungleichbehandlung gegenüber jenen Hoteliers, die einen angeschlossenen Skiverleih haben und ihre Verleihumsätze so ersetzt bekommen. Schwarting: „Mit der Entscheidung der Regierung, den touristischen Sportartikelhandel nicht beim neuen Hilfspaket der indirekt betroffenen Branchen zu berücksichtigen, ist ein Worst-Case-Szenario eingetreten. Es scheint, als ob für die dramatische Situation der betroffenen Handelsbetriebe komplett das Verständnis fehlt.“
Weltmarkt
Rund um den Globus werden jährlich knapp vier Millionen Paar Ski verkauft. Österreich ist mit mehr als 400.000 verkauften Stück nach den USA der größte Absatzmarkt (freilich auch dank der Touristen, laut Schätzungen sind nur 34 Prozent der Österreicher aktive Skifahrer). Auf den Rängen folgen Frankreich, Deutschland und die Schweiz
Preise
Ein Ski-Set kostet rund 450 Euro, hat der Verein der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreich erhoben
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