"Wir Staatskünstler": Replik auf die Republik 2012
Finale für die Staatskünstler? War das Staffelende am Dienstag der Schlusspunkt? Kann es ein „Superwahljahr“ ohne die staatlichen Nestbeschmutzer geben? Das ist derzeit unklar. Klar ist: 2012 hatte für Satiriker viel zu bieten. Auf Thomas Maurers Bürocouch ziehen die Staatskünstler für den KURIER Bilanz.
KURIER: Frohe Weihnachten!
Robert Palfrader: Dem kann ich mich nur vollinhaltlich anschließen.
Florian Scheuba: Bin dafür und rufe ein herzliches „Christkind to go!“ aus.
Feiern Sie Weihnachten?
Thomas Maurer: Da wir alle drei Kindesbesitzer sind, ist das praktisch unvermeidlich.
Maurer:In den Raunächten keine Wäsche aufhängen, sonst stirbt jemand aus der Verwandtschaft.
Palfrader: Was es unbedingt geben muss, sind grooooße, gierige Kinderaugen.
Scheuba: Deswegen macht man’s ja.
Kann es sein, dass die Kinder als Ausrede herhalten müssen, um eine kindische Party zu feiern?
Palfrader: Dafür ist mir der Aufwand zu groß.
Maurer: Ich bin, ehe ich Vater wurde, gut ohne zelebriertes Weihnachten ausgekommen.
Und als Kind?
Maurer: Da hat’s mir schon gefallen.
Hört das irgendwann einfach auf?
Maurer: Ja. So wie man irgendwann nicht mehr zwanghaft diese kleinen weißen Beeren von Sträuchern pflücken und draufspringen muss. Obwohl, das mach’ ich jetzt wieder.
Palfrader: Es schafft fast jeder Österreicher, irgendwann nicht mehr ans Christkind zu glauben. Warum funktioniert das mit Gott nicht?
Maurer: Weil Gott im Zweifelsfall Furcht einflößender als das Christkind ist.
Und Sie? Fürchten Sie die Rache Gottes für Ihre „Pussy-Riot“-Aufnahmen ohne vorherige Drehgenehmigung im St. Pöltner Dom? BZÖ-Mann Ewald Stadler nannte Sie „Kirchenschänder“.
Scheuba: Ein Dom, in dem schon Kurt Krenn ein- und ausgegangen ist, kann nicht mehr geschändet werden. Und wenn man Ewald Stadler stellvertretend für den Glauben nimmt, ist das so, als würde man den FC Hartberg stellvertretend für die Champions League sehen.
Maurer: Also ich verlass’ mich bei Gott ganz darauf, dass er ja auch eine an Indifferenz grenzende Toleranz gegenüber all jenen zeigt, die in seinem Namen scheußliche Dinge tun.
Palfrader: Ich glaube, dass Gott nichts dagegen hat, weil er gar nicht existiert.
Maurer: So gesehen, möchte ich meinen vorigen Satz auch nicht als impliziten Gottesbeweis verstanden wissen.
Diese Woche gab’s die letzte Folge der zweiten Staffel von „Wir Staatskünstler“. Was jetzt? Treten Sie zurück? Werden Sie zurückgetreten?
Scheuba: Das wissen wir nicht. Es gibt noch ein „Best of“ am 8. Jänner, und am 22. Februar treten wir im Burgtheater auf.
Scheuba: Birnbacher ist ein ideales Beispiel: Robert und ich haben das schon in unserem Programm „Männer fürs Grobe“ erzählt, viele haben uns nicht geglaubt. Am Beginn der ersten Staffel von „Wir Staatskünstler“ haben wir es forciert. Da haben’s dann einige geglaubt, aber gesagt: „Das ist Österreich, da kann man nichts machen.“ Mittlerweile gibt es vier Urteile in der Causa. In der vorletzten Sendung haben wir uns intensiv mit Rumpold beschäftigt. Am Mittwoch kam die Meldung, er wird angeklagt. Nicht, weil wir das gemacht haben. Aber es ist schon sinnvoll, die Dinge beim Namen zu nennen.
Maurer: Es schadet nicht, wenn manche Dinge im öffentlichen Bewusstsein bleiben.
Apropos öffentliches Bewusstsein, was ist eigentlich mit Herrn Grasser? (Robert Palfrader)
Manchmal verschwimmt die Grenze zwischen Satire und Realität. Ihr Anti-Schutzgeld-Pickerl für Kärnten (Aufschrift: „Diese Firma ist so frei und zahlt kein Geld an die Partei“) war als Gag gedacht ...
Maurer: ... und hat sich in ein Stück Kärntner Gegenwart verwandelt.
Scheuba: Wir haben einen Nerv getroffen.
Palfrader: Gemeindesekretäre haben Sammelbestellungen geschickt.
Wie viele Pickerln wurden am Ende gedruckt?
Scheuba: 7000.
Nicht auf ORF-Kosten, wie Sie gern betonen.
Palfrader: Nein, auf unsere Kosten.
Und Landeshauptmann Dörfler hat Sie mit dem Pickerl tatsächlich empfangen? Die Szene wirkte beinahe gestellt, weil sie so absurd war.
Scheuba: Wir wollten nur hingehen und schauen, was passiert.
Maurer: Es wusste ja keiner, dass der so zutraulich ist.
Scheuba: Er hat das Pickerl genommen und gesagt: „Gute Idee.“
Palfrader: Und dann dürfte er gesehen haben, dass er selber darauf abgebildet ist.
Palfrader: Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so einen Fehler ein zweites Mal macht. Aber wenn wir das nächste Mal nach Kärnten kommen, kann es gut sein, dass er gar nicht mehr Landeshauptmann ist.
Dann beginnen wir den Rückblick auf das Jahr 2012 gleich mit der Frage: Lieblingsbundesland?
Maurer: Da hat Salzburg jetzt stark aufgeholt.
Palfrader: Was ist mit Niederösterreich? Wie viel an Wohnbaugeld wurde da versemmelt?
Scheuba: Das ist unoriginell. Ich entscheide mich fürs Burgenland. Dort gibt es die Absolutismus-Attitüde der Landeshauptleute noch in ihrer allerreinsten Form. Der Herr Niessl tut, was er will, blüht aber im Verborgenen.
Jetzt hat niemand Kärnten genannt.
Maurer: Wenn man’s ohne Sarkasmus betrachtet, wäre Kärnten das Lieblingsbundesland, weil sich da erstmal die Chance auf einen sinnvollen Umbruch abzeichnet. Obwohl man betonen muss: Ohne den Herrn Holub (Leiter des Hypo-Untersuchungsausschusses, Anm.) hätte es nie einen Birnbacher-Prozess gegeben.
Wie haben Sie reagiert, als Sie die Urteile in diesem Prozess erfahren haben?
Palfrader: Haben wir da ein Flascherl aufgemacht?
Scheuba: Ich glaub schon.
Wenn wir das Jahr als Castingshow betrachten ...
Maurer: ... ist Strache Absteiger des Jahres.
Scheidet Salzburgs Finanzlandesrat zu Recht aus?
Maurer: Also wenn ich so an Puschkawül anrichte, geh’ ich unterirdisch, werd’ ich Kaffeebauer in Nicaragua, genier’ ich mich zu Tode. Zurücktreten wär nur das Erste, was ich tu’.
Die Helden im Jahr 2012?
Maurer: Dank Herrn Baumgartner weiß man jetzt, dass es auf die politische Zurechnungsfähigkeit keine guten Auswirkungen hat, wenn man sich in die Stratosphäre begibt.
Palfrader: Ich glaube, da waren eher die Rotationen schuld.
Baumgartner wurde vor seinem Sprung gar nicht gefragt, was er von der Diktatur hält.
Maurer: Stimmt, um es wissenschaftlich einwandfrei zu machen, hätte man zwei raufschicken und davor und danach fragen müssen.
Haben sie den Sprung gesehen?
Alle drei: Nein.
Palfrader: Wir haben „Staatskünstler“ aufgezeichnet.
Und aus heutiger Sicht viel verpasst?
Scheuba: Nein. Mir ist rätselhaft, wie man Vergleiche mit der Mondlandung anstellen konnte. Geht’s noch? Der Traum, auf den Mond zu kommen, ist so alt wie die Menschheit. Der Traum, aus einem Luftballon auf die Erde zu hüpfen ist eher jüngeren Datums.
Und Frank Stronach? Auch ein Held 2012?
Scheuba: Ihm sagen wir: „Danke für neun Folgen , Frankie goes to Ballhausplatz‘.“ Mittlerweile ist die Grenze fließend. Unsere ersten Folgen könnte man bereits als reale Stronach-Beiträge spielen, ohne dass es auffällt.
Weitere Highlights 2012?
Scheuba: Bei den Dingen, die Strahlkraft haben sollten, fällt mir der Eurofighterskandal ein.
Palfrader: ... und jetzt stellt sich heraus, es war nicht ähnlich, es war genauso. Wenn sogar ein Wirtschaftsminister der ÖVP öffentlich sagt, das könne nicht sauber gewesen sein und damit einem Parteikollegen und Amtsvorgänger widerspricht, ist es doch eine unglaubliche Chuzpe, immer noch zu behaupten, alles sei supersauber abgelaufen. Der Herr Bartenstein braucht einen Augenarzt.
Scheuba: Realitätsverweigerung ist das Phänomen des Jahres. Mittlerweile ist zum Verleugnen der Realität gar kein Raffinement mehr nötig. Du kannst einfach sagen, wie H.C. Strache im „ORF-Sommergespräch“: „Nein, hier sieht man keine Davidsterne“, mit dem Bild der Davidsterne vor der Nase.
Palfrader: Oder wie Kurt Scheuch behaupten, man wäre von einem Fotografen attackiert und niedergeblitzt worden, und dazu läuft ein Video, auf dem man sieht, dass der Fotograf eineinhalb Meter weit weg steht und die Kamera keinen Blitz hat.
Scheuba: Die Realitätsverweigerung hat eine neue Qualität erreicht: Ich argumentiere nicht mehr, ich behaupte nur noch.
Maurer: Und dabei haben wir in dem Zusammenhang Stronach noch gar nicht erwähnt.
Wie viele Rettungsgassen haben Sie gebildet?
Scheuba: Bei uns zu Hause sehr viele. Und an eine Szene erinnere ich mich gut: Im Sommer stehen vor einer Ampel in Wien Autos in zwei Spuren, einer steht genau in der Mitte, ich hup’ ihn an, er brüllt: „Rettungsgasse!“
Wie viele Jagdeinladungen kamen 2012?
Palfrader: Keine, leider. Ich hätte zugesagt.
Bestechungsversuche, Geldkuverts oder -koffer?
Alle drei: Leider nein.
Wie sehr geht es Ihnen in Ihrem Beruf ums Geld?
Palfrader: Dann hätten wir etwas anderes machen müssen.
Lobbying?
Palfrader: Nein, in unserem Metier. Wir hätten in der Zeit, in der wir „Staatskünstler“ gemacht haben, wesentlich lukrativere, weniger anstrengende Jobs annehmen können.
Scheuba: Wir sollten uns zu dritt auf die Bühne stellen und darüber reden, dass Frauen nicht einparken können.
Palfrader: Wenn wir das dann im Happel-Stadion tun, brauchen wir kaum noch arbeiten.
Maurer: Aber das muss man auch wollen. Ich weiß nicht, ob ich das könnte.
Palfrader: Also ich könnte das sicher sehr gut. Aber ich will’s nicht.
Welche Frage, die ich nicht gestellt habe, möchten Sie noch gerne beantworten?
Maurer: Was ich mir vom Christkind wünschen. Ich wünsch mir, dass die Frau Innenminister mit einem Sack voller Packerln in die Votivkirche geht und sagt: „Freunde, nächstes Jahr machen wir’s besser in Traiskirchen.“
Am 21. 11. 2011 traten Maurer, Palfrader und Scheuba erstmals im Rabenhof als „Staatskünstler“ auf, am 1.12. 2011 in ORF1. In Zusammenarbeit mit Investigativjournalisten zeigen Sie, satirisch verpackt, Skandale und Sauereien auf. Auch der ORF kriegt regelmäßig sein Fett ab. Spätestens, als das Duo Nicholas Ofczarek / Claudia Kottal als Sideact dazukam, hatte die Sendung Kultstatus erreicht.
Termine
Ein „Best of“ der letzten neun Folgen zeigt ORF1 am 8. Jänner. Am 22. Februar treten die Staatskünstler dann in der letzten Wien-Vorstellung standesgemäß im Burgtheater auf, als Gäste sind Nicholas Ofczarek und Claudia Kottal erstmals live dabei. Karten unter: www.burgtheater.at oder 01/514 444-4440. Termine für die Österreich-Tournee ab 23. Februar 2013 unter www.wirstaatskünstler.at.
"Wir Staatskünstler" Staffel 2: Zu Besuch bei Landeshauptmann Dörfler
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