Thomas Zach: "Bashing macht Politik nicht besser"
Der frühere Manager der Staatsdruckerei und Unternehmensberater Thomas Zach führt die Bürgerlichen im Stiftungsrat.
Die Entscheidung zum Veranstaltungsort des Song Contests steht bevor. Es gibt viele Spekulationen. Wie sieht ein ORF-Aufsichtsrat die Entscheidungsfindung?
Thomas Zach: Es gibt einen Rahmenbeschluss des Stiftungsrates für die Abhaltung des Song Contest und jetzt den Standort-Wettbewerb. Die Kriterien hierfür liegen auf der Hand: Ist der Standort geeignet und welche Stadt ist bereit, dem ORF den größten wirtschaftlichen Beitrag zu leisten. Klar ist, wir werden uns die Entscheidung, wie auch immer sie ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz trifft, in der nächsten Sitzung sehr genau anschauen und ausführlich erläutern lassen, welche Kriterien für den Zuschlag relevant waren.
Haben Sie den Eindruck, dass es Mauscheleien gibt?
Es wurde ein professioneller Prozess im ORF aufgesetzt, bei dem ich davon ausgehe, dass er zu einem nachvollziehbaren Ergebnis führen wird.
Die Frage des Song Contests überstrahlt derzeit alles im ORF, aber wie lautet Ihre Bilanz der Tätigkeit dieser Geschäftsführung bisher?
Es wurden, zum Teil nach langen und schwierigen Diskussionen, wichtige Entscheidungen getroffen, die wichtigste war jene zum künftigen ORF-Standort. Entgegen vielen Unkenrufen wurde der Vorschlag des Generaldirektors, alle bisherigen ORF-Standorte auf dem Küniglberg zu konzentrieren, im Stiftungsrat mit überwältigender Mehrheit gefällt. Das ist nun Stück für Stück umzusetzen. Es gibt ein klares Monitoring des Stiftungsrates und in jeder Sitzung hat die ORF-Führung über den Fortgang zu berichten. Das zeigt auch die Handlungsfähigkeit der Gremien.
Immer wieder wird Ruf laut nach einer Reform und Verkleinerung des Stiftungsrates.
Zu meinen, dass man den ORF reformiert, in dem man den Stiftungsrat verkleinert, das ist Selbstbetrug. Der Stiftungsrat besteht aus Personen, die von Herkunft, Ausbildung und Berufen eine Vielfalt aufweisen, die auch dem Unternehmen zu Gute kommt. Und es ist auch nicht so, dass der ORF und seine Gremien nicht auch noch einer externen Kontrollen unterliegen würden. Es gibt die Prüfung durch den Rechnungshof, es gibt die Kontrolle durch die KommAustria und auch dem Parlament ist alljährlich ein Bericht vorzulegen. Ich meine, dass der Stiftungsrat und auch der Publikumsrat mit dieser breiten Abbildung der Gesellschaft und auch durch die Beteiligung der Bundesländer auch ein Schutzschild gegenüber Interessen Einzelner ist.
Die Kernkritik am Stiftungsrat ist ja jene, dass er von der Politik besetzt sei. Die Räte machten deshalb auch nur das, was sie von der jeweiligen Partei angeschafft bekommen. Sie sind Freundeskreis-Leiter der ÖVP-nahen Stiftungräte. Wie sehen sie das?
Es gab ja immer wieder Wünsche an den Stiftungsrat, wie Entscheidungen dort aussehen sollten, etwa beim Standort. Denen stehen Entscheidungen gegenüber, die mit klaren Mehrheiten gefällt wurden und sicher nicht immer allen gefallen haben. Das widerspricht dieser These. Im Stiftungsrat sitzen unterschiedlichste Persönlichkeiten, die das Interesse eint, dass es in Österreich einen ORF gibt, der das Geld der Gebührenzahler verdient. Für mich kann ich sagen: Meine Entscheidungen fallen nach der Durchsicht von Fakten und den Notwendigkeiten, die dem Unternehmen geschuldet sind.
Und grundsätzlich zur Politik: Ich würde mir einen respektvolleren Umgang zwischen Politik und Journalismus wünschen. Die Medien haben als vierte Gewalt im Staat eine ganz wichtige Rolle für die Demokratie. Diese wäre aber ohne die Tausenden Politiker, die sich auf allen Ebenen für die Menschen engagieren, auch nicht möglich. Politik-Bashing macht die Politik in unserem Land nicht besser, harte Interviews wie sie Armin Wolf macht oder auch die neuen Info-Formate in ORFeins schon.
Im Zuge von ORF-Reform-Überlegungen wird auch immer wieder über die Zahl der Direktoren diskutiert. Bei Unternehmen dieser Größe wäre das Vieraugen-Prinzip durchaus üblich.
Der Stiftungsrat muss mit dem Modell arbeiten, das vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Wünsch Dir was zu spielen, macht da keinen Sinn.
2016 steht die nächste ORF-Führungswahl an. Was ist bis dorthin noch zu erledigen? Nicht alle Direktionen können beispielsweise die Sparvorgaben erfüllen.
Die Einhaltung von Budgets hat eine ganz große Signalwirkung. Das ist nicht nur in Zeiten knapper Mittel extrem wichtig sondern auch eine Kulturfrage. Es gibt auf unterschiedlichsten Ebenen noch Themen abzuarbeiten und es gibt eine jüngst beschlossene Strategie 2020, die die Leitlinie vorgibt. Ein großes Thema ist jedenfalls der geplante multimediale Newsroom, mit dem wir uns intensiv beschäftigen werden müssen. Hier geht es abseits von Kosten auch ganz wesentlich um die Frage, wie kann verhindert werden, dass der Meinungspluralismus im ORF Schaden nimmt beziehungsweise wie kann ein multimedialer Newsroom diesen sogar stärken.
Sehen Sie da tatsächlich ein Problem?
Der ORF braucht eine souveräne, objektive Berichterstattung und ein vielfältiges Programm. Wir haben erst vor kurzem beim ZDF mit den Vorwürfen der Manipulation bei einer Show gesehen, wie schnell der Ruf und die Glaubwürdigkeit eines Senders in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Wir, also der ORF, haben das Glück, dass wir gut dastehen. Um diese Glaubwürdigkeit muss man sich aber jeden Tag aufs Neue verdient machen, in dem der ORF seinen Zuhörern und Zusehern Fakten liefert und nicht die Meinungen seiner Mitarbeiter.
Gibt es einen aktuellen Anlassfall?
Nein. Aber es gab in der Vergangenheit beispielsweise das eine oder andere Posting in den sozialen Medien, die dem objektiven Journalismus, zu dem der ORF verpflichtet ist, nicht geholfen hat. Ich glaube deshalb auch, dass die vom Generaldirektor angekündigte Social-Media-Richtlinie, die im September vorliegen soll, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich bin vor allem auch der Meinung, dass es notwendig ist, dass der ORF und seine Mitarbeiter die sozialen Medien nützen können.
Wie kann also in einem multimedialen Newsroom dieser Meinungspluralismus umgesetzt werden?
Alleine durch einen zentralen Chefredakteur sicher nicht. Es wird darum gehen, ein Modell zu entwerfen, in dem der Binnenpluralismus bestmöglich entfaltet werden kann, in dem die unterschiedlichen Geschichten, egal in welchem Bereich, bestmöglich beleuchtet werden können.
Ein Zukunftsprojekt könnte ein ORF4 für eine durchgehende Regionalberichterstattung werden, womit ORF-Chef Wrabetz jüngst aufhorchen ließ?
Ich unterstütze zu hundert Prozent, dass die Landesstudios, die ein Alleinstellungsmerkmal sind, in ihrer Kompetenz möglichst breit im ORF abgebildet werden, so wie das zum Teil schon, wie etwa in der Mittagsschiene, gelingt.
Gibt es auch Kritik-Punkte an der Chefetage des ORF? Wie sehen Sie zum Beispiel die sehr zögerliche Entscheidung der Ö1-Führung ?
Diese Entscheidung ist keine des Stiftungsrates sondern der operativen Führung. Ich gehe davon aus, dass der Generaldirektor innerhalb einer vernünftigen Frist eine Entscheidung trifft, die dem Unternehmen und seinen Zielen dient. Und was die Kritik betrifft, so ist sie, soweit es sie gibt, in den entsprechenden Gremien zu üben.
Das klingt nicht so, als wären Sie extrem unzufrieden. Dann könnte ja diese Führung nach 2016 gleich weitermachen.
Es ist noch viel Zeit bis 2016. Bis dorthin können sich alle, die im Amt sind, bewähren und dann, wenn sie sich noch dafür interessieren, bewerben. Wir haben uns als Aufsichtsrat kritisch mit der Führung zu beschäftigen. Aber man muss auch dem ORF zugestehen, dass dort auch Dinge gut laufen. Im Sinne der Vielfalt und des Qualitätsjournalismus ist das etwa das Korrespondenten-Netzwerk des ORF. Das ermöglicht den ORF-Konsumenten den für sie wichtigen Blick auf das Weltgeschehen und steht für mich schon fast in der gleichen Liga, wie die Landesstudios.
Das gehört aber auch finanziert. Sind Sie dafür, dass Thema Gebührenrefundierung vor den nächsten Budgetverhandlungen auf Bundesebene erneut anzugehen?
Unsere Meinung ist da ganz klar, dem ORF gebührt die Refundierung und wir wollen sie haben. Der ORF hat seinen Teil getan und schon sehr weitgehend Sparvorgaben umgesetzt.
Wenn Sie wie zuvor von Binnenpluralismus und Meinungsvielfalt sprechen, was meinen Sie damit?
Dieser Vielfaltsbegriff muss richtig interpretiert werden. Vielfalt heißt nicht nur dritte Welt und Sorge um unsere Umwelt sondern auch Wirtschaft als wichtigen Teil unserer Lebenswelt zu erklären. Oder, dass wir uns mit den, übrigens berechtigten Anliegen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beschäftigen aber auch mit klassischen Familien oder mit den Schwierigkeiten alleinerziehender Eltern. Ich meine, dass es immer wieder gut ist, wenn wir uns als ORF vor Augen führen, dass der ORF die Gesellschaft als Ganzes abzubilden hat und man sich nicht nur einzelne Aspekte, was oft der Aktualität geschuldet ist, herauspicken kann.
Kommentare