Tatort: Zwischen Spiel und Wirklichkeit
"Uli, ihr Schauspieler geht mir so etwas von auf die Nerven mit eurem Gequatsche: Die Rolle hat ein Eigenleben, der Murot ist ein eigenständiger Charakter, man muss sich in ihm einleben, bla bla bla ... jetzt hast du den Salat", sagt Ulrich Tukur irgendwann zu Ulrich Tukur und ist damit am Punkt von "Wer bin ich?" (20.15, ORF2).
Alles beginnt bei der neuen "Tatort"-Folge, wie es soll: Felix Murot (Tukur) und Magda Wächter (Barbara Philipp) werden morgens in ein Parkhaus gerufen. Dort, im Treppenhaus, wurde ein Toter gefunden. Während der Spurensicherung entdeckt Murot im Kofferraum eines Autos einen weiteren – doch beide Leichen sind nicht echt; sie gehören zu einem "Tatort", den der Hessische Rundfunk eben dreht.
Das Spiel
Doch aus Spiel wird Ernst, als ein Kollege der Aufnahmeleitung mit dem Auto verunglückt. Bald geht die Polizei davon aus, dass der Unfall kein Unfall war. Und Schauspieler Tukur, der neben dem 19-Jährigen im Wagen saß, erinnert sich nach einem Alkohol-Exzess an nichts.
Schnell gerät Tukur unter Mordverdacht. Und in dieser Rolle ist der Schauspieler schnell ganz allein. Denn seine Kollegen am Film-Set – Wolfram Koch, der frühere Burg-Star Martin Wuttke, Margarita Broich und Barbara Philipp – sind vor allem mit sich selbst und ihren (angeblichen) Eigenheiten beschäftigt.
"Wer bin ich?" ist ein Film im Film. Was wie ein Krimi beginnt, wird zur Satire, wird zum Drama, wird zum Krimi. Die Genres verschwimmen, wie die Ebenen, auf denen die Schauspieler als "sie selbst" interagieren.
Und mitten drinnen Ulrich Tukur als Kommissar, als Tatverdächtiger, als Tukur, als Schauspieler, der sich fragt, was einen Kommissar ausmacht. Die Antwort: "Uli, ich bin gar nichts, ich bin nur eine Idee."
Der Schein
"Das ist eine Geschichte über Sein und Schein, über Spiel und Wirklichkeit, aber auch die Tragödie eines Menschen, der zerbröselt und peu à peu aus der Wirklichkeit gemobbt wird – dabei ist das Ganze aber auch ungeheuer komisch", sagte Ulrich Tukur zur dpa. "Ich gerate in eine Abfolge absurder Ereignisse, die sich zu einem veritablen Albtraum auswachsen, und alle meine Kollegen sind am Ende verzerrte, fratzenhafte Figuren."
Es ist dieser "Tatort" keine leichte Kost. Man braucht Fantasie und Konzentration, wenn das Spiel in Bewegung gerät. Und wenn die Filmbranche und die ihr nachgesagte Oberflächlichkeit aufs Korn genommen werden – "der Tukur darf dauernd Nazis spielen und dem werden die Preise nachgeschmissen" – wird es wirklich witzig.
Aber: "Wir sind hier nicht in Münster!"
Der Mut
Nach dem preisgekrönten "Tatort" mit dem Titel "Im Schmerz geboren" liefert Tukur erneut ein mutiges Fernseh-Experiment ab: "Ich glaube, dass es das im deutschen Fernsehen noch nicht gab, ein Film, in dem sich die Figur vom Schauspieler trennt und eine Ebene eröffnet, die alle gängigen Sehgewohnheiten außer Kraft setzt", sagt Tukur. Das strengt an, ist das Zusehen aber allemal wert.
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