"Ich hätte Böhmermann dazu nicht gebraucht"

Talkerin Sandra Maischberger (Mittwochs um 22.45 Uhr, ARD)
ROMY-Preisträgerin Sandra Maischberger über Satire und "Lügenpresse".

KURIER: Sie gelten als schwierige Interviewpartnerin, weil Sie lieber selbst die Fragen stellen. Wie schwer fällt es Ihnen, in Interviews etwas von sich preiszugeben?

Sandra Maischberger: Ich denke mir immer, man sollte nicht über die eigene Person befragt werden, weil man einfach dazu verleitet wird, blühenden Unsinn zu reden.

Dass Sie die Menschen bewegen, zeigt unter anderem, dass Sie für einen Publikumspreis wie die ROMY nominiert wurden. Wie gehen Sie mit Ihrer Bekanntheit um?

Ich nehme die Popularität, die mit dem Beruf kommt, dankbar an– es ist ein Nebeneffekt für mich, aber nicht die Hauptsache. Dass es ein Publikumspreis ist, freut mich aber sehr. Die ROMY habe ich im vergangenen Jahr gesehen – mit Didi Hallervorden, der diesen rasend komischen Drittes-Reich-Witz gemacht hat.

Er wurde dafür kritisiert, dass er bei seiner Dankesrede sagte, er hole die ROMY "heim ins Reich". Wie fanden Sie den Spruch?

Es gibt ein paar Witze zwischen Österreich und Deutschland, die so naheliegend sind, dass man sie sich auch verkneifen könnte. Alles, was mit Hitler zu tun hat, zum Beispiel (lacht).

Was Satire darf, wird in Deutschland anhand des "Schmäh-Gedichtes" von Jan Böhmermann gerade eifrig debattiert. Wie empfinden Sie die Diskussion und die Entscheidung Angela Merkels, die Strafverfolgung gegen einen Satiriker zuzulassen?

Wahnsinnig schwierig. Die eine Seite betrifft unser inneres Verständnis in Deutschland – so habe ich Böhmermann verstanden und so fand ich ihn auch gut. Als Diskussions- und Debattenstoff ist es sehr wertvoll, dass einer die Grenze immer wieder übertritt, um alle anderen anzustoßen und zu sagen: "Lass uns jetzt das bitte gemeinsam definieren!" Dass man in außenpolitischer Hinsicht in einer so komplizierten Situation anfängt, Rücksicht zu nehmen, kann ich auch nachvollziehen. Mit Blick auf die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst ist es natürlich fatal, wenn eine Bundesregierung eine solche Klage zulässt – aufgrund eines Paragrafen, der ja so alt ist, dass man im gleichen Atemzug sagt: "Zukünftig können wir auf den auch verzichten."

Können Sie der Argumentation von Merkel etwas abgewinnen, man werde das nicht politisch entscheiden, um die Justiz arbeiten zu lassen?

Das ist tatsächlich zulässig, finde ich: Die Unabhängigkeit der Justiz ist eine hohe zivilisatorische Errungenschaft. Das an die Gerichte zurückzuspielen, ist für die Kanzlerin wohl die einzige Hintertür. Aber damit ist die Sache nicht ausgestanden: Es offenbart auch einen Koalitionsstreit und die Schwächen des Türkei-Deals, die auch ohne Böhmermann schon sichtbar waren.

"Ich hätte Böhmermann dazu nicht gebraucht"
Sandra Maischberger
Die Schieflage des Flüchtlingsdeals mit der Türkei hat der Satiriker Böhmermann wirkungsvoll transparent gemacht, finden Sie nicht?

Ich hätte Böhmermann nicht gebraucht, um zu sagen, dass der Türkei-Deal eine Konstruktion ist, die auf ganz vielen ungeraden Beinen steht. Außerdem trifft es am Ende auch nur die Flüchtlinge, die aus dem Nahen Osten kommen. Mit der afrikanischen Problematik haben wir uns in Deutschland noch gar nicht richtig auseinandergesetzt.

Angela Merkel wiederum gerät von einer schier unlösbaren Situation in die nächste. Man sieht an ihr exemplarisch, dass Macht auch immer ein Ort der Zwänge ist. Wie sehr geht sie geradlinig ihren Weg?

Ich bewundere ihre schiere Kondition, sich in diesen Krisensitzungen die Nächte um die Ohren zu schlagen und offensichtlich trotzdem noch ein Kalkül zu verfolgen. Wir leben in Zeiten, in denen die Unbeständigkeit die Konstante ist. Ob sie eine gerade Linie hat, ist schwer festzustellen. Es ist aber so, dass sie Krisen erst dann entscheidet, wenn sie da sind. Wenn sie eine Entscheidung getroffen hat, bleibt sie wiederum mit großer Standfestigkeit dabei. Ob es uns im Kanzleramt besser hätte treffen können als mit Angela Merkel? Ich schaue mir manchmal das Personal an, das als Ersatz bereitstünde, und habe meine Zweifel.

Sie haben dem verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Schmidt in mehreren ausführlichen Gesprächen sehr nahe kommen können. Man merkte an seiner Figur, dass viele Vorgänge in der Politik erst im Nachhinein Gültigkeit bekommen. Wird Merkel ein ähnliches Vermächtnis hinterlassen?

Es ist immer reizvoll, mit Elder Statesmen zu reden, denn sie können Dinge aussprechen, die die aktiven Politiker überhaupt nicht sagen können. Schon gar nicht, wenn es um außenpolitische Themen geht. Sicherlich wird auch Angela Merkel eine interessante Stichwortgeberin. Durch den Mauerfall und ihrer damit verbundenen Biografie hat sie ein großes Gewicht, von dem sie auch als Elder Stateswoman zehren wird können. Sofern sie sich nicht entscheidet, sich aus der politischen Debatte zurückzuziehen – siehe Gerhard Schröder oder Joschka Fischer.

Wie nahe sind Sie Schmidt in Ihrer Arbeit auf der persönlichen Ebene gekommen?Wir haben ein berufliches Verhältnis gehabt, das sehr eng war, insofern als er meiner Anwesenheit oder meinen Fragen mehr vertraut hat als anderen. Davon habe ich profitiert. Wir waren keine Freunde, das musste ich schon oft korrigieren. Sein Tod hinterlässt ein großes Loch, aber das betrifft mein persönliches Leben weniger als das gesamtgesellschaftliche.

Auch für Sie als Journalistin ist das eine nicht ganz triviale Frage: Ließe Ihr Berufsverständnis eine Freundschaft mit einem Politiker und ständigem Interviewpartner denn überhaupt zu?

Nein. Eigentlich mit keinem Politiker. Ich tue mir da auch sehr schwer. Da entstehen Verbindlichkeiten, die einen vielleicht an der Objektivität behindern.

Stichwort "Objektivität": Seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise ist offensichtlich, dass ein gewichtiger Teil der Bevölkerung den Medien und der Politik misstraut. Es gibt mit der AfD eine Partei, die zum Teil auf dem Verschwörungskonstrukt der "Lügenpresse" gegründet ist. Wie gehen Sie als Journalistin damit um?

Ich schwanke zwischen ernstnehmen und es für eine bodenlose Anmaßung halten. Es kommt ein bißchen darauf an, wie es formuliert ist. Aber wenn mir jemand schreibt, dass ich dafür bezahlt werde, dass ich sage, was die Regierung durchsetzen will, dann werde ich wütend. Damit wird mir abgesprochen, was ich anderen auch zuspreche: Nämlich, dass die andere Meinung auch gilt. In meiner Sendung lade ich ja die andere Seite immer ein. Wenn die Entwicklung letzten Endes so ist, dass sich jeder nur mehr da informiert, wo er immer recht bekommt, dann kriege ich Zweifel an der Zukunft des Berufsstandes der Journalisten.

Wie vermeidet man wiederum eine Verschwörung des Guten? Wir Medienmacher sitzen ja im Boot jener, denen es sowohl materiell als auch bildungsmäßig besser geht.

Indem wir so viele Andersdenkende und -redende zu Wort kommen lassen wie nur irgend möglich. Das führt bei uns dazu, dass wir in unserer Talkshow häufig Gäste haben, die genau ihre Haltung und Position sehr lautstark und mit guten Argumenten vertreten. Das ist in unserer Verantwortung. Dass wir zum Beispiel in Flüchtlingsdebatten sowohl auf Asylwerber verweisen, die kriminell geworden sind als auch auf solche, die gut integriert sind, gehört auch dazu.

Die Frage, ob das politische System, in dem wir in Österreich, Deutschland und Europa leben, nicht in einer schweren Krise ist, ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Stimmen der Kritiker durch Facebook deutlich sichtbarer sind als noch vor zehn Jahren. Verschiebt sich da etwas in der Gesellschaft?

Ich brauche die Stimmen im Internet nicht, um die Krise des EU-Systems zu sehen. Wenn man ein paar Dinge mit vernünftigem Auge betrachtet, kann man sehen, dass das ein System ist, das sich nicht gefunden hat. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass die Heftigkeit und die verbale Verwahrlosung im Netz darauf zurückzuführen sind, dass vor allem die sich zu Wort melden, die ein Problem haben. Die, die mit ihrem Leben sehr zufrieden sind oder gar keine Zeit haben, im Internet lange und häufig Posts abzusetzen, tun das vielleicht eher weniger – weil sie arbeiten oder Familie haben. Das Bild im Internet kann verzerrt sein.

Sie engagieren sich ehrenamtlich an sozialen Brennpunktschulen für mehr Bildung und gehen auch selbst in die Klassen. Wie werden Sie von den Schülern wahrgenommen?

Schüler von Förderschulen in Neukölln wissen gerade einmal halbwegs, was die ARD ist. Darum geht es aber nicht. Was ich ihnen zu vermitteln versuche, ist Folgendes: Dass ich einen Beruf gewählt habe, der mir unheimlich Spaß macht, der mir das Geld einspielt, das ich zum Leben brauche, und der mir die Möglichkeit gibt, ein Leben zu führen, in dem ich bestimme, wo es langgeht. Wenn ich rüberbringe, dass man sich mit eigener Kreativität da hinbewegen kann: Das wäre schon was.

Kommentare