PULS4-Chef: "ORF muss bei Kommerz sparen"

APA5378982 - 27092011 - WIEN - ÖSTERREICH: Geschäftsführer von Puls4, Markus Breitenecker am Dienstag, 27. September 2011, während einer Diskussion mit dem Thema "Mut zur Transformation" im Rahmen der Österreichischen Medientage in der Stadthalle Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Die Ausgewogenheit des Medienmarktes sei bedroht, sagt PULS4-Chef Markus Breitenecker.

Bachmann-Preis-Einstellung, weniger Aufträge an die österreichische Filmwirtschaft, Kürzungen bei RSO und FM4 – aus Sicht der österreichischen Privatsender läuft die Debatte über drohende Sparmaßnahmen beim ORF falsch. Markus Breitenecker, stellvertretender Vorsitzender des Privatsenderverbands (VÖP) und PULS4-Chef, erklärt im Interview, warum.

KURIER: Wie beurteilen die Privaten die aktuelle Situation?

Markus Breitenecker: Wir haben eine massive Propaganda erlebt, die suggeriert, ohne Gebührenrefundierung wird es einen blutigen Kahlschlag geben. Dieser vom ORF verbreiteten Meinungen möchten wir Fakten entgegenhalten. Zum einen: Es ist richtig, dass wir in Google und YouTube einen gemeinsamen Gegner haben. Wir brauchen hier einen nationalen Schulterschluss. Und dafür brauchen wir Ausgewogenheit. Nicht nur versus Google, sondern auch innerhalb des dualen Systems, damit wir überhaupt gegen Angriffe von Außen standhalten können.

Diese Ausgewogenheit ist derzeit in einer marktbedrohenden Schieflage, die bei weiteren staatlichen Beihilfen für den ORF zu kippen droht. Der ORF hatte bisher jedes Jahr mehr Geld zur Verfügung als im Vorjahr. Wo da gespart wurde, ist intransparent.

Was sind die konkreten Vorschläge der Privaten?
Wir wollen nicht, dass der ORF kaputt gespart oder auf einen Kulturspartenkanal reduziert werden soll. Aber er müsste sich erstens einfach an das ORF-Gesetz halten. In der Primetime sollte zumindest auf einem Sender anspruchsvolles Programm laufen. Zweitens sind in allen europäischen Ländern die Toprechte auf mehrere Sender aufgeteilt, nur in Österreich sind praktisch alle Rechte beim ORF. Es hat – im Gegensatz zu allen anderen Märkten in Europa – einer so viel Geld zur Verfügung, dass er fast alle massenattraktiven Kommerzrechte, die auch die Privaten gebührenfrei anbieten könnten, vom Markt wegkaufen kann.

Jetzt mit Kürzungen im Kulturbereich oder bei der österreichischen Filmwirtschaft zu drohen, das geht nicht. Es schmerzt uns, dass die sich alle in Geiselhaft nehmen lassen. Der ORF muss beim Kommerz sparen und nicht beim Kulturauftrag.

PULS 4 hat seit einiger Zeit immerhin die Champions-League-Rechte. Wie hat sich das ausgewirkt?
0,3 Prozent haben wir mehr als letztes Jahr und sind damit der meistgesehene Privat-TV Sender bei der Gesamtbevölkerung. Das sind kleine Veränderungen. Aber es geht hier nicht primär darum, dass wir dem ORF was wegnehmen wollen, sondern darum, dass ein normaler, fairer Wettbewerb entsteht, wie in Europa üblich.

Zu Programmlichem: Ist was dran an dem Gerücht, dass PULS4 die Stronach-Kandidaten-Castingshow online umsetzt?
Nein.

Wie entwickelt sich die Vorabendsendung „Guten Abend Österreich“?
Im ersten Teil sind wir zufrieden, im zweiten Teil noch nicht. Das ist interessant, weil der erste Teil der News-Teil ist. Das ist umgekehrt, als wir es erwartet haben. Deswegen arbeiten wir jetzt intensiv am zweiten Teil. Die Sendung ist ein sehr langfristiges Projekt, dem man Zeit geben muss.

Warum sind Nachrichten wichtig für Privatsender?
Ich glaube, dass wir in Österreich unbedingt den Anspruch haben müssen, dass es eine zweite unabhängige Informationsquelle neben dem ORF gibt. Im Fernsehbereich hat es früher eine einzige Informationsquelle gegeben, nämlich die ZiB – und wir wissen ja, wie es im ORF mit dem staatlichen Einfluss bestellt ist. Deswegen stecken wir sehr viele Ressourcen in den Informationsbereich, um Meinungspluralismus zu ermöglichen.

Seit einiger Zeit gibt es den Spartensender Sixx. Sind weitere geplant?
2013 sicher nicht, aber ich schließe nicht aus, dass wir in den nächsten Jahren weitere Spartensender machen. Es gibt Ideen. Aber im Moment konzentrieren wir uns auf unsere Online- und Startup-Aktivitäten.

Sie sind auch Obmann der AGTT (Arbeitsgemeinschaft Teletest). Wie ist der Stand in Sachen Vernetzung von TV- und Online-Quoten?
Nächstes Jahr werden wir eine so genannte Hybridquote anbieten können, das heißt, wir werden Online- und Fernsehviews vergleichbar darstellen können. Und zweitens arbeiten wir an der Vergleichbarkeit der Reichweite aller Medien im Medienserver. Man muss aber immer dazusagen, dass alle Pre-Tests zeigen, dass Fernsehen immer noch weitaus stärker ist als Online-Video-Nutzung. Ein kleines Beispiel: Der kleine Nachrichtensender n-tv in Deutschland hatte mit dem Stratos-Sprung so viele Zuschauer wie YouTube an seinem Rekordtag weltweit.

Herz von Österreich
Im Dezember startet PULS4 die „Österreichmusik“-Show „Herz von Österreich“. In acht Qualifikationsshows kämpfen nationale Musiker aus verschiedenen Genres um den Einzug in das Live-Finale. Bewerbungen sind ab sofort möglich (herz.puls4.com).

Wahlberichte
PULS 4 plant nach eigenen Angaben die umfangreichste Wahlberichterstattung aller Privatsender: Vorgesehen sind u. a. Spezialsendungen in Bürgerforum-Setting.

Mit "Rezept für Österreich" hat PULS4 sein Politprogramm rund um die Wahl bereits gestartet.

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