WM-Studio "scharf an der Grenze zum Sexismus"

ORF-Moderator Bernhard Stöhr mit Samba-Tänzerinnen. Das WM-Studio sollte mit "Copacabana-Flair zum WM-Hotspot" werden.
Nach Kritik in den sozialen Netzwerken beschäftigte die WM-Berichterstattung nun auch den Publikumsrat.

Das WM-Studio des ORF steht in der Kritik. In sozialen Netzwerken und verschiedenen Medien gibt es für die ballermannmäßige Aufbereitung der Fußball-Show bereits seit WM-Beginn heftigen Gegenwind. Nun kommen auch kritische Stimmen aus dem ORF-Publikumsrat. "Scharf an der Grenze zum Sexismus" ortete etwa Eva Blimlinger die Inszenierung mit "Go-Go-Tänzerinnen" und war mit dieser Kritik nicht allein.

Die Gestaltung des WM-Studios, der wiederholte Auftritt leicht bekleideter Samba-Tänzerinnen, die Medienkritiker an die Anfänge des deutschen Privatfernsehens oder italienische Showgirl-Einlagen erinnern, Gesangeinlagen abgehalfterter Schlagerstars - diese Mischung sorgte am Dienstag auch im ORF-Publikumsrat für einige Diskussionen. ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner verwies denn auch auf bereits durchgeführte Adaptierungen.
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Was bisher im WM-Studio geschah

WM-Studio "scharf an der Grenze zum Sexismus"

FIFA WM 2014: Das 250-Stunden-Fußballfest im ORF s
WM-Studio "scharf an der Grenze zum Sexismus"

FIFA WM 2014: Das 250-Stunden-Fußballfest im ORF s
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Semino Rossi…
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FIFA WM 2014 in Brasilien
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"Gehopse"

Publikumsrat Beppo Mauhart betonte als "bekannter Macho", die sportliche Berichterstattung des ORF rund um die WM würde im "krassen Unterschied zum Zwischenprogramm" stehen, wobei er "dieses Gehopse an der Grenze zur Peinlichkeit" sah. "Das ist des ORF nicht würdig und kann man sich ganz sicherlich ersparen." Ähnlich argumentierte Willi Mernyi: "Was haben die, die sich das überlegt haben, eigentlich für ein Bild vom Publikum vor dem Fernseher? Gerade die WM ist auch ein Familien-Event."

"Die Diskussion, wie der Auftritt der Damen im WM-Studio stattfindet, war eine sehr intensive, vor allem nach den ersten Auftritten", erklärte Fernsehdirektorin Zechner dem ORF-Gremium. Eine "Geschmacksdebatte" wollte sie im Publikumsrat zwar nicht führen, betonte allerdings, dass sie "alles, was auch nur in Richtung Sexismus geht", heftig bekämpfen werde. Zudem habe sie bereits in die Gestaltung eingegriffen. Mittlerweile sei es dadurch zu "einer Durchmengung von männlichen und weiblichen Auftritten sowie einer Zurücknahme der Damen" gekommen. Man werde jedenfalls gemeinsam mit ORF-TV-Sportchef Hans Peter Trost weiter daran arbeiten.

"Tanzen nicht die ganze Nacht"

WM-Studio "scharf an der Grenze zum Sexismus"
ORF-Sportchef Trost selbst reagiert auf die bisher geäußerte Kritik übrigens gelassen. "Ja, sie tanzen Samba im WM-Studio, aber nicht die ganze Nacht", so Trost in einem Gastkommentar für die neue Ausgabe der Programmzeitschrifttv-media.Dass derORF mit seinen Künstlerauftritten im WM-Studio billigste Klischees bediene, wies Trost zurück. Die Auftritte dauerten jeweils nur einige wenige Minuten. "Und davor, dazwischen und danach? Vorberichte, Spiele, Analysen. Fakt ist: An die 5 Mio. Seher haben bislang die WM-Spiele verfolgt. Im selben Zeitraum gab es beim Kundendienst 26 negative Reaktionen. Und gute Nacht!"

Thema EU-Wahl-Berichte

Im Zentrum der ersten Arbeitssitzung des neu zusammengesetzten Publikumsrates stand neben den WM-Aktivitäten des ORF die EU-Wahl-Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Senders. Während Zechner sowie ORF-Hörfunkdirektor Karl Amon die Eckpunkte des geleisteten Programms zusammenfassten, forderten die Publikumsräte eine stärkere Zuwendung zu EU-Themen "auch im Normalbetrieb" ein, wie es beispielsweise Andreas Kratschmar formulierte. "Mehr nachhaltiges Engagement des ORF ist hier gefragt, auch im Sinne einer europäischen Öffentlichkeit." Die Fernsehdirektorin betonte, dass "das Thema definitiv nicht vom Radar" sei und auch im regulären Programm, etwa den "ZiB"-Ausgaben, stark berücksichtigt werde.

Punkto EU-Wahl-Berichterstattung, bei der man laut ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz "historische Maßstäbe" gesetzt habe, wurde auch eine Umfrage des SORA-Instituts präsentiert. Diese erhob in zwei Wellen - im Februar sowie im Anschluss an die Wahl - den Wissensstand der heimischen Bevölkerung zur Europapolitik sowie deren Mediennutzung. 69 Prozent zeigten sich zufrieden bzw. sehr zufrieden mit der Berichterstattung des ORF, für 70 Prozent handelte es sich um verständliche, sachliche, umfassende und kompetente Informationen, wie Wrabetz darlegte. 54 Prozent der regelmäßigen Nutzer des ORF-Angebots gaben zudem an, sich aufgrund der Berichterstattung besser informiert zu fühlen. Vor der Wahl lag diese Selbsteinschätzung bei 38 Prozent.

Am Rande gestreift wurde von Zechner auch der weitere Fahrplan rund um den Song Contest: Noch im Juli wolle man neben Austragungsort und Datum einen Slogan fixieren, im August komme es dann zur Vertragsunterzeichnung zwischen dem ORF und der European Broadcasting Union (EBU). Das Budget werde im Oktober vorgestellt, bevor im Dezember das "Final Theme Art", also das Design für den Eurovision Song Contest 2015 feststehen soll. Die endgültige Teilnehmerliste der Länder sowie der künstlerische Ablauf stehen schließlich im kommenden Jahr an.

Von den Publikumsräten angesprochen wurde auch die jüngst geäußerte Sorge der Ö1-Redakteure angesichts knapper Personalressourcen. "Gott sei Dank sind die Fakten nicht ganz so schlimm, wie sie meine Redakteursvertretung befürchtet hat", meinte Amon dazu. Derzeit habe man, vor allem aufgrund einiger Krankenstände, "in manchen Redaktionen Verbesserungsbedarf, aber nicht in dem Ausmaß, wie befürchtet".

Als "Gehopse an der Grenze zur Peinlichkeit" bezeichnete ORF-Publikumsrat Beppo Mauhart die Tanzeinlagen von textil unterversorgten Samba-Damen im WM-Studio. Seine Kollegin Eva Blimlinger betrachtet die Grenze sogar als überhopst, und zwar die zum Sexismus. Die Fernseh-Direktorin beruhigt: Es sei bereits zur "Durchmengung von männlichen und weiblichen Auftritten sowie einer Zurücknahme der Damen" gekommen.

Das wirft Fragen auf: Welche Herren werden zur Durchmengung herangezogen? Pariasek? Prohaska? Oder gibt es dafür eine eigene Castingshow – "Austria’s next Durchmengungs-Star"? Gibt es eine eigene Durchmengenlehre – und ist Durchmengen im Fernsehen überhaupt jugendfrei? Und Zurücknahme der Damen, gut und schön – was ist, wenn niemand sie zurückhaben will?

Möglicherweise zur Entschädigung der Seher hat der ORF jetzt ein Gewinnspiel gestartet: "Zum wievielten Mal findet heuer eine Fußball-WM in Südamerika statt?" Das ist leicht: heuer zum ersten Mal.

Fast zwei Wochen dauert jetzt bereits die schönste Jahreszeit von allen, auch Fußball-WM genannt, und noch immer will sich kein Gewöhnungseffekt einstellen. Die Rede ist vom ORF-WM-Studio: Es ist so aberwitzig schiach, dass die Augen jedes Mal aufs Neue zu tränen beginnen und man sich jedes Mal aufs Neue fragt: Das kann doch nicht sein, dass die das ernst meinen! Das Ganze sieht aus wie eine Mischung aus "Am dam des" nach dem Atomkrieg, einem Werbespot für Maracuja-Limonade, bei dem jemand psychedelische Drogen in den Saft gemischt hat, und jenem schweren Traum, den man nach dem Verzehr von 20 Bounty-Riegeln vermutlich hat. In der Tat ist es verblüffend, dass sich noch kein Kommentator oder Analyst in die Deko übergeben hat. Unappetitlich ist auch das zwanghafte Vorführen von halb nackten Samba-Tänzerinnen – welchen Zweck haben die konkret in einer Sportsendung? Außer ein paar verschwitzte Fantasien zu bedienen?

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