ORF-Gesetz: Eine Mini-Reform macht Schwierigkeiten

ORF-Gesetz: Eine Mini-Reform macht Schwierigkeiten
Rot und Schwarz ringen bis spätestens Donnerstag um das ORF-Gesetz.

Schon am 7. April soll der neue Publikumsrat des ORF das erste Mal zusammentreten. Aber auf welcher rechtlichen Basis? Der Verfassungsgerichtshof hatte bereits vor mehr als zwei Jahren die Faxwahl der Räte aufgehoben. An einer Last-Minute-Reparatur des Gesetzes wird derzeit noch gearbeitet. Diesen Donnerstag soll ein Initiativantrag der Regierung im Verfassungsausschuss des Nationalrates eingereicht werden, der in einer Minimalvariante Änderungen vornimmt. Bisheriger Stand: Die Faxwahl wird gestrichen. So weit, so simpel. Verschiebt sich damit das unter der "Wenderegierung" Wolfgang Schüssels ersonnene und komplizierte Bestellungsprozedere womöglich weiter zugunsten der Kanzlerpartei?

Auf der Bremse

Die ÖVP steht auf der Bremse. Über zwei Sätze im Gesetz wird noch gerungen werden, wobei über Details geschwiegen wird. "Derzeit gibt es noch keine Einigung. Ob es eine Beschlussfassung am 20. März im Verfassungsausschuss geben wird, ist daher noch offen", erklärte ÖVP-Verhandler Gernot Blümel. Im Umfeld von Medienminister Josef Ostermayer verweist man auf Donnerstag.

Hoffnungen auf eine große ORF-Reform haben sich schon längst zerschlagen. Kurt Bergmann, Mitglied in der von Kanzler Werner Faymann vor zwei Jahren eingesetzten Reformgruppe, erinnert in einem dem KURIER vorliegenden Brief (siehe unten) an den Regierungschef an die damaligen Vorhaben: Der "unübersichtliche Stiftungsrat" müsse ein "ordentlicher Aufsichtsrat ... mit 10 bis 15 hoch qualifizierten Leuten" werden, hatte Faymann damals postuliert. Bergmann verwies auf die Empfehlungen der Reformgruppe, die eine "Neuordnung und Entpolitisierung" des obersten ORF-Gremiums empfahl und für eine "transparente Bestellung fachlich qualifizierter und parteipolitisch unabhängiger Personen" eintrat.

Wien am 16. März 1014

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Werner Faymann,
sehr geehrter Herr Vizekanzler Michael Spindelegger,
sehr geehrter Herr Bundesminister Josef Ostermayer!

Mit tiefer Enttäuschung stellt die Öffentlichkeit in diesen Tagen fest, dass entgegen den Absichtserklärungen der Regierung und einer Reihe sehr zukunftsweisender Vorschläge – sowohl von der im Bundeskanzleramt eingerichteten „Arbeitsgruppe ORF-Reform“, als auch vom „ORF-Redakteursrat“ - die obersten Organe des ORF (Publikums- und Stiftungsrat) in den nächsten Tagen wiederum nach dem selben verfassungswidrigen Muster bestellt werden, wie bisher.

Es wird weiterhin einen überdimensionalen Stiftungsrat mit 35 Mitgliedern geben, von denen allein 24(!) von Parteisekretariaten und Regierungen (Bund, Länder) nominiert werden. Derzeit gelten überhaupt nur 4 der 35 als politisch unabhängig.

Von den großen Ankündigungen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen des ORF von Grund auf neu zu gestalten, ist außer einem verschwommenen Absatz im Regierungsabkommen 2013, der „die zentrale demokratie- und gesellschaftspolitische Rolle" des ORF betont, de facto nichts geblieben.

Dabei haben Sie, Herr Bundeskanzler vor zwei Jahren, am 24. April 2012, öffentlich eine Neugestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks versprochen. Der „unübersichtliche Stiftungsratmüsse ein „ordentlicher Aufsichtsrat…. mit 10 bis 15 hochqualifizierten Leuten“ werden. Sie wolltenklare Vorschläge so schnell wie möglich“, denn, "die Österreicher wollen in erster Linie einen unabhängigen ORF“.

In Übereinstimmung mit dem Bundeskanzler haben Sie, Herr Vizekanzler das Vorhaben der Regierung als „gewaltige Reform“ bezeichnet und Sie Herr Bundesminister haben die „Arbeitsgruppe ORF-Reform“ ins Leben gerufen, der die Mediensprecher der Parlamentsparteien und Experten angehören, vile Lösungsvorschläge zur Diskussion standen

Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf. Die Vorschläge aus der „Arbeitsgruppe ORF-Reform“ und die praxisnahen Empfehlungen des ORF-Redakteursrates liegen seit längerer Zeit auf dem Tisch:

  • Neuordnung und Ent-parteipolitisierung des Stiftungsrates (Verkleinerung auf 15 Personen)
  • Transparente Bestellung fachlich qualifizierter und parteipolitisch unabhängiger Personen.
  • Aufwertung des Publikumsrates zum Rundfunkrat durch mehr Mitsprache bei den Zielsetzungen des Unternehmens.
  • Mitarbeiter von Regierungen, Parteien oder deren Vorfeldorganisationen dürfen nicht in die obersten Organe berufen werden.
  • Geheime Abstimmungen bei Personalentscheidungen bei der Bestellung der Geschäftsführung.
  • Ausbau des Föderalism.us durch mehr Eigenständigkeit für die Landesstudios.
  • Mehr Eigenverantwortung und Mitbestimmung der Mitarbeiter/innen.
  • Sicherung der Finanzierung durch Umwandlung der derzeitigen „Gebühren“ in eine Medien-/Haushaltsabgabe.

Als Mitglied der „Arbeitsgruppe ORF-Reform“ im Bundeskanzler, die bereits gute Vorarbeit geleistet hat, appelliere ich - auf der Basis Ihrer seinerzeitigen Ankündigungen - an Sie, diese Vorschläge möglichst rasch in Gesetzesform zu gießen, damit sie umgehend im Parlament beraten und beschlossen werden können.

Die österreichische Verfassung verlangt ausdrücklich, von einem „Rundfunkgesetz“, dass es Bestimmungen enthalten muss, „die die Objektivität und Unparteilichkeit derBerichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe…, gewährleisten.“

Aus den von Ihnen vor zwei Jahren postulierten Zielsetzungen für eine große ORF-Reform lässt sich klar ableiten: Sie wissen genau, dass das derzeit geltende „ORF-Gesetz“ in keinster Weise diesem Auftrag(!) entspricht. Daran ändert auch die jetzt im Nationalrat zu behandelnde Mini-Novelle nichts, die lediglich die höchstgerichtliche Aufhebung der unglückseligen „Faxwahl“ zum Publikumsrat sanieren soll.

Hochachtungsvoll

Kurt Bergmann

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