Nach Rügen: "Österreich" klagt Presserat

Nach Rügen: "Österreich" klagt Presserat
Die Mediengruppe "Österreich", die vom Presserat wiederholt wegen ihrer Berichterstattung gerügt wurde, klagt nun das Gremium.

Die Mediengruppe "Österreich" hat nach einer Reihe von Verurteilungen durch den Presserat Klage gegen das Selbstkontrollorgan eingereicht. Die Klage soll offenbar darauf hinauslaufen, dass der Presserat Artikel und Beiträge der Tageszeitung Österreich künftig nicht mehr prüfen darf.

Presserat wehrt sich

Beim Presserat wehrt man sich gegen diese Vorgangsweise. "Wenn diese Klage durchginge, würde das die Grundidee des Presserats aushebeln", so Presserats-Präsident und KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger gegenüber der APA.

"Erklärte Absicht war es, eine Organisation zu schaffen, die sich um die Einhaltung des Ehrenkodex für die österreichische Presse und die darin festgehaltenen Grundsätze für die publizistische Arbeit sowie um die Weiterentwicklung medienethischer Standards in diesem Land kümmert. Solche Standards haben wir etwa jüngst mit unseren Richtlinien zur Suizidberichterstattung oder auch den Richtlinien für Wirtschafts-und Finanzjournalismus entwickelt."

Die Mediengruppe Österreich, die beim Presserat bisher nicht Mitglied ist, wurde in den vergangenen Monaten wiederholt wegen boulevardesker und unethischer Berichterstattung gerügt.

"Österreich" ortet "Rechteanmaßung"

Die Tageszeitung Wolfgang Fellners hat dem Verein deshalb bereits zu Jahresbeginn mit Klage gedroht. Nun wurde diese Drohung wahr gemacht. Österreich stützt sich dabei auf das Wettbewerbsrecht, will unter anderem untersagen lassen, dass sich der Presserat behördenähnlich präsentiert und weiterhin Österreich-Berichte vom Presserat beurteilt werden. Bei Österreich vertritt man die Ansicht, dass sich im Presserat vor allem Konkurrenzmedien zusammengetan hätten und Entscheidungen vor diesem Hintergrund getroffen würden.

Die Mediengruppe Österreich begründet ihre Klage gegen den Presserat mit der "Verhinderung von pseudostaatlichen Rechteanmaßungen" durch das Selbstkontrollorgan. Österreich wurde vom Presserat in den vergangenen Monaten wiederholt wegen boulevardesker und unethischer Berichterstattung gerügt. Der Presserat entscheide "in nicht gerechtfertigter Weise über Nichtmitglieder", teilte die Mediengruppe dazu am Dienstagnachmittag in einer Aussendung mit.

   Der Presserat werde unter anderem vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) getragen, welcher Österreich trotz mehrmaliger Anfragen nicht als VÖZ-Mitglied zugelassen habe. Durch die "Anmaßung staatlicher Befugnisse" im Presserat verzerrten die im VÖZ und im Presserat vertretenen Zeitungen den Wettbewerb, so die Rechtsmeinung bei Österreich. Und die Tätigkeit des Presserats sei auch nicht durch die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene Meinungsfreiheit gedeckt.

   "Es geht in der gerichtlichen Feststellung darum, ob ein Gremium, welches einen Mitbewerber wissentlich und willentlich ausschließt, über eben diesen nach willkürlichen Maßstäben richten darf", so Österreich-Geschäftsführer Oliver Voigt. Darüber hinaus stehe man "einem wirklich unabhängigen und demokratisch legitimierten Presserat natürlich aufgeschlossen gegenüber. Dieser kann allerdings nicht vom VÖZ dominiert und bestimmt werden.

Presserat: "Keine wettbewerbliche Zielsetzung"

Presserats-Präsident Kralinger hält solche Kritik für abwegig. "Die Zielsetzung des Presserats ist eine ideelle und in keiner Weise eine wirtschaftliche oder gar wettbewerbliche. Der Presserat ist auch keine isolierte österreichische Erfindung, derartige Institutionen gibt es in allen entwickelten Demokratien. 58 Prozent der Mitgliedsländer des Europarats verfügen über eine Medien-Selbstkontrolleinrichtung. Wir laden Wolfgang Fellner ein, über die Entscheidungen des Presserats mit uns zu diskutieren, aber die Meinungsäußerung darüber zu verbieten, ist sicher der falsche Weg." Für Fellner seien ja keinerlei Sanktionsverpflichtungen bei Presseratsentscheidungen verbunden. "Er muss nur die Meinungsäußerung erdulden. Jemand, der selbst alle Möglichkeiten eines Mediums nutzt, muss akzeptieren, dass über das, was berichtet wird, diskutiert wird."

   Medienanwältin Maria Windhager, die den Presserat vertritt, sieht der Österreich-Klage gelassen entgegen. "Kritik an Presseratsentscheidungen ist jederzeit willkommen, aber es ist absurd, dem Presserat die Meinungsäußerung verbieten zu wollen." Der Presserat sei ein Organ, in dem Journalisten ihre Arbeit reflektieren. Die Senate des Presserats seien ausgewogen und überwiegend mit Journalisten besetzt und entschieden nicht nach dem Mediengesetz, sondern nach dem Ehrenkodex, Beschwerdeführer verzichteten auf den Rechtsweg vor den Mediengerichten. "Die medienethische Beurteilung ist eine andere als die medienrechtliche. Und es geht um die Autonomie der Medien. Das nützt der gesamten Branche, auch Wolfgang Fellner." Schließlich habe die presseratslose Zeit in den 2000er Jahren die Diskussion über mögliche staatliche Kontrollmechanismen befördert.

   Es gehe aber auch darum, der Branche Orientierung für große Geschichten à la Fritzl, Kampusch oder Skinhead-Affäre zu bieten, die zu medienethischen Diskussionen führen, so Windhager. "Derartige Diskussionen beleben und befruchten die Medienlandschaft", ist auch Kralinger überzeugt. "Wir wollen für die Branche allgemeingültige Standards entwickeln, im Bewusstsein, dass Journalismus Freiheit und Verantwortung bedeutet. Wenn die Journalisten in diesem Land selbstbewusst darauf hinweisen, dass unabhängige Medien ein wichtiges Element einer demokratischen Gesellschaft sind, dann muss aber auch klar sein, dass die Freiheit nicht grenzenlos ist. Selbstkontrolle ist dabei grundsätzlich besser als Fremdkontrolle."

   Der Österreichische Presserat ist im November 2010 nach acht Jahren Pause und selbstkontrolllose Zeit neu gegründet worden. Inzwischen wurden weit über 100 Fälle abgehandelt. Trägerverbände sind der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), die Journalistengewerkschaft, der Österreichische Zeitschriften- und Fachmedienverband (ÖZV), der Verband der Regionalmedien Österreichs (VRM), der Verein der Chefredakteure sowie der Presseclub Concordia.

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