Migranten auf den Schirm bringen

Katrin Zechner,Alice Tumler
ORF-TV-Direktorin Kathrin Zechner und „Große Chance“- Moderatorin Alice Tumler im Interview über Förderung von Migranten im ORF.

KURIER: Wieso sieht man eigentlich so wenige Migranten im ORF?

Kathrin Zechner: Wenn man hinschaut, sieht man sehr viele. Das Ziel ist in der Strategie, die wir hier in der Fernsehdirektion fahren, dass wir sehr wohl Persönlichkeiten mit Migrationshintergrund auf den Schirm bringen und zwar in verschiedensten Formaten. Ob das in Film und Serie, in Talk oder Information ist. Weil es mir extrem wichtig erscheint, Normalität zu verbreiten: Es sanft zur Normalität werden zu lassen, dass dieses Land ein vielfältiges ist.

Frau Tumler: Ist es aus Ihrer Sicht schwierig für Menschen mit Migrationshintergrund, in österreichischen Medien Fuß zu fassen?

Tumler: Ich kann die Frage nicht beantworten, weil ich den gegenteiligen Weg gegangen bin. Ich habe es gleich im Ausland probiert, weil ich immer die Welt bereisen wollte. Dann ist der ORF auf mich zugegangen. In dem Fall müsste ich also die Frage beantworten: Nein, es ist nicht schwer.

Frau Tumler: Sie haben Ihre Karriere in Frankreich begonnen. Wie präsent sind dort Migranten im Fernsehen?

Tumler: Es ist stärker ausgeprägt, das kommt aber auch von der Geschichte des Landes her. Frankreich hat als frühere Kolonialmacht schon sehr lange mit Afrika und Asien zu tun gehabt. Gleich wie das in England schon früher Thema war. Vor allem im Film: Es gibt sehr viele nordafrikanische Produzenten und Regisseure. Die erobern jetzt die französische Filmwelt. Arabische Schauspielerinnen sind begehrte Darstellerinnen nicht nur in der Rolle der Fremden, sondern als Französinnen.

Ein großer Sender wie der ORF vermittelt auch Rollenbilder. Wie wichtig ist es, hier einen Ausgleich zu schaffen?

Zechner: Ich halte es für ganz wichtig, die Bandbreite, die man in der Bevölkerung hat und in der Bandbreite der Formate, die wir haben, die Vielseitigkeit aufzuzeigen. Vorurteile werden ja gerne mit Ängsten geschürt. Wir haben auch das Projekt „New Faces“ gestartet, eine Datenbank von Experten. In der ersten Runde haben wir bewusst Frauen gesucht, die in Diskussionen einsteigen können. Im zweiten Schritten haben wir sie ergänzt mit Menschen mit Migrationshintergrund, die als Expertinnen und Experten infrage kommen.

Tumler: Es ist aber ein Unterschied, ob man nach Österreich zieht, weil man Forscher ist und einen gut bezahlten Job annimmt, oder ob man hierher flüchten musste.

Warum gibt es so wenige sichtbare Journalisten mit Migrationshintergrund?

Zechner: Ich würde mal vermuten, dass es noch nicht sehr einfach ist, über den Kindergarten, die Schulen, die Unis und dann über die Praktika in den Beruf hineinzukommen. Aber es gibt natürlich auch Journalisten mit Migrationshintergrund.

Aber fördern Sie diese?

Zechner: Das tun wir. Wir suchen die journalistischen Talente und bauen sie in den Redaktionen und der Moderation auf. Wir laden gezielt zu Castings ein, schauen uns bewusst an, wer die Chance auf einen der wenigen neuen Redaktionsjobs oder Praktikumsplatz bekommt. Vielfalt ist ja ein Wert für ein Unternehmen, und wir haben eine Diversity-Strategie, die schrittweise aufgeht.

Wie weit könnte es gehen? Könnten Sie sich zum Beispiel auch vorstellen, dass eine Muslimin mit Kopftuch die „Zeit im Bild“ moderiert?

Zechner: Ich kann mir mehr vorstellen, als manche wollen, glaube ich. Ich halte es aber für wichtig, eine sanfte Umwälzung vorzunehmen. Eine Provokation, die nach drei Wochen fällt, nützt nichts. Der Diskurs um das Kopftuch ist feinsinnig und nicht plakativ zu lösen.

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