"Kaufmedien sind auf einem sehr guten Weg"

"Kaufmedien sind auf einem sehr guten Weg"
Das Interview des neuen VÖZ-Präsidenten Thomas Kralinger im Wortlaut.

Der frisch gewählte Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ), Thomas Kralinger, gibt im APA-Interview einen Ausblick auf die Agenden des VÖZ in den kommenden Jahren.

Trotz stabiler Reichweiten leidet die Branche unter Anzeigeneinbrüchen und sinkenden Erlösen. Es heißt, die Verleger hätten den digitalen Umbruch verschlafen. Was kann man als Verlegerverband tun, um dennoch gegenzusteuern oder kann hier nur jedes Medienhaus für sich agieren?
Ich sehe Österreichs Kaufzeitungen und -magazine auf einem sehr guten Weg was die Transformation betrifft. Als Verlegerpräsident will ich unseren Mitgliedsmedien keine Anleitungen zum operativen Geschäft geben, die wissen selbst sehr gut was sie tun. Doch der VÖZ wird sich bei der Politik weiterhin mit Vehemenz für Chancengleichheit, Fairness und korrektere Marktverhältnisse am heimischen Onlinemarkt einsetzen. Bereits mehr als die Hälfte der heimischen Online-Werbeerlöse verbuchen Marktteilnehmer, die kaum Arbeitsplätze und Steuerleistung in Österreich schaffen, aber ihr Geschäftsmodell auf der Leistung österreichischer Verlage aufbauen. Völlig unverständlich ist, wieso Print mit einer fünf prozentigen Werbeabgabe belastet wird und die Onlinewerbung, die zum Großteil von US-amerikanischen Konzernen abgeschöpft wird, frei geht. Unser erklärtes Ziel ist weiterhin die vollständige Abschaffung der Werbeabgabe: Damit wäre der gesamten Medienbranche überhaupt am meisten geholfen. Denn der Gesetzgeber nimmt mit den Einnahmen der Werbeabgabe in weniger als zwei Monaten in etwa das Volumen der Presseförderung ein. Doch leider ist dieses Vorhaben aufgrund der knappen öffentlichen Budgets realpolitisch schwer umsetzbar. Zurzeit bevorzugt der Gesetzgeber die Onlinewerbung, während er bei der Printwerbung abkassiert, daher brauchen wir zumindest eine Gleichbehandlung aller Werbeformen.

Ihr Vorgänger hat sich in letzter Zeit für ein Leistungsschutzrecht und die Einführung der Werbeabgabe für Online stark gemacht. Teilen Sie diese Ambitionen? Was erwarten Sie vom Leistungsschutzrecht?
Das sind für mich keine Ambitionen sondern konkrete Ziele. Ich bedaure, dass die Diskussion um einen besseren Rechtsschutz von Zeitungsinhalten im Internet teilweise unsachlich geführt wird. Denn geistiges Eigentum muss auch im Web einen höheren Stellenwert einnehmen. Gerade eine Wissensgesellschaft sollte vor kreativem und geistigem Schaffen mehr Respekt haben. Die Möglichkeiten für Nutzung und Verbreitung unserer teuer produzierten Zeitungsinhalte in der digitalen Welt, machen ein konkretes Handeln unverzichtbar. Erst der Rechtsschutz für Content und die Durchsetzbarkeit von Leistungsschutzrechten machen Erlösmodelle für den Qualitätsjournalismus im Web möglich. Priorität Nummer Eins ist daher die Umsetzung eines Leistungsschutzrechtes.

Müssen Sie nicht befürchten, dass durch die Einführung einer Werbeabgabe auf Online lediglich das Volumen der Onlinewerbung zurückgeht?
Nein das befürchte ich nicht. Unser Vorschlag würde so lauten, dass eine Online-Werbeabgabe wieder in den Markt zurückfließt. Schließlich sollen jene fünf Prozent, die durch eine Abgabe auf Online-Werbung, eingenommen werden, für den Qualitätsjournalismus im Web zweckgewidmet werden. Wenn es damit eine weitere Finanzierungsquelle für hoch qualitativen Content im Web gibt, wird in weiterer Folge auch das Werbeumfeld für potenzielle Kunden attraktiver.

Branchenkenner gehen davon aus, dass Printausgaben künftig vor allem aus Imagegründen erscheinen werden, die Hauptnutzung von Zeitungen aber digital passieren wird. Andererseits bringt ein Online-Nutzer einem Verlag rund 90 Prozent weniger Umsatz als ein Printnutzer. Was tun? Ist Paid Content die Lösung?
Selbst ernannte Branchenkenner, die Print die Relevanz absprechen und gedruckte Zeitungen und Magazine lieber heute als morgen in der Bedeutungslosigkeit verschwinden sehen wollen, gibt es leider in unserer Branche in einer Vielzahl wie sonst in keinem anderen Wirtschaftszweig. Die Fakten sprechen zumindest hierzulande eine andere Sprache: Kaufmagazine und Kauftageszeitungen haben stabile Leserzahlen und wenn wir als Medienverantwortliche unsere Hausaufgaben richtig machen, auch noch eine lange Zukunft. Die Finanzierung der Printmedien wird Großteils aus den Vertriebserlösen erfolgen müssen und dazu gehört natürlich eine Fokussierung auf Paid-Content. Die Etablierung einer Bezahlschranke am österreichischen Onlinemarkt ist für viele Verlagshäuser eine interessante Option, aber aufgrund der dominanten Stellung von ORF.at ein schwierigeres Unterfangen. Da haben es unsere Kollegen in Deutschland oder der Schweiz deutlich einfacher. Hier sind wir Verlagshäuser gefordert, trotz gebührenfinanzierter ORF-Konkurrenz, unique Inhalte zu erstellen, für die der Nutzer bereit ist zu zahlen. Aber es braucht in absehbarer Zeit auch zukunftsfähige Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber.

Es steht die Reform der Presseförderung an. Welche Eckpfeiler muss die neue Presseförderung haben? Fordern Sie auch 50 Mio. Euro für die Printmedien?
Die Reform der Presseförderung ist eines der ganz heißen Themen. Das möchte ich nicht nur an einer Summe festmachen. Die Presseförderung ist für mich das Bekenntnis der Politik für Unabhängigkeit und Vielfalt der österreichischen Presse. Gerade kleinere Titel in den Regionen brauchen diese wie einen Bissen Brot zum Überleben. Mittlerweile ist die Dotierung dieses Förderinstruments auf einem neuen Tiefstand, seit Beginn des neuen Jahrtausends hat die Regierung nie weniger für die Pressevielfalt ausgegeben als heute. Auch 2013 ist eine weitere Kürzung vorgesehen. Dabei müsste bei den aktuellen Pisa-Zahlen, die Österreich Jugend ein dramatisches Absacken bei der Lesekompetenz bescheinigt haben, die Alarmglocken bei der Politik läuten lassen. Mehr als jeder vierte Jugendliche hat eine Leseschwäche. Eine wesentliche Säule der Presseförderung Neu muss daher die Leseförderung sein. Denn eine Wissensgesellschaft, deren Kinder die Kulturtechnik Lesen nur mehr mangelhaft ausüben können, ist zum wirtschaftlichen und kulturellen Abstieg verdammt. In den skandinavischen Ländern hat man die Bedeutung der Zeitungen und Magazinen für die Lesekompetenz der Kinder und Jugendlichen bereits erkannt. Das macht sich auch bei den Pisa-Zahlen bemerkbar, denn den niedrigsten Anteil an leseschwachen Jugendlichen gibt es in Finnland mit nur knapp acht Prozent.

Der ORF wünscht sich die Einführung der Haushaltsabgabe und meint, die Presseförderung könnte aus jenem Geld gespeist werden, das jetzt gemeinsam mit der ORF-Gebühr eingehoben wird und an die Länder geht. Realistisch?
Ich freue mich natürlich über jeden Mitstreiter für die Presseförderung. Doch ich kenne die Pläne des Generaldirektors Dr. Wrabetz zu wenig, um etwas über Wahrscheinlichkeiten von Wünschen sagen zu können. Aber wenn Herr Dr. Wrabetz jenes Geld, das bisher die Bundesländer als Kulturabgabe mit der GIS-Gebühr eingenommen haben, in den Fördertopf der Presseförderung umleiten will, wünsche ich ihm viel Erfolg bei den Verhandlungen mit den Ländern. Da stelle ich mir die Umsetzung nicht einfach vor. Aus unserer Sicht sollte eine Haushaltsgabe eingeführt werden, die auch privaten Anbietern von Public Value zu Gute kommt. Damit schaffen wir einen Qualitätswettbewerb um Gebührenmittel, denn öffentlich-rechtlicher Content wird ja nicht alleine vom ORF erstellt. Letztlich profitiert der Konsument von mehr Unabhängigkeit, Meinungsvielfalt und einem besseren Programm durch mehr Wettbewerb am Medienmarkt.

Der VÖZ ist in Sachen ORF-TVthek-Vermarktung auf ORF-Kurs eingeschwenkt, unter der Bedingung, dass die Verleger den Content selbst nutzen und vermarkten dürfen. Haben Sie vor, dem ORF Lizenzgebühren zu zahlen oder erwarten Sie, den Content gratis zu bekommen?
Wir sind keineswegs auf ORF-Kurs eingeschwenkt, sondern haben in unserer Stellungnahme auf die Folgen einer Vermarktung der TVthek für den Onlinemarkt hingewiesen. Wir werden das sehr genau beobachten. Darüber hinaus können wir uns eine Vermarktung nur unter sehr konkreten Bedingungen vorstellen, die im Detail noch zu verhandeln wären. Zu allererst gilt es jedoch abzuwarten, ob die Behörde die Vermarktung überhaupt bewilligt. Eine vorbehaltlose Vermarktung würde aufgrund der Größenverhältnisse die privaten Anbieter benachteiligen.

Der VÖZ hatte immer Bedenken geäußert, der ORF könnte durch die TVthek-Vermarktung die Online-Werbepreise zerstören. Wodurch konnte diese Sorge ausgeräumt werden?
Die Sorge ist bisher nicht ausgeräumt und ich hoffe, dass die KommAustria hier entsprechende Vorsorge treffen wird. Fest steht, wer am heimischen Online-Werbemarkt Werbeeinschaltungen zu Dumping-Preisen anbietet, fügt der Entwicklung dieses aufstrebenden Marktes Schaden zu, der alle Marktteilnehmer betrifft. Und in diesem Zusammenhang kommt dem ORF eine besondere Verantwortung zu.

Was wird sich für die Verlagshäuser mit der Einführung eines neuen Kollektivvertrages ändern? Rechnen Sie damit, dass der Spardruck zurückgeht und es wieder zu Neueinstellungen kommen wird?
Diese Frage kann ich erst beantworten, wenn wir einen neuen Kollektivvertrag haben. Jetzt haben wir die Verhandlungen erst wieder neu aufgenommen. Wir müssen jedoch die Kostenstruktur des Kollektivvertrages den Marktgegebenheiten anpassen, so viel steht fest.

Es heißt, Zeitungen müssen heute mehr Hintergrundberichte und Unverwechselbares anbieten, um überleben zu können. Ist das in Anbetracht des allgemeinen Spardrucks überhaupt möglich?
Tatsache ist, dass der derzeitige Journalisten-Kollektivvertrag die Situation nicht erleichtert. Die Entwicklung der Anzeigenerlöse ist ein Faktum, ebenso die Kostensteigerungen bei Gehältern in der Höhe von rund fünf Prozent pro Jahr in den Redaktionen. Kennen Sie eine Branche, die so eine Situation auf lange Sicht verkraften kann? Die österreichische Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell bei dem nicht der Arbeitskampf im Vordergrund stand, sondern der Konsens gesucht wurde, daher bin ich optimistisch, dass wir bald zu einer vernünftigen und zukunftsorientierten Lösung finden werden. Darüber hinaus spüren die Mitgliedsmedien des Verbandes die schwierige wirtschaftliche Lage, doch wir bieten trotzdem tagtäglich qualitativ hochwertige Produkte, die weiterhin vom Leser und auch von den Werbekunden gut angenommen werden. So muss zwar jedes Medium an der Kostenschraube drehen, doch die redaktionelle Qualität muss dabei unter allen Umständen gewahrt bleiben. Das ist schließlich die Grundlage unseres Geschäftsmodells.
 

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