Leider nicht geil

Leider nicht geil
Sie ist weniger mysteriös, als Erwachsene vermuten.
Von Uwe Mauch

Mira Wimmer vom Münchener Langenscheidt-Verlag, die auch heuer im Dezember in der Jury zur Wahl des deutschen Jugendworts sitzen wird, hat schon einen Favoriten. Sie verrät: „Tmi-trousers.“

„Tmi was, wie bitte?“

„Ach, das heißt: Too much information-trousers.“

„Aha, dazu haben wir seinerzeit Hochwasserhosen gesagt.“

Die Jugendsprache sorgt heute wie damals für Diskussionen bis hin zu Empörung, heute wie damals nur unter den Erwachsenen. Dabei ist sie – wie noch zu beweisen sein wird – weniger geheimnisvoll, als oft behauptet wird. Mit der Sprache der Jungen lässt sich jedenfalls im Zeitalter des allgegenwärtigen Marketings gutes Geld verdienen. Das sagen Marketingfachleute wie Mira Wimmer naturgemäß niemals laut.

Medienwirksam wurde im Dezember des Vorjahrs das deutsche Jugendwort des Jahres 2012 bekannt gegeben. Es besteht aus vier Buchstaben: Yolo – you only live once. Auf gut Deutsch: Du lebst nur einmal.

Warum das auch noch im Juli 2013 von Interesse ist, erklärt der in Hamburg tätige Wiener Jugendforscher Philipp Ikrath, der in seiner täglichen Arbeit viel mit Jugendlichen zu tun hat. Ikrath schüttelt den Kopf, verweist auf seine Erfahrungen: „Es ist schon merkwürdig, viele Wörter, die da prämiert werden, existieren zuvor gar nicht im täglichen Sprachgebrauch. Erst nachdem sie öffentlich vorgestellt wurden, werden sie von den Jungen plötzlich auch verwendet.“

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Zauberhafter Zehentanga

In Zeiten allgemeiner Beschleunigung werden demnach auch neue Wortkreationen schneller in die Alltagssprache eingepflegt. Eigentlich braucht man nur eine kreative Idee, die postet (schickt) man an Langenscheidt und votet (stimmt ab) dann mit seinen Freunden dafür.

Auf den zweiten Platz wählte die Münchener Jury, die aus Jugendlichen und Journalisten besteht, die Abkürzung „FU!“ – „Fuck You!“. Auf Platz drei kam der aus dem Arabischen stammende Befehl „Yalla!“, der so viel wie „Beeil dich!“ bedeutet.

Auch in Österreich wird seit zwei Jahren das Jugendwort des Jahres ermittelt. Der Grazer Germanist Rudolf Muhr will damit „die Jungen zu Wort kommen lassen, weniger offizielle Wortschöpfungen auszeichnen und damit auch saloppere Wortschöpfungen und Sager in den Vordergrund rücken“. Das aktuelle Ranking klingt so:

1. Leider geil (nach einem Titel eines Songs der Gruppe Deichkind);

2. Zehentanga (Flip-Flops);3. Urkeksi (urleiwand).

Ebenso wie der Jugend- gibt auch der Sprachforscher zu bedenken, dass diese Wort-Wettbewerbe nur bedingt mit den Lebenswirklichkeiten der Jugendlichen zu tun haben. Oft würden die Vorschläge sogar von Erwachsenen eingereicht. Amüsant findet er es, dass deutsche Kollegen eigene Jugendwort-Symposien organisieren und dort mit bierernsten Mienen diskutieren.

Spannender sind da wohl die Beobachtungen von Philipp Ikrath. Zunächst sagt er: „Genauso wenig, wie es eine Erwachsenensprache gibt, gibt es eine allgemein verbindliche Jugendsprache.“ Die Sprache der Jungen werde in erster Linie von ihrem Umfeld und von ihrem jeweiligen Bildungsstandard geprägt. Dabei sind immer auch regionale Unterschiede zu beachten.

Plakative Botschaften

Der Einfluss der Internet-Sprache auf die gesprochene Sprache sei in den vergangenen fünf Jahren wieder zurückgegangen. Pessimistisch zeigt sich Ikrath hingegen bei der Frage, ob es den jungen Leuten durch den zunehmenden Konsum von bewegten Bildern die Sprache verschlägt. „Die Fähigkeit zur Diskussion geht ihnen dabei leider verloren.“ Den Untergang des Abend- landes sieht der Forscher deshalb aber noch nicht voraus. Immerhin beherrscht die Generation Facebook Darstellung und auch Selbstdarstellung über Bilder und Symbole weitaus besser als ihre Eltern. So fände man zum Beispiel auf der Social-Media-Seite www.tumblr.com kaum noch Geschriebenes, 99 % der Blog­einträge bestünden aus Bildern. Demokratiepolitisch durchaus bedenklich, weil das beste Argument einer wahlwerbenden Partei bei den jungen Bilderliebhabern nicht ankommt, wenn das Drumherum nicht passt. Philipp Ikrath vermutet sogar, dass junge Wähler am Wahltag nicht mehr die Staatsräson, sondern das schönste Wahlplakat küren.

Vom Weh zum Opfer

Ein Politstratege, der diese Botschaft nicht hört, ist für die Jungen ein Opfer. Das heißt übrigens nicht, dass ihm etwas angetan wurde und dass ihm daher dringend geholfen werden muss, sondern in der Tradition der Hip-Hopper, dass er zu verachten ist. Früher hätte man so einen auch ein Weh genannt.

Wussten Sie, dass...

... das erste Jugendwort des Jahres auf Initiative des Münchener Langenscheidt-Verlags im Jahr 2008 ausgewählt wurde? Es war übrigens Gammelfleischparty (Ü-30-Party). Danach folgten die Wortkreationen Hartzen (2009, arbeitslos sein, rumhängen), Niveaulimbo (2010, das ständige Absinken des Niveaus) sowie Swag (2011, das ist eine beneidenswerte, extrem lässig-coole Ausstrahlung).

... bisher 150 Vorschläge für das Jugendwort 2013 bei Langenscheidt eingegangen sind? Wer sich sputet, kann noch bis zum 15. Juli 2013 Vorschläge einsenden. Die Online-Adresse: www.jugendwort.de. Im Herbst filtern Angestellte des Langenscheidt-Verlags 15 Wörter heraus, aus denen sie dann mit Journalisten und Jugendlichen die Sieger-Vorschläge prämieren.

... Beraterpommes Sushi sind und das Fichtenmoped für Kettensäge ausgedacht wurde?

... mit dem Jugendwort des Jahres der Sprach- und Wortwandel durch den kreativen Umgang der Jugendlichen mit der Alltagssprache dokumentiert und präsentiert werden soll? So die offizielle Lesart des Langenscheidt-Verlags. Zeitgleich mit der Prämierung präsentiert der Verlag auch ein Jugendsprachbuch. Dass der Termin immer vor Weihnachten zur Primetime des Buchhandels angesetzt ist, ist natürlich Zufall.

... politisch nicht korrekte Einsendungen ebenso wie Vorschläge von Fanforen für den Namen ihrer Kultband ausgefiltert werden?

... bei der Wahl zum österreichischen Jugendwort 2013 erstmals nur Menschen unter 30, quasi die, die noch nicht auf Gammelfleischpartys abhängen, Vorschläge unterbreiten dürfen? Das Wort, der Spruch, der Unspruch und das Jugendwort des Jahres werden in Österreich von der Universität Graz in Zusammenarbeit mit der Austria Presse Agentur ermittelt und ebenfalls Anfang Dezember von der APA präsentiert. Hier lautet die Online-Adresse: www.oewort.at.

... sich die prämierten österreichischen Jugendwörter von ihren deutschen Pendants doch unterscheiden? Urkeksi klingt auch etwas charmanter als Yolo oder FU, aber das ist möglicherweise durch die österreichische Brille betrachtet.

... in die neue, nunmehr 26. Ausgabe des Duden, der am Donnerstag von der Mannheimer Duden-Redaktion herausgegeben wird, auch der Shitstorm Einzug hält? Dazu gesellen sich nebenbei auch die Finanz-Vorständin und die Rabaukin. Die Rüpelin gibt es immerhin noch nicht. Nach längeren Diskussionen finden sich im Wörterbuch auch die wieder, die gerne twittern.

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