Johannes Kunz: "Der Einfluss ist nicht kleiner"

Johannes Kunz: "Der Einfluss ist nicht kleiner"
Der ehemalige Kreisky-Sekretär und ORF-Journalist Johannes Kunz über den politischen Einfluss auf den Rundfunk damals und heute.

KURIER: Vor fünfzig Jahren wurde der ORF nach einem Volksbegehren unabhängig von der Politik. Zumindest formal ist das auch eingelöst worden. In welcher Zeit ist man dem Ideal Ihrer Wahrnehmung nach am nächsten gekommen?

Johannes Kunz: Man kann nur versuchen, dem Idealzustand so nahe wie möglich zu kommen. Natürlich ist ein öffentlich-rechtliches Unternehmen immer in einer gewissen Politiknähe, weil in den Auftsichtsgremien ja Vertreter der Politik sitzen. Die Frage ist nur, in welcher Form sich das abspielt. Da war sicher das Rundfunkvolksbegehren eine entscheidende Weichenstellung. Bis dahin war es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja so, dass Verlautbarungsjournalismus betrieben wurde.

Wie hat sich das geäußert?

Wenn man damals mit dem Bundeskanzler ein Interview machen wollte, hat man die Fragen eingereicht. Das waren Zustände, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Das Volksbegehren war ein großes demokratisches Aufbegehren der Bevölkerung. Die Speerspitze war der KURIER-Chefredakteur Hugo Portisch, der sich an die Spitze der unabhängigen Zeitungen gestellt hat. Auf der anderen Seite war die Person des Generalintendanten Gerd Bacher. Bei allen Kontroversen – etwa der Konflikt mit Bundeskanzler Bruno Kreisky – war er unbestritten der, der den ORF letztlich zu dem gemacht hat was er wurde: Ein international herzeigbares Medienunternehmen.

Sie waren damals Pressesprecher von Bruno Kreisky. Wie beurteilen Sie seine Rolle? Man hatte den Eindruck, er wollte die neu gewonnene Freiheit des ORF in die Tube zurückdrücken.

Da sehe ich die Rolle des Kreisky nicht so. Gerd Bacher war ein sehr selbstbewusster Mann, das war man von der Spitze des ORF bis dorthin nicht gewohnt. Dann ist die Situation eingetreten, dass der Gerd Bacher auch zu einer Art politischem Gegenspieler Kreiskys stilisiert wurde. Es gab auch Leute in der ÖVP, die sich überlegt hatten, Bacher in die Politik zu holen. Der Konflikt hat sich insofern wieder gegeben, als Bacher (1974 unter Kreisky abgewählt, Anm.) 1978 ja wieder in den ORF zurückkam. Da war Kreisky ja nach wie vor Bundeskanzler und sie konnten sehr gut miteinander. Ich bin ja am Höhepunkt des Konfliktes von Bacher zu Kreisky gegangen und wurde von Bacher in den ORF zurückgeholt.

Vergleichen Sie die Ära Kreisky mit der Gegenwart. Ist der politische Einfluss kleiner geworden?

Ich kann eine Beurteilung nur von außen treffen. Der Einfluss ist aber natürlich nicht kleiner geworden. Aber man muss sagen: Der ORF ist so unabhängig, wie sich seine Mitarbeiter fühlen.

Warum hat Gerd Bacher so eine Strahlkraft entwickeln können? Er gilt ja immer noch als der prototypische unabhängige ORF-Chef, dessen Unbeugsamkeit unerreicht blieb.

Interessanterweise gibt es eine Parallele im Wesen von Bacher und Kreisky. Bacher hat sich total mit dem ORF identifiziert. Der war sein Leben. Er war sieben Tage die Woche 24 Stunden lang Generalintendant. Er hat für diese Aufgabe gebrannt. Das war in Wirklichkeit sein Lebenswerk. Kreisky war ein Homo Politicus, der hat auch für die Aufgabe gebrannt. Er wollte nicht nur verwalten, sondern gestalten. Die Frage ist, inwieweit ein Mensch bereit ist, sich mit der ihm gestellten Aufgabe zu identifizieren.

Heute wird wieder lieber verwaltet. Welche Lehre könnte man aus diesen Jahren ziehen?

Johannes Kunz: "Der Einfluss ist nicht kleiner"
Buch, Caver, Licht und Schatten, Erinnerungenm Johannes Kunz
Ich glaube, dass sehr viel in der Gesellschaft an Persönlichkeiten hängt. In den 70er-Jahren hatten wir viel Glück: Bacher war im ORF, Kreisky in der Politik. Dann haben wir auch den großen Kardinal Franz König gehabt, eine der größten Identifikationsfigur in der Zweiten Republik. Das war eine besondere Konstellation großer Persönlichkeiten, die zum Teil auch phasenweise Antagonisten waren. Insgesamt kann man sagen, dass sie für das Land viel weitergebracht haben. Es hängt eben alles an den Persönlichkeiten.

INFO: Buchtipp: Johannes Kunz, „Licht und Schatten“, Erinnerungen, Amalthea Verlag, 294 Seiten, 24,95 €.

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