Herbert Kloiber: "Haben uns am Stand gedreht"
Turbulenzen um ATV: Zunächst scheitert „Wien – Tag & Nacht“, nun gibt es Krach mit dem Privatsender-Verband. Dazu kommen Verkaufsgerüchte. Der Eigentümer des Senders und der Tele München Gruppe, Herbert Kloiber, nimmt gegenüber atmedia.at Stellung.
atmedia.at: Herr Kloiber, wie geht es aus Ihrer Sicht ATV? So wirklich froh kann Sie die Entwicklung der vergangenen Monate nicht machen. Mit WM-Qualifikationsspielen und Teilen der Olympischen Spiele gab es ein Aufflammen bei den Quoten, mit "Wien - Tag & Nacht" ein Verbrennen von Geld.
Herbert Kloiber: Wir haben uns seit Mai 2013 am Stand gedreht. Der Fußball hat sehr gut funktioniert, war aber teuer. "Wien - Tag & Nacht" war teuer und erfolglos im höchsten Maße. Da wurden Millionen mit einer Stichflamme verbrannt - das werfe ich aber Geschäftsführer Martin Gastinger nicht vor. Denn als Beteiligter an RTL2 weiß ich auch, dass wir dort mit "Berlin - Tag & Nacht" und "Köln - Tag & Nacht" jeden Tag Spitzen- Quoten einfahren. Es war die Wiener Version für dieses Genre nicht schlecht gemacht, aber es schaut halt die Zielgruppe zu viel deutsches Fernsehen und sie ist nicht beliebig ausdehnbar. Es war also kein ruhmreiches Jahr, aber jetzt, seit Anfang September, wo es auch wieder um die Vermarktung der Sender geht, läuft es sehr zufriedenstellend. Übrigens, diese Woche sahen 212.000 Seher „ATV aktuell“ und wir haben im Schnitt dreimal so viele Seher wie die Puls4-Nachrichten. Auch bei Lugners Hochzeit, schlimm genug, lagen wir vorn. Auch „Bauer sucht Frau“ kam bisher im Schnitt über 200.000. Das war im übrigen auch ein Punkt im Disput mit dem Privatsender-Verband, nämlich die Darstellung wer vorne liegt. Es gibt, glaube ich, 16 verschiedene Darstellungen, wer wo Marktführer ist. Fakt ist, ATV liegt in diesem Jahr in 15 vorne, Puls4 zum Teil deutlich hinten. Aber auch hier schaffte es der Verband nicht, eine Kommunikationslinie zustande zu bringen, die Aussagekraft hat.
Sie sind also zufrieden mit der Geschäftsführung bei ATV? Weil es auch da Spekulationen gab...
Da wird oft in die Leere des Raumes getreten. In dieser Phase halte ich die Kreativität Gastingers, flankiert von Gregor Schütze, für wichtig. Wir lassen die Truppe jetzt mal arbeiten. Ich gehe davon aus, dass sich der Erfolg jetzt einstellen wird. Wenn das in fünf Quartalen nicht der Fall ist, dann werde ich darüber nachdenken. Wenn ich unzufrieden bin, das ist bekannt, werde ich das nicht geheimhalten.
Reich werden Sie mit ATV allerdings nicht.
Das Geschäftsmodell, das dahinter steht, wird ja seit 15 Jahren beleuchtet, aber nicht verstanden. Wir haben unser Auskommen, sonst hätte ich ATV schon vor 14 Jahren eingestellt. Wir generieren mit 20 Millionen Programmkosten jährlich einen mindestens äquivalenten Umsatz und Ertrag für die Tele München Gruppe. Das ist mal zwei Millionen mehr oder mal zwei Millionen weniger. Das hängt auch davon ab, wie viele Eigenproduktionen auf Sendung sind. In diesem Zusammenhang müssen Sie auch sehen, dass mittlerweile zwölf bei ATV entwickelte Produktionen auf dem deutschen Markt erfolgreich sind und darüber hinaus verkauft werden. Die Programmschmiede von ATV-Chef Gastinger ist im Grunde die einzige hierzulande, die, unbeachtet von allen, zu nachhaltigen TV-Exporten führt. Es mag nicht so ruhmreich sein wie Axel Cortis "Welcome to Vienna". Es sind aber sieben oder acht Formate, die mittlerweile in über 30 Ländern der Welt auf Sendung sind. Das Geld, das dadurch generiert wird, relativiert auf alle Fälle die Kosten von ATV. Dazu kommen dann noch die Einnahmen durch die von der Tele München Gruppe an ATV gelieferten Filmpakete. Ein Gutteil von ATV2 besteht ja aus Filmen und das ist durchaus anspruchsvolle Ware - ich freue mich ja selbst, wenn ich dieses Programm sehe. Es ist auch deshalb schade, wenn ATV2 nicht überall eingespeist wird.
Sie haben vor einem Jahr angekündigt, dass es weitere ATV-Sender geben soll. Ist diese Absicht noch aktuell?
Die Business-Pläne liegen vor. Es ist das aber eine Frage der Opportunität der Verbreitung. Priorität hat derzeit, die Verbreitung von ATV2 von derzeit 70 auf 85 Prozent zu steigern. Alles, was dann noch kommt, wird sich ausschließlich in der digitalen Welt abspielen, das wird dann 2015/2016 mit Sicherheit der Fall sein. Wir rechnen immer noch mit zwei weiteren Sendern, auch um die Profitabilität der Gruppe zu steigern.
Denken Sie da weiterhin an die Ausrichtung auf Sci-Fi?
Wir sehen jedenfalls eine sehr gute Entwicklung unseres deutschen Senders Tele5, der einen starken Kern in diesem Bereich hat. Aber was es dann genau sein wird, wird man endgültig etwa sechs Monate vor Sender-Start festlegen. Das hängt auch von der Lage auf dem Markt ab, wo es ja immer wieder zu Neustarts anderer Sender kommt.
Das klingt nicht danach, als würde das jüngste Gerücht, Sie stünden vor der Veräußerung des gesamten TV-Bereichs der Tele München Gruppe, stimmen.
Das stimmt absolut nicht. RTL2, an dem wir beteiligt sind, erlebt die profitabelste Zeit seines 22-jährigen Bestehens. Tele5 ist hoch profitabel und macht jeden Tag mehr Freude, zumal in Deutschland die Mediaforschung erkennbar eine Neujustierung erfahren hat. Das sieht man den gestiegenen Quoten der kleinen Sender und am Leiden der Größeren. An der Gewichtung hat ja übrigens auch "Wien - Tag und Nacht" mit dem kleinen Sample sehr gekrankt. Und was ATV betrifft, kommt es immer wieder zu Anfragen von verschiedenster Seite von Herrn Fellner auf- und seitwärts. Aber der Fernsehkomplex ist so verzahnt mit dem Kerngeschäft, dem Lizenzhandel und der Produktion, und auch notwendig, um Awarness für Nischenprodukte aufzubauen. Natürlich könnten wir uns ein Joint-Venture von ATV2 mit Sky vorstellen, was auch schon besprochen wurde, aber noch ist nicht der richtige Zeitpunkt.
Es kommen relativ attraktive TV-Rechte auf dem Markt.
Ende des Monats findet die Ausschreibung zur Europa League statt. Wie schon bei der Champions League und Olympia werden wir die Finger heben und ein sportliches Angebot abgeben.
Und wie sehen Sie die Formel I, auf die zumindest Teile der ORF-Führung nach 2016 verzichten wollen?
Das muss man sich ganz genau anschauen. Unmittelbar steht die Formel I auf der Kippe zwischen Wiederbelebung und Abgesang. Für Österreich ist da die Einstrahlung aus Deutschand natürlich ein Riesenproblem. Es ist das ein Recht, das derzeit jedenfalls mehr für jemanden geeignet ist, der alles haben will.
ATV hat jüngst mit dem Austritt aus dem Privatrundfunk-Verband für einen Paukenschlag in der Branche gesorgt. Warum das alles?
Ich bin an sich kein Freund der Vereinsmeierei. Es haben die im VÖP organisierten Radio- und TV-Veranstalter schon kaum gemeinsame Interessen gegenüber der Politik. Unter den österreichischen überregionalen TV-Veranstaltern hat sich das Fehlen gemeinsamer Interessen auch herauskristallisiert. Es gibt mit ServusTV und und ATV nur zwei mit rein privaten Investoren an der Spitze. Puls4-Vertreter Markus Breitenecker hat als Abkömmling der deutschen ProSiebenSAT.1-Gruppe da ganz andere Interessen. Deshalb mussten wir schon bislang im Grunde unsere Medienpolitik selbst bestreiten. In der Frage Must-Carry für österreichische Sender - also der Verpflichtung für Kabel-Betreiber, unsere Sender zu verbreiten und möglichst optimal zu platzieren - hat sich diese Gegensätzlichkeit zugespitzt. Herr Breitenecker investiert da ja in das genaue Gegenteil dessen. Dazu kommt noch seine Klagswut, weil er die Fußball-Champions-League an den ORF verloren hat. Dazu muss man wissen, dass bei dieser Ausschreibung das zweithöchste Angebot nach dem ORF von uns stammte und er die Rechte sowieso nie bekommen hätte. Dieser Aktionismus hat das nochmals potenziert - wenn es also einen gibt, der montags und dienstags für den Verein schreit, mittwochs und donnerstags für den eigenen Sender und am Freitag sowieso schreit, dann ist das keine Basis für ein geordnetes Vorankommen. Es ging auch nicht ums Geld, wie da und dort ventiliert wurde - die drei Euro können wir uns auch noch leisten. Es machte so schlicht und einfach keinen Sinn mehr. Das bisschen Medienpolitik, das in Österreich möglich ist, können wir selbst auch artikulieren.
Der ORF hat nach ihrem Austritt sofort mit der Umarmung begonnen.
Wir als Tele München Gruppe sind ja mit dem ORF seit 40 Jahren manigfaltig aktiv, ob es im Bereich Kunst und Kultur ist oder bei Co-Produktionen und wir pflegen kein so animoses Verhältnis mit dem Öffentlich-Rechtlichen wie Herr Breitenecker. Das ändert aber nichts daran, dass ATV ganz andere Interessen hat als der ORF. So sind wir weiterhin gegen die Refundierung. Wir plädieren für das Schweizer Modell, wo aus Gebühreneinnahmen auch - unter bestimmten Bedingungen - Geld den Privaten zukommt für anspruchsvollere Produktionen. Wir wenden uns auch weiterhin gegen exzessive Aktionen des ORF etwa im Bereich Online, nur die Argumente werden möglicherweise andere sein als jene des VÖP.
Die Tele München Gruppe ist auch in der Produktion tätig, einerseits für den internationalen Markt und auch für den deutschsprachigen. Was steht an?
Wir starten noch heuer mit den Dreharbeiten zu unserem Film über die Trapp-Familie unter US-Beteiligung. Auch der ORF wird bei "Last Christmas" an Bord sein. Es geht da um eine Ausschnitt aus dem Leben der Trapps. Gedreht wird im Raum Salzburg und Zell am See sowie in Kanada. Wir sind gerade dabei, die Besetzung festzulegen. Das Buch stammt von Christoph Silber, der ja auch das Buch zu "Das Wunder von Kärnten" geliefert hat. Dann wird es eine nächste Staffel von "Hubert & Staller" geben, das bei der ARD und ATV zu sehen ist. Diese Serie ist schon eine echte Erfolgsgeschichte geworden. Wir drehen da nicht wie üblich sieben oder acht Folgen sondern 18 sowie einen 90-Minüter, mit dem beide Sender in die Saison starten. Da diese Serie nicht voll finanziert wird von der ARD, bleiben die Auslandsrechte bei uns, was uns weitere Möglichkeiten der Vermarktung gibt. Dann gibt es noch die Serie "Hammer & Sichl" mit Wolfgang Fiereck fürs Bayerische Fernsehen. Ein Buch zum Film "Maximillian" liegt inzwischen ebenfalls vor. Da ist es nicht ganz einfach, mit den Mexikanern eine gemeinsame Sicht der Dinge zustande zu bringen, aber das wird schon. Beim geplanten Mehrteiler "Richard Löwenherz" haben wir die Situation, dass das Buch sehr präzise auf vier Stunden, also zweimal 90 Minuten, ausgelegt wurde. Der Trend auf dem Fernsehmarkt geht aber auf insgesamt sieben bis acht Stunden.Da wird man wohl noch weitere Entwicklungsarbeit hineinstecken müssen. Wer sich dafür interessiert, sind die in Zusammenführung begriffenen drei Sky-Sender, die verstärkt in die Eigenproduktion gehen.
Der US-Streaming-Dienst Netflix ist dieser Tage in Deutschland und Österreich gestartet und inzwischen quer über den Kontinent verbreitet. Für eine Rechtehändler muss der Antritt eines solchen Players wie Weihnachten sein?
Ja, das ist es. Wir freuen uns über jeden, der Marktlücken füllt. Es tut sich sehr viel. Es werden auf Produktionsseite jede Menge Stoffe entwickelt und es ist viel Geld im Markt unterwegs. Netflix denkt ja daran, auch für den deutschsprachigen Raum zu produzieren und wenn sie das tun, dann nehmen sie richtig Geld in die Hand. Aber das wird noch etwas dauern. Aber ich finde das gut, weil es auch eine Gegenbewegung zu den TV-Sendern im diesem Raum darstellt. Netflix sucht das Außerordentliche, das Filmische und das ist genau das, was uns als Tele München Gruppe seit mehr als vier Jahrzehnten antreibt. Der Profitabilität der traditionellen Sender wird der Auftritt von Netflix, Amazon und Co kurzfristig keinen Abbruch tun, das sieht man auch in den USA. Dort sind drei Prozent Markanteil von CBS heute mehr Werbegeld wert, als 13 Prozent vor zehn Jahren. Also wir werden sicher nicht gegen Netflix agieren.
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