"Ich habe Zuschauer verzockt"

Abschied von einer TV-Institution: Zu Besuch bei der Aufnahme der letzten "Harald Schmidt Show".

Schon die erste Pointe saß. "Ich habe gegenüber Uli Hoeneß einen Vorteil", sagte Harald Schmidt. "Ich werde heute entlassen." Sie hätten beide Millionen verzockt. Der eine Euro. Der andere Zuschauer. "Aber ich freue mich auf den neuen Bayern-Präsidenten Lothar Matthäus."

Showdown im Studio 449 in der Schanzenstraße 39 in Köln-Mülheim. Dort ging am Donnerstagabend eine TV-Ära zu Ende. Dort präsentierte Harald Schmidt – nach 19 Jahren – die letzte Ausgabe seiner Kultshow, die zuletzt auf Sky lief. Die beim Bezahlsender gerade noch 5000 Zuschauer hatte. "Und das auch nur an guten Abenden", wie der Entertainer zuletzt bestätigte.

Er kommentierte es selbstironisch in der Abschiedssendung so: "Es war ein tolles Gefühl für mich, mal unbeobachtet zu sein. Und nicht so wie Markus Lanz im Schaufenster zu stehen."

1995 war die "Harald Schmidt Show" erstmals auf Sat.1 ausgestrahlt worden. Die Sprüche des Edel-Zynikers – "Bei Erektion denke ich immer an ein Ikea-Regal: Hoffentlich hält’s fünf Minuten." – bescherten ihm den Spitznamen "Dirty Harry" und waren damals frisch wie der Frühling und das Futter für jeden Small Talk.

G’scheit und bös

Aber mehr als das: Die "Harald Schmidt Show" war die intelligente, unterhaltsame und satirische Kommentierung und Brechung des Weltgeschehens. Sie verschwurbelte große Politik, Blödelei, Krieg, Kultur und Kleinkram zum amüsanten Betthupferl. Kein Wunder, dass Schmidt einmal "Kunst und Krempel" als eine seiner liebsten TV-Sendungen nannte.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung adelte Deutschlands rückhaltlosesten Moderator zum "intellektuellen Partisanenkämpfer", der einmal riskant witzelte: "Heute sind Frauenhäuser gesellschaftlich voll anerkannt, früher musste man die Frauen dort noch hinprügeln."

Die Show lief bis 2003 mit respektablem Erfolg bei dem Privatsender. Dann suchte Schmidt den Absprung, nahm sich ein Jahr Auszeit und wechselte zur ARD. Dort lief seine Sendung zwei Mal pro Woche, dann nur noch ein Mal.

Immer überraschend

2011 kehrte Schmidt zu Sat.1 zurück. Dort hatte man aber nicht lange Geduld mit dem in die Jahre gekommenen Format. Als der Sender den bösen Onkel im Sinne der Quote vor zwei Jahren in die Wüste schickte, scherzte der Sarkastiker noch ungebremst und fand beim Abosender Sky eine Nische. Den Schlusspfiff dort kommentierte der 56-Jährige knapp: "Okay."

Dass der Bezahlsender Sky just die allerletzte Sendung auch frei über YouTube zugänglich machte, erklärte Schmidt so: "Die glauben, die Leute sehen sich das an im Wissen: Die Show kommt nicht mehr. Da nehm ich mir ein Abo!"

Am Ende dieses Kapitels Fernsehgeschichte, in dem es noch möglich war, wilde Gedanken mit ins Programm einzuschmuggeln, war im Aufnahmestudio Donnerstag fast alles wie immer. "Leider heute zum letzten Mal", sagte ein Zuseher. Und ein anderer: "Er ist halt doch ne coole Sau, der Harald." Während über Twitter lief: "Jetzt muss die Häme aufhören."

Unsentimental

Und doch wurde es ein Adieu vom Fernsehen mit einem Hauch Wehmut. Wie es sich gehört, wenn nach 2000 Sendungen Schluss ist.

Der König der Late-Night-Talker hasst Sentimentalitäten. Schmerzhaft sei der Abschied nicht gewesen: "Ich konnte ja sozusagen abtrainieren und bin nicht Knall auf Fall raus. Aber manche Sachen laufen sich auch tot, das ist völlig normal." Zum Finale kamen noch einmal alle Sidekicks zum Plaudern zu Nudelsalat und Würstchen: Olli Dittrich, Nathalie Licard, Klaas Heufer-Umlauf, Jürgen Vogel, Pierre Krause und Bastian Bielendorfer. Und Schmidt? Der zieht sich ins Privatleben zurück. Er weiß nur noch nicht in welches.

Schmidts letzte Show zum Nachsehen

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