ATV

Good cop, bad Wien

Eingespieltes Team in Ottakring: Karin und Christian
Neue Staffeln von "Wachzimmer Ottakring" und "So denkt ...".

ATV hat traditionell wenig Berührungsängste mit den "echten" Menschen. So wenig, dass dem Sender das Etikett "Trash"-TV öfter anhaftet, als es eigentlich gerechtfertigt ist. Heute, Montag, starten zwei Sendungen in Staffel zwei, von denen eine spannend anzusehen ist und die zweite zumindest kurios. "Wachzimmer Ottakring" (20.15 Uhr) und "So denkt Österreich" (21.20 Uhr).

Was den Wiener Multikulti- bis Problembezirk (je nach Wahrnehmung) ausmacht, wissen die beiden Inspektoren Karin und Christian ziemlich genau, möchte man meinen: "Es gibt hier nichts, was es nicht gibt", resümiert der Hüne zu Beginn von Folge eins. Und tatsächlich: Die beiden fahren kamerabegleitet im Streifenwagen durch den 16. Bezirk und nehmen gleich einmal einen Drogensüchtigen fest, der sich seine Krankheit mit dem illegalen Verkauf von Medikamenten finanziert. Blöderweise vor den Augen von Frau Inspektor, die gleich aus dem Auto springt. Am Wachzimmer muss er sein Bargeld lassen, ist seine Tabletten los und muss das wenig erfreuliche Tagesgeschäft von neuem beginnen: 50 Euro kostet den Mann die Heroinsucht täglich, erzählt Polizist Christian. Und er scheint ehrlich Mitleid mit dem Delinquenten zu haben, der angibt, vom eigenen Vater süchtig gemacht worden zu sein.

Werbung

Für Empathie ist Platz, nicht nur hier. Die beiden Cops, die wirklich mit allem zu tun haben, was Wien so zu bieten hat, gehören zur besten Werbung für Wiens oft kritisierte Polizei: Stoisch, aber auch bereit, die Dienstwaffe zu ziehen, wenn einer gar nicht mitspielt. Am Ende gewinnt zumindest hier Vater Staat. Nette Unterhaltung für unsichere Zeiten also.

Im Anschluss tun sich dafür Türen auf, die man besser vor den Kameras geschlossen gehalten hätte: "So denkt Österreich" ist eine Art Gemeindebau-Reportage über Leute, die genug Tagesfreizeit haben, um unangemeldeten Fernsehteams Weises und weniger Weises zu erzählen: Frühpensionisten, Pensionisten und andere, die wenig zu tun haben, aber froh sind, wenn ihnen jemand das Mikro vor die Nase hält.

An dem Format zeigt sich, warum Elizabeth T. Spira eine hochgelobte Interviewerin ist, die mit ihren "Alltagsgeschichten" Porträts von echten Österreichern schuf, die auch Bestand haben. Die kurzen Geschichten und Einblicke in Wohnungen, die die Protagonisten hier aufwarten, halten nicht lange wach. Aber dennoch: Man muss auch einmal bereit sein, einen Reporter ins eigene Schlafzimmer zu lassen und die Puppensammlung herzuzeigen. Mutig sind die Österreicher wohl.

Kommentare