Frank Stronach und das Maulkorb-Formular
Die Redaktion des Magazins Datum hat es nicht unterschrieben – sondern stattdessen einen Bericht darüber veröffentlicht. Wer nämlich mit Milliardär Frank Stronach ein Interview führen will, muss sich zuvor per Formular dazu verpflichten, die Aussagen des Austro-Kanadiers vor Veröffentlichung von A bis Z autorisieren zu lassen.
„Im Frank-Stronach-Universum ‚Wahrheit, Transparenz und Fairness‘ gelten demokratische Grundprinzipien bekanntlich wenig bis gar nicht“, schreibt die Datum-Redaktion auf ihrer Website dazu. „Unser Interview mit Frank Stronach jedenfalls wurde von ihm wieder abgesagt. Weil wir seine Zensurerklärung nicht unterschreiben wollten. Wir werden es verkraften.“
Das Interview ist also nicht publiziert worden, aber dafür das Stronach‘sche Formular. Dort steht Folgendes zu lesen: Der Unterzeichner verpflichte sich, vor einer Veröffentlichung von Gesprächen und Interviews mit Stronach den gesamten Interviewtext Kathrin Nachbaur - der Leiterin des Stronach Instituts für sozialökonomische Gerechtigkeit - zur Einsicht und schriftlichen Freigabe zu senden. Und, der Kernpunkt: "Ich schicke auch Titel und Einleitung zur etwaigen Richtigstellung von Fakten zu. Falls die Autorisierung des Interviews nicht erteilt wird, werde ich weder den Umstand des Interviews noch das Gespräch ganz oder auszugsweise veröffentlichen."
„Schlechte Erfahrungen“
Warum man auf eine solche Idee kommt? Frank Stronach, von der APA gefragt, argumentiert sein Formular damit, dass er "einige sehr schlechte Erfahrungen mit manchen Medien gemacht" habe. "Ein Federstrich kann vernichtender sein als ein geladener Revolver", meint er.
Wobei hier Folgendes anzumerken ist: Der Milliardär macht in seinem Schreiben deutlich, dass er die Freiheit des Journalismus respektiere und er ein absoluter Befürworter des Journalismus als objektives, neutrales Kontrollorgan sei. Die Vereinbarung gelte ausschließlich zur Einhaltung der Werte Wahrheit, Fairness und Transparenz.
Dass sich Stronach von Medien sehr schnell schlecht behandelt fühlt, konnte man bekanntlich schon mehrmals live im Fernsehen verfolgen. Er selbst hat eigenen Angaben zufolge quasi damit gerechnet: "Ich habe gewusst, dass sie Unwahrheiten über mich verbreiten werden, um mich in der Öffentlichkeit schlecht darzustellen." Da er seine Worte sehr genau wähle, sei es ihm wichtig, "richtig und im Zusammenhang zitiert zu werden": "Ich bin jederzeit bereit Antworten zu geben, man kann mich alles fragen, aber die Fakten in der Berichterstattung müssen stimmen."
Interview-Boykott
Dass auf derartige Parktiken schnell kritische Worte folgen, liegt auf der Hand - eine erste Rüge kommt vom Österreichischen Journalisten Club (ÖJC). "Dies verstößt eindeutig gegen die Grundregeln der Pressefreiheit, die blutig erkämpft wurden", so ÖJC-Präsident Fred Turnheim. Als Antwort auf den "Maulkorb des Herrn Stronach" plädiert Turnheim für einen Interview-Boykott gegen den Milliardär.
"Der ÖJC ersucht alle Kolleginnen und Kollegen solange keine Interviews mit Herrn Stronach und seinen Parteigranden zu führen, bis dieser sein demokratiefeindliches Formular zurückzieht, das im Alltagsgeschäft in Österreich völlig unüblich ist", heißt es in der Aussendung. Immerhin könne eine derartige Erklärung eine Unterlassungsklage zur Folge haben. "Da ist es doch gleich besser, kein Interview mit dem Herrn Stronach zu führen", so Turnheim.
"Wie ein Maulkorb"
Apropos Klage: Eine Vereinbarung wie jene Stronachs wirft nicht nur ethische, sondern auch rechtliche Fragen auf - denn die Übereinkunft zu brechen, ist nicht empfehlenswert: Denn eine solche Erklärung ist eigentlich eine zivilrechtliche Vereinbarung, erläutert Medienanwaltin Maria Windhager der APA. Wenn man als Journalist eine Autorisierung mündlich oder schriftlich ausmacht, ist man auch daran gebunden.
Eine Missachtung der Vereinbarung kann in erster Linie eine Unterlassungsklage zur Folge haben - wegen der Wiederholungsgefahr auch nach der Veröffentlichung. Das sei nicht ohne, "das ist wie ein Maulkorb", meinte Windhager. Kann ein konkreter Schaden durch die Veröffentlichung des Interviews nachgewiesen werden, seien theoretisch auch Geldstrafen möglich. Autorisierungen seien vor allem im politischen Tagesgeschäft unüblich, betont die Anwältin. Sie hält Autorisierungen auch für problematisch, da diese missbräuchlich eingesetzt werden könnten.
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