Daten und Klinkenputzen: Wie der US-Wahlkampf funktioniert
"Ein riesiger Unterschied zwischen Europa und den USA liegt in der politischen Einschätzung von Donald Trump", sagt Matthias Euler-Rolle, der Kommunikationschef der SPÖ. "In Europa geht man davon aus, dass Hillary Clinton die Wahl auf alle Fälle gewinnt, wenn sie gegen Trump antritt. In den USA ist das nicht so klar. Da halten viele Menschen einen Präsidenten Trump für möglich."
Was Euler-Rolle zu dieser Ansicht veranlasst: Eine Reise zu den Wahlkampfzentralen von Hillary Clinton und Bernie Sanders, den beiden möglichen demokratischen Kandidaten. Fünf Tage lang war er auf Einladung der Party of European Socialists als Vertreter Österreichs mit den US-Demokraten unterwegs, machte anlässlich der Vorwahlen in Ohio sogar selbst Wahlkampf für Clinton und Sanders, besuchte die Zentrale der Demokraten in Washington und traf auch deren Digitalchef, Matt Compton, der sich nur @mattcompton nennt.
Kenne deinen Wähler!
Eine zentrale Rolle im Wahlkampf spielen nämlich das Internet und soziale Medien – Barack Obama hat deren Nutzung ja als Erster perfektioniert. So wird das Netz in den USA auch gezielt für Spenden eingesetzt. "Je mehr man über die Menschen weiß, desto mehr Spenden kriegen die Kandidaten." Die eMail-Verteiler der Parteien mit Abermillionen Adressen werden mit Facebook abgeglichen, am Ende gibt es Informationen, wie die einzelnen Menschen leben, welche Vorlieben sie haben, welches Auto sie fahren. Euler-Rolle: "Wenn man etwa annimmt, dass eine mögliche Wählerfamilie gerade ein Kind bekommen hat, weil sie über Amazon Windeln bestellt hat, werden ihr sofort Infos über die Familienpolitik geschickt."
Datensätze kann man in den USA problemlos kaufen, für eigene Zwecke auswerten und damit Wahlwerbung machen. "Das ist ein großer Unterschied zu Österreich", sagt der SPÖ-Kommunikationschef. "Der Datenschutz ist bei uns zum Glück geregelt, und es ist ausgeschlossen, dass politische Parteien die Einkaufslisten der Menschen vom Billa bekommen."
Klinkenputzen
Aber was kann ein Österreicher im Wahlkampf für die Demokraten tun? "Ich war in Ohio unterwegs mit Christine Antorini, der ehemaligen dänischen Bildungsministerin. Wir haben einen Stadtplan bekommen mit Häusern von Wählern, die für die Demokraten stimmen und wo wir läuten sollten. In den USA ist das ja genau erfasst." Euler-Rolle rätselte zunächst, was er den Menschen sagen sollte, wenn sie öffnen: "Die Wahlkampfmanager von Sanders zum Beispiel haben nur gemeint: ,Erzähl den Menschen einfach, dass du von Österreich bis hierher gekommen bist, um ihnen zu sagen, dass Bernie der Beste ist. Und frag sie nicht, ob sie wählen, sondern nur wann.’ Da habe ich gemerkt: In den USA akzeptiert man da kein Nein."
Was ist aus Sicht von Euler-Rolle im Wahlkampf der größte Unterschied zwischen Clinton und Sanders? "Bei Hillary Clinton merkt man, dass es seit vielen Jahren einen konkreten Plan gibt, mehrfach adaptiert und jetzt perfektioniert. Das ist eine riesige Maschinerie, topprofessionell. In ihrer Wahlkampfzentrale im 90. Stock eines Hauses in Brooklyn mit Blick auf Manhattan sieht es aus, als wäre es eine Art Apple-Büro für Politik. Es gibt coole Typen mit Hillary-Kapperln, Postings an den Wänden mit politischen Botschaften und Fotos von Hillary mit Leo DiCaprio, Stevie Wonder oder Anna Wintour. Bei Sanders ist das ganz anders. Da wird man in Socken empfangen und hat das Gefühl, dass sein Team selbst davon überrascht ist, wie weit er es schon geschafft hat."
Jedenfalls könne man aus den USA auch für Österreich viel lernen: "Wie man Menschen direkt und mit ganz klaren Botschaften anspricht. Wie man sein Gegenüber sprachlich abholt. Ich glaube ja , dass viele Leute gar nicht verstehen, worum es geht, wenn wir von Visegrad-Ländern oder von Off-Shore-Geschäften sprechen." Grundsätzlich gehe es um die Kombination aus der Nutzung von Daten und menschlichem politischen Vermögen.
Euler-Rolle tippt letztlich auf ein Duell Clinton gegen Trump und hofft freilich auf einen Clinton-Sieg. Aber was könnte jemanden wie Trump überhaupt für viele wählbar machen? "Er ist anders als alle anderen. Er hatte wirtschaftlichen Erfolg, das wird in den USA mit Kompetenz gleichgesetzt. Er hat offenbar einen hohen Unterhaltungswert. Und seine Auftritte riechen nicht nach Politik."
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