Causa Böhmermann: Regierung bittet um Geduld

Jan Böhmermannist derzeit untergetaucht
In Berlin will man die Affäre Böhmermann klein halten - Abschaffung des "Majestätsbeleidigung-Paragraphen" möglich.

Die Affäre Böhmermann sorgt in der Berliner Regierung nach wie vor für Kopfzerbrechen – auch wenn man versucht, die Sache, die sich mittlerweile zur Staatsaffäre ausgewachsen hat, so klein wie möglich zu halten. In der Regierungs-Pressekonferenz bat Merkels Sprecher Steffen Seibert um "Geduld", was das Ansinnen des türkischen Präsidenten angeht, Jan Böhmermann wegen seines Schmähgedichtes strafrechtlich zu verfolgen.

Seibert betonte abermals, dass es rein um eine Ermächtigung zur Strafverfolgung nach dem umstrittenen "Majestätsbeleidigung-Paragraphen" gehe. "Es geht nicht um eine Bewertung in der Sache. Das wird keine Entscheidung über die Meinungsfreiheit oder über die Grenzen der Satire sein", so Merkels Sprecher. Dass die Regierung hinter den Kulissen eine Abschaffung den umstrittenen Paragraphen 103 vorbereite – aus der SPD war diese Idee nach außen gedrungen, auch die Opposition und der Verband der Verleger machte sich dafür stark -, kommentierte man nicht. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, könnte man sich geschickt aus der Affäre ziehen und nur den Gerichten die Entscheidung überlassen.

"Polizeischutz ist kein Spaß"

In der Causa meldete sich mittlerweile auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, zu Wort und verteidigte den angeordneten Polizeischutz. "Man muss leider davon ausgehen, dass es gerade in diesem Konflikt mit diesem unglaublichen Hype den ein oder anderen Eiferer gibt, von dem möglicherweise Gefahren ausgehen", sagte Wendt der Deutschen Presse-Agentur. Es sei gut, dass die Polizei kein Risiko eingegangen sei. Ein Polizeisprecher hatte am Dienstag bestätigt, dass ein Streifenwagen vor der Tür Böhmermanns in Köln stehe.

Die Anordnung eines Polizeischutzes werde in einer Gefährdungsanalyse geprüft, erklärte Wendt. Er könne je nach Bedrohungslage rund um die Uhr oder nur zu öffentlichen Auftritten ausgeübt werden. "Ein Polizeischutz ist für die betroffenen Personen kein Spaß. Erstens muss man die Bedrohung ernstnehmen, wenn sie denn vorhanden ist, und zweitens ist das schon ein tiefer Eingriff in das private Leben der zu schützenden Person", sagte Wendt. Bis wann der Schutz angeordnet wird, werde in einer fortlaufenden Analyse entschieden.

Solidarisierung mit Böhmermann

Viele Künstler haben sich am Mittwoch in Deutschland mit dem ZDF-Satiriker Jan Böhmermann solidarisiert. Unter anderem forderten Schauspieler Matthias Brandt, Pianist Igor Levit und Schauspielerin Katja Riemann in einem offenen Brief, die juristischen Ermittlungen gegen Böhmermann unverzüglich einzustellen. Das Schreiben veröffentlicht die Wochenzeitung Die Zeit am Donnerstag.

Erdogans Anwalt: Gehen bis in letzte Instanz

Am Dienstagabend sagte Erdogans Anwalt Hubertus von Sprenger, mit seinem Mandanten bis in die letzte Instanz gegen das "Schmähkritik"-Gedicht Böhmermanns vorzugehen. "Wenn ich das Mandat annehme, ziehe ich das auch durch", sagte von Sprenger im ZDF-"heute journal". "Der Präsident verspricht sich die Bestrafung des Betroffenen und verspricht sich auch, dass der in Zukunft das nicht wiederholt, was er gesagt hat, auf zivilrechtlicher Ebene."

Nach Anzeigen gegen Böhmermann und Verantwortliche des ZDF ermittelt die Mainzer Staatsanwaltschaft. Die Bundesregierung prüft außerdem einen förmlichen Wunsch der Türkei nach einer Strafverfolgung Böhmermanns wegen der Beleidigung eines Staatsoberhaupts nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs. Eine Entscheidung wird bald erwartet.

Meinungsfreiheit "hohes Gut"

Angesichts der Vorwürfe gegen Böhmermann betonte die Chefin der Länder-Rundfunkkommission, Malu Dreyer (SPD), die Bedeutung der Meinungsfreiheit. "Die Freiheit der Presse, der Meinung und der Kunst in unserem Land ist ein hohes Gut", teilte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin der Deutschen Presse-Agentur mit. "Es ist von unserem Grundgesetz geschützt und nicht verhandelbar."

Die ARD-Talkerin Anne Will, deren Einladung Böhmermann für den vergangenen Sonntags-Talk absagte, kritisierte in einem Gespräch mit dem "SWR UniTalk" die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die vor einigen Tagen das Böhmermann-Gedicht als "bewusst verletzend" bezeichnet hatte. "Es ist plötzlich eine Affäre daraus geworden und das durch das Zutun der Bundeskanzlerin und zuvor durch die Intervention des türkischen Staatspräsidenten. Es wäre schön, wenn man die Kirche wieder zurück ins Dorf bekäme. Jetzt ist es ein Desaster."

"Interview" mit dem Bild-Herausgeber

Am Mittwochmorgen stiftete Bild-Herausgeber Kai Diekmann mit einem angeblichen Böhmermann-Interview Verwirrung. Das auf Diekmanns Facebook-Seite veröffentlichte Gespräch war übertitelt mit den Worten: "Jan Böhmermann bricht sein Schweigen! Das große Interview zum Erdogan-Eklat!" Der ZDF-Moderator wird im weiteren Verlauf unter anderem auf die Frage nach dem Grund seiner Satire mit den Worten zitiert: "Wie gehen wir mit schrecklichen Regimen um, auf die wir angewiesen sind? Mit 'Traumschiff' und 'Forsthaus Falkenau' treten Sie solche Debatten nun mal nicht los. Das ZDF sollte mir dankbar sein. Das ist meine Botschaft. Making ZDF great again, wie Donald Trump sagen würde!" Später twitterte Diekmann: "Ich sag' es mal in den Worten des falschen Böhmermann: "Das ganze Leben ist Satire. Man muss sie nur erkennen." #Boehmermann #Interview".

Böhmermann untergetaucht

Am Dienstag war bereits bekanntgeworden, dass die Produktionsfirma btf GmbH und Jan Böhmermann in Abstimmung mit dem ZDF entschieden haben, die für Donnerstag geplante nächste Ausgabe des "Neo Magazin Royale" nicht zu produzieren. Grund sei die breite Berichterstattung und der damit verbundene Fokus auf die Sendung und den Moderator. Auch Böhmermanns sonntägliche Radiosendung "Sanft und Sorgfältig" bei radioeins mit dem Musiker Olli Schulz wurde zum zweiten Mal in Folge abgesagt.

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