Der Anwalt bekommt ein Gewissen

Bob Odenkirk über seine neue Serie "Better Call Saul", das lang erwartete Spin-off von "Breaking Bad".

Wenn ein Anwalt schlechten Menschen gute Ratschläge gibt, macht ihn das zu einem guten oder schlechten Anwalt? In der US-Erfolgsserie "Breaking Bad" hatte Saul Goodman die Frage längst beantwortet. Natürlich war er ein guter Anwalt. So gesehen war Goodman sogar ein brillanter Anwalt. Das Spin-off "Better Call Saul" (ab Mittwoch, 0.01 Uhr auf Netflix abrufbar) zeigt den windigen Advokaten nun zu einer Zeit, als er sich da noch nicht so sicher ist – und noch unter dem Namen Jimmy McGill firmiert, sechs Jahre vor der Handlung von "Breaking Bad". Der KURIER traf Hauptdarsteller Bob Odenkirk in Berlin, um mit ihm über seinen und Sauls Werdegang zu sprechen.

KURIER: Muss man "Breaking Bad" kennen, um "Better Call Saul zu verstehen?

"Breaking Bad" war von Anfang an extrem düster. "Better Call Saul" ist da viel witziger. Also zum Beispiel hat Saul keinen Krebs, das ist ja schon mal ein Anfang. Aber wenn man "Breaking Bad" kennt, wird es einem wie eine Retro-Show vorkommen. Es gibt einfach so viele Anspielungen und alte Bekannte, die man wiedersieht.

Hatten Sie Angst, "Better Call Saul" zu machen? Die meisten Spin-offs funktionieren ja nicht.

Ja, aber die meisten Spin-offs werden auch nicht von Vince Gilligan und Peter Gould geschrieben. Das ist der große Unterschied. Die beiden sind großartig. Ihnen geht es nicht ums Geld. Vince macht, was er will, und er hatte nach "Breaking Bad" die Freiheit und die Möglichkeiten dazu. Es war sein Wunsch, diese Figur weiter zu erforschen. Dennoch ist es nervenaufreibend, aus einer beliebten und gut funktionierenden TV-Serie, die in ihrer Weise perfekt ist, etwas Weiterführendes zu machen. Aber wir haben’s versucht und ich bin stolz darauf. Vielleicht wird "Better Call Saul" nicht so großartig wie "Breaking Bad", aber immerhin wird es großartig.

Hätte eine andere Figur ein Spin-off hergegeben? Vermutlich nicht, oder? Denn von Saul Goodman weiß man am Ende von Breaking Bad ja so gut wie gar nichts.

Das stimmt. Am Anfang von Better Call Saul trifft man ihn und er sagt: „Mein Name ist nicht Saul Goodman, sondern Jimmy McGill.“ Da weiß man dann noch weniger. Man weiß nicht, wer seine Familie ist, wohin er nach Hause geht. Man weiß nur, dass diese Person nicht echt ist. Ich denke, das war einer der Gründe für Vince und Peter sich zu fragen, wer dieser Kerl eigentlich ist. Er ist nämlich nicht der, der er vorgibt zu sein.

Wie würden Sie Saul charakterisieren?

Wenn man die Person hinter Saul Goodman kennenlernt, merkt man, dass er ein liebenswerter Mensch ist. Er will sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden. Er will den Respekt seines älteren Bruders. Das sind alles Dinge, mit denen man sich identifizieren kann. Er glaubt, er hat ein Talent für etwas, aber er kann nicht den richtigen Ort dafür finden, wo er es auch anwenden könnte. Er findet keinen Platz, wo er respektiert wird – und dann sagt ein Teil von ihm, dass er das doch können muss. Ich denke, viele Leute können das nachvollziehen, gerade wenn man so um die 30 oder 40 ist und wenn man noch immer keinen richtigen Platz in der Welt gefunden hat. Dann ist es schwer, seinen Instinkten zu trauen. Saul etwa hat viele Fähigkeiten, er kann gut reden, er ist manipulativ, er kann gut verhandeln.

Aber diese Talente verwendet er, um selbst kriminell zu werden?

Aaaah, wer ist denn schon im juristischen Bereich tätig außer Kriminelle? Natürlich tut er das, er muss ja (lacht). Es gibt eine tolle Zeile in der ersten Episode: „Ich will keine schuldigen Leute vertreten.“ Aber wer bracht denn schon Anwälte außer Schuldige? Und er redet ja nur mit Leuten, die definitiv schuldig sind.

Die Frage hinter beiden Shows ist ja die gleiche: Was muss passieren, damit jemand vom rechten Weg abkommt?

Ja, es geht um Transformation. Auf einem fundamentalen Level. Wenn es eine spirituelle Verbindung zwischen den beiden Shows gibt, dann ist es die Frage wie sich eine Person völlig ändern kann. Vince scheint das offenbar sehr zu beschäftigen. Es ist ja auch spannend. Was ich an seinen Texten mag, ist dass er klar macht, dass das nicht einfach ist – Leute ändern sich nicht einfach so. Sie ändern sich, weil etwas passiert, oder weil sie dazu gedrängt werden. Bei Walter White war das spannend, weil die Figur ja schon in ihm war.

Sie arbeiten seit mehr als 25 Jahren auch als Autor für Comedy-Shows. Half Ihnen diese Erfahrung, diesen Charakter zu kreieren?

Nein, ich habe wirklich gar nichts für die Rolle geschrieben, kein Wort. Ich hab’s gar nicht erst versucht. Ich wollte diese Rolle wirklich als Schauspieler erforschen und habe da ganz auf Vince Gilligan vertraut.

Ist es eine ungewohnte Erfahrung für Sie, nach der Nebenrolle in "Breaking Bad" jetzt so im Rampenlicht zu stehen?

Der Anwalt bekommt ein Gewissen
Ursula Coyote / Courtesy Netflix, Inc.
Es ist okay. Aber ich muss so viele Interviews geben (lacht). Wissen Sie, ich bin jetzt 52 Jahre alt. Ich hab viele Freunde berühmt werden gesehen. Ich versuche nicht viel darüber nachzudenken. Denn es kann ja auch wieder abwärtsgehen – wer weiß, wo ich in fünf Jahren sein werde.

Es ändert sich also nicht viel?

Das Level an Aufmerksamkeit jetzt ist qualitativ und quantitativ viel größer, aber ich weiß nicht, ob das mein Leben stark verändert. Ich lebe nach wie vor in Hollywood, und dort heißt das gar nichts.

Für den Crystal Meth kochenden Walter White war Saul Goodman der Anwalt für alle Fälle. Immerhin half er White nicht nur dabei, seine Drogengelder zu waschen, er stellte ihm auch noch gleich neue Geschäftspartner vor ("Ich kenne einen Typen, der einen Typen kennt"). Und sorgt damit ganz nebenbei auch noch für die heitersten Momente der erfolgreichsten US-Serie der vergangenen Dekade.

Jetzt hat Goodman seine eigene Serie bekommen. "Better Call Saul" erzählt die Vorgeschichte des Anwalts vom glück- zum hoffnungslosen Pflichtverteidiger. Das Ende als Anwalt ohne Moral und Gewissen ist zwar schon bekannt, aber es ist ohnehin nicht das Ergebnis, das zählt. Vince Gilligan variiert für "Better Call Saul" sein Grundthema "Wie wir werden, was wir sind" in gewohnter Art: Anspielungen auf "Breaking Bad" sind allgegenwärtig.

Für den 52-jährigen Bob Odenkirk ist es die erste Hauptrolle in einer derart großen TV-Produktion. Dabei ist der Schauspieler seit mehr als 25 Jahren im Showgeschäft, wenn auch vor allem hinter den Kulissen. Als Drehbuchautor der amerikanischen Unterhaltungsinstitution "Saturday Night Live" wurde er schon 1989 mit einem Primetime-Emmy ausgezeichnet. Zehn Nominierungen und ein weiterer Emmy (1993 für die "Ben Stiller Show") folgten.

Von Weeds zu Meth

Mit der hierzulande wenig beachteten Sketch-Show "Mr. Show with Bob and David" feierte er dann Mitte der 90er-Jahre erste Erfolge als Schauspieler. Es folgten Auftritte in "Weeds", "How I Met Your Mother" und dem Friends-Spin-off "Joey", ehe er als Saul Goodman den Kantigsten aller Winkeladvokaten spielte.

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